„Wir wollen kein zweites Solingen erleben" - Ministerpräsident Tayyip Erdogan besucht Opfer vor Ort besuchen
Größte Brandkatastrophe der Nachkriegsgeschichte Ludwigshafens: 9 Menschen türkischer Herkunft starben und 60 zum Teil schwer verletzt - Verdacht auf Brandstiftung
Das bei einem Brand vor zwei Tagen völlig zerstörte Haus in Ludwigshafen wurde ausschließlich von Türken bewohnt. Alle neun Opfer, unter ihnen fünf Kinder, sind türkischer Herkunft. Noch sind nicht alle identifiziert. 60 Menschen, meist auch Türken, wurden z.T. schwer verletzt; am Dienstag befanden sich noch elf Personen im Krankenhaus.
Nach Berichten der dpa prüft die Polizei eine Zeugenaussage, wonach es sich um Brandstiftung handeln könnte.Innerhalb der türkischen Bevölkerung in Ludwigshafen besteht die Befürchtung, dass Brandstiftung die Ursache für das verheerende Feuer gewesen sein könnte. Der Vorsitzende des türkisch-deutschen Unternehmervereins, Eyyüp Özcan, sagte, es habe bereits 2006 einen Brandanschlag auf das selbe Haus am Danziger Platz 32 gegeben. Damals habe jemand versucht, das Haus anzuzünden, das Feuer habe aber gelöscht werden können.
Der türkische Präsident Abdullah Gül forderte angesichts von Brandanschlägen in Deutschland in der Vergangenheit eine «sorgfältige Untersuchung». Die Bundesregierung zeigte sich betroffen. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg nannte das Geschehen eine Tragödie.
In Deutschland und in der Türkei sind Politiker alarmiert. Die Regierung in Ankara hat eigene Ermittler nach Deutschland entsandt. Nach unbestätigten Meldungen wird Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bei seinem Deutschlandbesuch selbst nach Ludwigshafen reisen - begleitet von vier türkischen Polizeifachleuten, die die Brandursache untersuchen. Der türkische Botschafter Mehmet Ali Irtemçelik war bereits in Ludwigshafen, um sich ein Bild von der Tragödie zu machen. "Wir wollen, dass der Vorfall so schnell wie möglich aufgeklärt wird", sagt Erdogan.
Erdogan äußert seine Sorge, dass es sich um Brandstiftung handeln könnte. "Wir wollen kein zweites Solingen erleben", sagt der türkische Politiker: "Wir hoffen, dass der Vorfall nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun hat." In Solingen war 1993 ein von Türken bewohntes Haus von Jugendlichen angezündet worden.
In den türkischen Medien findet die Tragödie breite Beachtung. Die Zeitung Türkiye berichtet über den Fall unter der Überschrift "Fern der Heimat lebendig verbrannt". Die liberale Zeitung Radikal titelt: "Ein Feuer im Karneval verbrennt unsere Herzen." Ausführlich zitieren türkische Medien die Aussagen zweier türkischer Mädchen, die beobachtet haben wollen, wie ein deutsch sprechender Mann im Hauseingang einen Kinderwagen in Brand gesteckt habe und dann weggelaufen sei.
Eine Sonderkommission arbeitet nach Angaben der Polizei in Ludwigshafen an der Aufklärung der Hintergründe. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Ursache für den Brand erst in einigen Tagen feststehen wird. Nach ersten Vermutungen der Feuerwehr könnte das Feuer im hölzernen Treppenhaus des alten Gebäudes zu erst gewesen sein.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums stimmten die zuständigen Ermittler in Rheinland-Pfalz der Mitarbeit von Brandexperten aus der Türkei zu. Diese dürften Fragen stellen, aber keine Vernehmungen führen, sagte eine Ministeriumssprecherin.
Die Stadt Ludwigshafen hatte letzten Montag alle Karnevalsveranstaltungen abgesagt. Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) sprach von dem "größten Brandereignis in der Geschichte Ludwigshafens nach dem Krieg". Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) war am Montagmittag an der Unglücksstelle eingetroffen.
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