Artikel Sonntag, 13.05.2007 |  Drucken

Tariq Ramadan und die Antideutschen - Replik auf Thomas Schmidinger von Omar Al-Rawi

Ich bin selbst kein besonderer Kenner der geschichtlichen Entwicklung islamistischer Bewegungen oder dem Inhalt ihrer Ideologien. Wahrscheinlich hat sich Thomas Schmidinger intensiver damit beschäftigt. Doch macht einen das Lesen und Rezensieren von zwei Büchern genau so wenig zum Experten wie ja auch bekanntlich eine Schwalbe noch lange keinen Sommer ausmacht. Wie mir scheint versucht Schmidinger neuerlich, wie schon bei einem von ihm verfassten Artikel erschienen in Die Presse, ein Konstrukt angeblichen "Networkings islamistischer Muslimbrüder"[1], eine Weltverschwörungstheorie von bedrohlicher muslimischer Unterwanderung in Österreich und Europa zu verbreiten. Nachdem er damals schon jeglichen Beleg und Beweis schuldig geblieben ist, versucht er dieses Mal mit einer pseudo- wissenschaftlichen Arbeit das Leben von Tariq Ramadan zu durchleuchten, um dann durch den Umweg der „Muslim Brüder“ und einer akrobatischen Argumentation einen Kontakt und Vernetzung zu den in Österreich lebenden FunktionärInnen und AltivistInnen der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) und muslimischen NGOS herzustellen. Man schreibt seitenweise über Tariq Ramadan, stellt fest, dass er bei einer Feier der Muslimischen Jugend (MJÖ) als Redner aufgetreten ist. Die MJÖ ist die Jugend Organisation der IGGiÖ und somit sei der Beweis erbracht. Ein sehr billiger und hinkender Versuch, der eines Wissenschaftlers unwürdig ist.

Ganz im Sinne der Tradition der sogenannten „Antideutschen“ zu deren Dunstkreis nun mal Thomas Schmidinger gehört, wird versucht, Muslime generell zu diffamieren.

Antideutsche

Robert Misik beschrieb die Gedankenwelt und das Weltbild der "Antideutschen" unter anderem so: "Sie kommen, wie der Name schon vermuten lässt, ursprünglich aus der Bundesrepublik, haben da unter begabten Jungakademikern einen gewissen Einfluss erlangt, sind aber auch hierzulande rührig: Aktiv um das Café Critique, haben sie die einstige Zivildienerzeitung ContextXXI usurpiert und auch das bisher renommierte Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes ein bisschen angesteckt. Die grundlegende Gedankenreihe der antideutschen Narretei ist einfach - sie sind obsessiv auf Deutschland fixiert. Deutschland ist für sie, was es immer, vor allem so um 1940 war: faschistisch, eine Gefahr für den Weltfrieden, Agentur des Völkischen. Deutschland ist böse. Folglich sind alle, die von Deutschen kritisiert werden, gut. Also auch George W. Bush. Vor allem sind die Deutschen Antisemiten. Also sind alle Juden gut - auch Ariel Sharon. Die Moslems sind gegen die Juden, also gewissermaßen Deutsche."[2]

Für sie ist die Friedensbewegung nur "Demomob". Nach dem Fall Bagdads beglückwünschten sie in vollendeter Förmlichkeit "die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien" zu ihrem Sieg. Die antideutsche Berliner Zeitschrift "Bahamas" forderte nach dem 11. September amerikanische Bomben auf islamische Zentren in Deutschland. Die Antiglobalisierungsbewegung hat für sie überhaupt faschistoide Tendenzen. Der bekennende Antideutsche Stephan Grigat hat es konkretisiert „..Daher ist das, was „deutsch“ ist, auch verallgemeinerbar. Nachdem das spezifisch deutsch-österreichische Krisenlösungsmodell mit Vernichtung und Weltkrieg im Nationalsozialismus Wirklichkeit wurde, lassen sich in einem ideologiekritischen Sinne auch Vertreter der islamistischen Barbarei als deutsche Ideologen kritisieren. Sie operieren sowohl historisch als auch aktuell ganz offen mit Elementen der nationalsozialistischen Ideologie bei der Realisierung ihres Verständnisses der „Umma“, der Gemeinschaft aller Muslime...... Dieser Umma-Sozialismus, wie man die djihadistische Mordbrennerei sowohl in Anlehnung als auch in Abgrenzung zu ihrem nationalsozialistischen Vorbild vielleicht nennen sollte, stellt heute eine existenzielle Bedrohung für Israel dar“[3]. Aus dieser Gedankenwelt erkennt man vielleicht die Motivation, auch Tariq Ramadan anzugreifen? Wie man gleich sieht, wird man Tariq Ramadan als Antikapitalist, Globalisierungsgegner und Sympathisant von Widerstand gegen Besatzung und Kolonialismus erleben. Er ist ein Muslim, der es noch dazu wagte, Israel zu kritisieren und sich mit den Anliegen der Palästinenser zu solidarisieren. Genetisch ist er vorbelastet durch seinen Großvater Hassan El Benna, dem Gründer der „Muslim Bruderschaft“. Alles Dinge, die ihn für die Antideutschen zum roten Tuch machen. Dann kam noch die Auseinandersetzung um den Irak-Krieg, den die Antideutschen befürworteten und den damit verbundenen Streit mit Alain Finkielkraut, Bernard-Henri Levy, Andrè Glucksman, die er "französisch-jüdische Intellektuelle“ nannte, was ihm prompt den Vorwurf des Antisemitismus einbrachte. Dies gab den Antideutschen den Rest. Es hat keine Rolle gespielt, dass er einer der wenigen prominenten Muslime war, der sich in der israelischen Zeitung Ha’aretz klar gegen den Judenhass in der eigenen Glaubensgemeinschaft ausgesprochen hat. Sein Artikel in der Französischen Zeitung Le Monde, wo er scharf mit seinen Glaubensbrüdern verfahren und sie für ihr mangelndes Auftreten gegen Antisemitismus in Frankreich kritisiert hat, hat ihm auch nicht genützt.

Ich werde im Folgenden versuchen, auf einige Behauptungen und Thesen Schmidingers eine Antwort zu finden.

Tariq Ramadan

Ich hatte nie die Gelegenheit, ihn persönlich zu treffen, noch habe ich eines seiner Bücher gelesen. Jedoch waren alle, die ihn bei seinem Auftritt beim Jubiläumsfest der Muslimischen Jugend in Österreich erlebt haben, sehr begeistert. Ein Mann, der sicher kontrovers bewertet und wahrgenommen wird. Er ist „schlüpfrig“, „gerissen“, hat „zwei Gesichter“ und ist „gefährlich“. Ist aber gleichzeitig „brillant“, „Brückenbauer“ und ein „muslimischer Martin Luther“. Er möchte, dass Muslime ein Teil der westlichen Welt werden und musste erleben, wie ihm die Einreise in die USA, um eine angebotene Professur an der „University of Notre Dame“ im US-Bundesstaat Indiana anzutreten, verwehrt wurde. Musste sozusagen am eigenen Leib die Segnungen des „Patriot Act“ erleben. Seinen Lehrstuhl für Religion und Konfliktforschung konnte er nicht erhalten. Dafür landete er als Gastprofessor an der renommierten Oxford Universität. Ausgerechnet jener Mann, der Brückenbauer zwischen dem Islam und der westlichen Welt sein wollte, war plötzlich ein Sicherheitsrisiko.

Ian Buruma, ein Kommentator der „New York Times“, Professor am Bard College und Buchautor von Büchern wie „Murder in Amsterdam“ über den Tod von Theo van Gogh und die Grenzen der Toleranz, hat das bisher ausführlichste und ausgewogenste Porträt des muslimischen Intellektuellen Tariq Ramadan geschrieben[4]. Zu lesen auf der Website des New York Times Magazine. Dort erklärt Tariq Ramadan was sein politisches Verständnis formte. In seiner Familie war Widerstand gegen Diktaturen und Kolonialismus ein Schlüsselkonzept. Als 18jähriger bereiste er Lateinamerika, Indien und Afrika. Die Menschen, die er traf, waren sehr oft Linke. Die Befreiungstheologie in Brasilien, die einen Widerstand mit religiösen Prinzipien darstellte, hat ihn zu einem Diskurs angeregt. Er hat in Tibet einen Monat mit dem Dalai Lama verbracht. Auch hier äußerte sich die gleiche Philosophie, eine spirituelle Praxis mit Widerstand gegen den chinesischen Kolonialismus. Aus diesen persönlichen Erfahrungen heraus begann Ramadan die Werke seines Großvaters zu lesen. Er kam zu dem Schluss, dass sein Großvater in seinem Kampf gegen die Briten in den 40iger Jahren das sagte, was die Befreiungstheologen in den 60iger Jahren sagten. In seinem Buch „Western Muslims and the Future of Islam” wirft er ein Licht über Ramadans Idee eines islamischen Sozialismus. Eine Ideologie, die religiöse Prinzipien mit Antikapitalismus und antiimperialistische Politik, die auf die russische Revolution zurückgeht, kombiniert. Hier wird „das nördliche Modell der Entwicklung“ genau so kritisiert wie auch Institutionen wie die „Welt Bank“ und der „Währungsfond“. Wenn man mit neoliberaler Wirtschaft konfrontiert wird, so lässt die Botschaft des Islams laut Ramadan keinen Weg außer Widerstand mehr zu. Eingeschworener Antikapitalist heißt nicht unbedingt ein Kommunist, Faschist, religiöser Fundamentalist oder gar Antisemit zu sein. Obwohl die oben genannten Gruppen sehr oft diese Gemeinsamkeit teilen. Ian Buruma fragte ihn warum er nur für ein Moratorium und nicht Abschaffung der Körperstrafen im Islam eintrat. Hier bekannte sich Tariq Ramadan eindeutig dass er gegen jede Form von Kapitalstrafen sei, nicht nur in Islamischen Ländern sondern auch in den USA, Jedoch währe hier ein Diskurs in der Islamischenwelt von Nöten. Wenn man dort gehört werden möchte, insbesondere beim behandeln von Religiöse Themen, genügt es nicht einfach zu sagen „Hört auf damit“. Hier kann der Diskurs nur von innen kommen um nachhaltig zu sein. Und als erster Schritt bin ich für ein Moratorium eingetreten. Sozusagen jeder dauerhafte Friedensvertrag begann einmal mit einem Waffenstillstandabkommen.

Einer der Schlüsselzitate in diesem Artikel war jener, das dass, was ehemalige oder zeitgenössische Progressive aufbrachten, ein augenscheinliches Paradoxon für das war, was Ramadans Herz bewegte. Beim globalen Kapitalismus spricht er wie ein Linker 68er Student. Aber in gesellschaftlichen Fragen klingt er wie ein liberaler Konservativer, den jene 68-er Studenten ablehnen würden. Er ist sozusagen ein Naom Chomsky in der Aussenpolitik und ein Jerry Falwell in gesellschaftlichen Fragen.

Jörg Lau beschrieb in seinem Artikel „Der Doppelagent“ in Die Zeit Tariq Ramadan mit den Worten “ … Wenn Ramadan von Reform-Islam spricht, dann ist damit nicht so sehr die islamische Selbstkritik gemeint, sondern vielmehr Kulturkritik westlicher Dekadenz im Lichte der Offenbarung des Propheten. Sein Auslegungsgeschick führt zu merkwürdigen Allianzen: Er schafft es, das Zinsverbot des Korans so zu erklären, dass der Prophet und seine Anhänger wie eine frühe Version der Antikapitalisten von Attac aussehen. In globalisierungskritischen Kreisen ist er gern zu Gast und wird vom Bauernrevoluzzer José Bové herzlich umarmt“[5]

Ian Buruma fragte Oliver Roy, wahrscheinlich Frankreichs größter Autorität in Sachen Islam, wer den die Hauptanhänger Tariq Ramadans eigentlich sind? Er antwortete, dass es nicht die erste Generation der Migranten sei, auch sicher nicht die Fundamentalisten. Die Armen der französischen Vorstädte interessieren sich nicht für ihn. Er spricht die zweite Generation an, die eine abgeschlossene Universitäre oder höhere Bildung haben, aber sich nicht integriert fühlen. Das sind jene, die eine Mittelschicht bilden würden, für die der Diskurs von Respekt und Würde eine immense Bedeutung hat. Das ist die Welt, in der Tariq Ramadan operiert. Ein urbanes westliches Umfeld voll mit gebildeter aber oft irritierter Jugend, die auf der Suche nach attraktiven Modellen ist, mit der sie sich identifizieren kann.

Tariq Ramadan spricht sie über die „Zukunft des europäischen Islams“ selbstbewusst an. Er ist gebildet, eloquent und Held der französischen Vorstädte. Endlich ein Muslim, der weder Hassprediger ist, noch als Opfer auftritt und trotzdem eine unverwechselbare islamische Identität darstellt. Dies entspricht nicht dem Klischee, das man von Muslimen hat und kommt bei seiner Gemeinde natürlich sehr gut an. Mit Zitaten wie „Wir Muslime im Westen müssen uns endlich von unserem doppelten Minderwertigkeitskomplex befreien – gegenüber der westlichen und gegenüber der islamischen Welt, die für sich beansprucht, die reine Lehre unseres Glaubens zu vertreten“ gewinnt er die Herzen der Jugend.

Auf sein Äußeres legt er großen Wert. Er ist feingliedrig und spricht, wie manche französischen Medienintellektuellen, auch mit eitlen Gesten. Sein schwarzer Anzug mit offenem Hemd ist genauso ein Markenzeichen wie sein sorgsam gestutzter Dreitagesbart. Rein äußerlich hat er mit einem islamistischen Fanatiker nichts zu tun. Robert Misik hat recht, wenn er ihn als stilbewusst und als ersten Popstar des Euroislam beschreibt. Seine hie und da getragenen modischen kragenlosen Hemden erinnern ein bisschen an die iranische Revolution, und lassen ihn ein bisschen nach Mao-Tse-Tung aussehen.

Laut Ian Burma bietet Ramadan eine vernünftige aber traditionalistische Herangehensweise an den Islam, der Werte bietet, die genauso universal sind wie die der europäischen Aufklärung. Diese Werte sind nicht immer säkular bzw. liberal, aber sie sind sicher nicht Teil eines „Heiligen Krieges“ gegen die westlichen Demokratien. Seine Politik bietet eine Alternative zu Gewalt, was am Ende Grund genug ist, sich mit ihm kritisch jedoch ohne Angst zu beschäftigen.

Etwas skeptischer, aber mit einer ähnlichen Schlussfolgerung wie Buruma, kommt Jörg Lau in Die Zeit. „Tariq Ramadan hat es geschafft, zum inoffiziellen Sprecher eines Euro-Islams aufzusteigen, der das gebrochene Selbstbewusstsein der Diaspora hinter sich lässt und das Hier und Jetzt der westlichen Moderne als sein Wirkungsfeld akzeptiert. Das allein ist ein Verdienst, auch wenn es keineswegs ausgemacht scheint, ob er das Etikett des liberalen Reformers zu Recht trägt. Es wäre falsch, ihn aus dem Gespräch über den langen Weg der Muslime nach Westen auszugrenzen. Es gibt nicht viele andere, die wie dieser Doppelagent des modernen Islams auf beiden Seiten Gehör finden“.

Robert Misik meint in seinem „Schön wie die Sharia“ “...sympathisch muss einem Ramadan bei Gott nicht sein. Doch es ist wohl wie immer in Orthodoxien – selbst die Herätiker sind noch gefangen in den Dogmen, die sie langsam aufweichen, sie beginnen als Grenzgänger, und wie sie enden werden, weiss man am Anfang nie. Wenn man den Islamismus nicht nur mit der Polizei bekämpfen, sondern auch mit geistiger Auseinandersetzung beikommen will, dann wird man um Tariq Ramadan als Gesprächspartner nicht herumkommen“[6].

Integration durch Partizipation

Von Integration redet jeder. Den Begriff zu definieren, stand nicht wirklich im Vordergrund. Nach dem Überfremdungswahlkampf der Freiheitlichen im Jahre 1999, bat mich der Präsident der IGGiÖ Anas Schakfeh, mich mit dieser Thematik zu beschäftigen und Konzepte zu entwickeln, wie man die Muslime erfolgreich in die Gesellschaft integrieren kann. Als Integrationsbeauftragter der Glaubensgemeinschaft machte ich mich auf den Weg mit vielen Gesprächen an der Basis, mit Imamen und Vereinen, einen Dialog einzuleiten. Ich musste leider feststellen, dass der Begriff teilweise negativ besetzt war und auch mit Vorsicht begegnet worden ist. Denn auch die Muslime hatten Integration mit Assimilation verwechselt. Die Sorge, ihren Glauben, Kultur, Sprachen zu verlieren oder opfern zu müssen, hat sie in eine eigene Isolation bzw. „Ghettoisierung“ getrieben. Hier war die Herausforderung gegeben, eine Definition zu finden, die ihnen die Angst wegnimmt und sie zur Teilhabe an der Gesellschaft animiert. Bald wurde Integration von uns aus als aktive Partizipation in der Gesellschaft in allen Bereichen ausgerufen. Politisch, kulturell, wissenschaftlich, in der Kunst und Kultur sowie in der Zivilgesellschaft. Mit dem klaren Bekenntnis zum Erlernen der deutschen Sprache ohne jedoch auf die eigene Religion, Kulturen oder Sprachen zu verzichten. Ein kleiner Mosaikstein in einer vielfältigen Umgebung. Eine Bereicherung und keine Belastung. Diese Gedanken wurden dann durch ein von mir entwickeltes Positionspapier, in die Europäische Imame Konferenz im Jahre 2006 in Wien getragen und dort als Beschluß gefasst. Dort wurde unter anderem erkannt, dass Integration keine Einbahnstrasse sei. Auch wurden Erwartungen und politische Forderungen, wie z.B. Wahlrecht für Länger im Land lebende Ausländer bzw. Antidiskriminierungsgesetz .etc, an die Mehrheitsgesellschaft gestellt. Dieses Positionspapier kann man auf www.islaminitiative.at nachlesen. Dort wird man wohl feststellen, dass es darin mehr sozialdemokratische Positionen zu entdecken gäbe als ein „islamistisches“ Konzept der Integration. Die Tatsache, dass Tariq Ramadan den gleichen Begriff verwendet, bestärkt mich, dass unser Papier tatsächlich einen breiten Konsens erreicht hat, und nicht, dass wir die Ideologie seines Großvaters teilen.

Islamfeindlichkeit – Islamophobie:

Hier versucht Schmidinger den Muslimen zu unterstellen, den Begriff erfunden zu haben, um den Antisemitismus zu verwässern. Das ist schlichtweg falsch. Ariel Muzicant verglich die Rhetorik und den islamfeindlichen Wahlkampf der FPÖ mit dem der 20er und 30er Jahre.

"Die sagen es jetzt gegen die Moslems, verunglimpfen eine Religionsgemeinschaft und deren Vertreter, beschimpfen Moslems,…Es sind nur dieses Mal nicht die Juden sondern die Moslems. Aber die Diktion, die Sprache, die Vergleiche, die Unwahrheiten, die Hetze waren genau das selbe"[7] meint der IKG-Präsident.

Die Imame Konferenz beschäftigte sich damit und stellte fest: „Wir unterscheiden heute zwischen einem biologischem und einem kulturellem Rassismus. Wobei die Trennlinie zwischen diesen beiden Erscheinungsformen nicht immer klar gezogen werden kann. Zumeist geht das Eine in das Andere über. Der kulturelle Rassismus wird oft auch als Neorassismus bezeichnet und ist im Unterschied zum großteils diskreditierten biologischem Rassismus in weiten Teilen unserer Gesellschaften verankert. Wobei das Phänomen gar nicht so neu ist, wie der Name Neorassismus es einem glauben machen könnte. Ein kultureller Rassismus par excellence ist der Antisemitismus. Und wie wir wissen, ist dieses Phänomen weitaus älter als unsere Begrifflichkeiten dazu.

Auch die Islamfeindlichkeit begleitete stets die europäische Geschichte und diente Europa immer wieder dazu, sich selbst zu definieren. Im europäischen Mittelalter war „der Muslim“ der Orientale im Äußeren und „der Jude“ der Orientale im Inneren. Beide galt es gleichermassen zu bekämpfen. Wir alle sind uns bewusst, zu welchen Exzessen der Antisemitismus historisch in Europa geführt hat. Desto stärker erfüllt uns die dramatische Renaissance des Feindbildes des Islams mit Besorgnis. Keine muslimische Gemeinde in Europa ist von dieser starken rassistischen Tendenz in den letzten Jahren verschont geblieben.

Der Begriff der Islamfeindlichkeit findet erst zögerlich Eingang in den akademischen und auch medialen Diskurs. Und das, obwohl Muslimas und Muslime in Europa permanent pauschal diffamiert werden, im sozialen Leben diskriminiert werden und aufgrund ihres Glaubens und ihrer Glaubenspraxis zeitweise selbst schon gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt sind.

Die Imame-Konferenz beobachtet mit Sorge, dass für manche politische Denkrichtung das Feindbild Islam sogar zu einem tragenden Element ihrer Ideologie geworden ist.

Islamfeindlichkeit kann auch ein institutioneller Rassismus sein, wenn wir uns die verschiedenen Sondergesetze für Muslime in Europa vergegenwärtigen.“

Inhalt statt Hörensagen und Verdächtigungen.

Schmidinger zieht am Ende Bilanz und nennt alle Mitglieder der „Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen“ (IMÖ) namentlich, um wieder zu versuchen, eine direkte oder indirekte Nähe zu den Muslim Brüdern herzustellen.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Arbeit und den Ergebnissen der IMÖ wäre von Interesse. Durch Besuch der Homepage www.islaminitiative.at kann sich jeder selbst von der Haltung dieser Gruppierung überzeugen. Die Organisation der Europäischen Imame-Konferenzen, bei der klar das Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechten und Pluralismus im Zentrum steht, Wege der Integration besprochen werden und eine Absage an Terror und Gewalt erfolgt, ist doch etwas, worauf man wirklich stolz sein kann. Auch das Engagement gegen die Genitalverstümmelung bei Frauen, Rassismus, Antisemitismus und die Arbeit im NGO-Bereich und der interreligiöse Dialog mit den Kirchen und der jüdischen Gemeinde sowie der Kontakt zu feministischen Gruppen im Sinne der Vernetzung von Arbeit für Frauenrechte und das Verfassen von Artikeln und Kommentaren ist nur einer der Betätigungsfelder. Und schließlich ist die politische Arbeit mit und innerhalb der österreichischen Parteienlandschaft, inklusive Wahlkampf, ein demokratisches Recht, das hoffentlich auch Muslimen in Österreich zusteht. Oder ist all dies, wie das Realisieren von Kommunalprojekten z. B. den ersten islamischen Friedhof in Wien, ein islamistisches Komplott? Diese inhaltliche Auseinandersetzung bleibt Schmidinger leider schuldig. Auch die MJÖ mit ihren 8000 Mitgliedern nur mit den Worten zu erwähnen, dass man sie nicht mit der wesentlich fanatischeren Islamische Jugend Österreich (IJÖ) verwechseln möge, suggeriert, dass die MJÖ auch fanatisch sei. Ohne für ihre sehr erfolgreiche Arbeit im Jugendbereich nur ein Wort zu verlieren. Das die IJÖ nur eine 5 Personen starke Organisation ist, soll nebenbei nicht unerwähnt bleiben.

In Wahrheit befindet sich Schmidinger über kurz oder lang in einem Dilemma. Er bekämpft den politischen Islam und unterhält gleichzeitig gute Beziehungen zu den islamistischen Schiiten-Parteien des Irak was ihn prompt den Titel „Mufti of Marxism“[8] einbrachte. Dass sie den Einmarsch der USA im Irak begrüßten, macht sie für ihn salonfähig und demokratisch. Die Verbündeten dieser Parteien im Iran und Libanon bringen ihn jedoch in eine Zwickmühle. Ahmadi Nejad gibt an, Israel vernichten zu wollen, und die Hisbollah hat israelische Städte mit Katjuscha Raketen beschossen. Sollten die Gerüchte von einer Kooperation der USA und Saudi Arabien stimmen, sunnitische Terrorgruppen in den Iran zu senden, um das Regime dort zu destabilisieren, wird die Sache für ihn nicht einfacher. Der Supergau tritt spätestens dann für ihn ein, wenn die von ihm bekämpften „Muslim Brüder“, die sich mit dem ehemaligen syrischen Außenminister Khadam verbündet haben und vielleicht eines Tages wie die Schiiten des Iraks für eine Intervention der USA gegen Syrien plädieren. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken, und es ist nicht wirklich mein Problem, wie er sich nachher positioniert. Doch die Beobachtung, wie Schmidinger und die Antideutschen dann den Spagat schaffen, um eine Linie zu finden, wird für alle Beobachter sehr spannend werden.

(Mit freundlicher Genehmigung des Autors; Erstveröffentlichung in: DER STANDARD)

[1] Die Presse „Der Kuschel-Imam und die öffentliche Sicherheit“ 09.01.2007

[2] "Falter" Nr. 19/04 vom 05.05.2004 Seite: 14

[3] Die Presse. Was heißt: Antideutsch? 18.02.2007 von Stephan Grigat

[4] The New York Times- Tariq Ramadan Has an Identity Issue 4.02.2007

[5] Die Zeit : Der Doppelagent Jörg Lau 02.09.2004

[6] Falter 12/04 Schön wie die Scharia von Robert Misik

[7] Die Presse: Muzicant wirft FPÖ Methoden der Nazis vor 21.10.2005

[8] Georg Weerth-Gesellschaft Köln: Der Mufti of Marxism (Bahamas 47/2005)






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