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Donnerstag, 25.01.2007 | Drucken |
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Ulm: „Islamistischer“ Hassprediger und Imam als Spitzel des Verfassungsschutz enttarnt –Bericht von Rüdiger Bäßler
Auftritte des Geheimdienstmann führten im Wesentlichen zur Schließung einer Moschee – Erinnerung an NPD-Verbotsverfahren
Über Dr. Yehia Yousif haben die Behörden und Ministerien in Baden-Württemberg und Bayern ein eindeutiges Urteil parat. Der Ägypter, der im Oktober 2000 nach Neu-Ulm übersiedelt war und im dortigen Multi-Kultur-Haus unter dem Namen Sheikh Abu Omar predigte, sei ein extremistischer Islamist von größter Gefährlichkeit, einer der großen geistigen Brandstifter der fundamentalistischen Szene in Süddeutschland, heißt es stets. Als das bayerische Innenministerium die Moschee 2005 schloss und den Verein Multi-Kultur-Haus Ulm e.V. verbot, wurde das vor allem mit den Hetzpredigten Yousifs begründet. Bei einer Durchsuchung der Vereinsräume waren zudem noch demokratiefeindliche Buchtitel gefunden worden.
Yousif war aber nicht nur Zielscheibe deutscher Fahnder und Geheimdienstmitarbeiter, er war auch regelmäßiger Kunde des Verfassungsschutzamts Baden-Württemberg. Das bestätigte sich vergangene Woche nun auch offiziell vor dem bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München. Dort klagte der Rest des alten Vereinsvorstands in letzter Instanz gegen ihr Versammlungsverbot und verlor gestern vor Gericht.Der Neu-Ulmer Anwalt Christoph Käss, der die Muslime vertritt, sprach Yousifs Tätigkeit für den Geheimdienst in Stuttgart vor Gericht an. "Die Gegenseite hat es eingeräumt", berichtete Käss hinterher. Das beklagte Land Bayern habe zugleich erklärt, Yousif sei 2002 "abgeschaltet" worden, "wegen Unzuverlässigkeit", sagte Käss.
Er sieht Parallelen zu gescheiterten NPD-Verbotsprozessen: "Man hat ja gar nichts dagegen, dass da ein Spitzel tätig war. Aber dass dieser Spitzel ausschlaggebend für das Vereinsverbot ist, das ist mehr als erstaunlich", erklärte der Anwalt. (Lesen Sie dazu auch weitere Kommentare und ausführliches Material dazu in den unteren links).
Auf Anfrage gestand gestern auch das baden-württembergische Verfassungsschutzamt die misslungene Zusammenarbeit ein. "Wir können die Abschaltung bestätigen", sagte eine Sprecherin. Man gehe davon aus, dass sich Yousif "außer Landes befindet".
Yousif hat das falsche Spiel mit den deutschen Behörden genüsslich gespielt. Schon im Januar vergangenen Jahres erklärte einer der Kläger, die jetzt in München vor Gericht gezogen sind, gegenüber der Stuttgarter Zeitung, Yousif habe sich innerhalb der Moschee stets über die deutschen Annäherungsversuche lustig gemacht. Sich als unerschrockener Gläubiger zu geben, der Drohungen und Verlockungen der deutschen Staatsgewalt widersteht, dürfte seine Anziehungskraft innerhalb der Szene um das Multi-Kultur-Haus noch gesteigert haben.
2002, als die Lage in Neu-Ulm immer ungemütlicher wurde, tauchte Yousif ab, bevor weitere Ermittlungen gegen ihn beginnen konnten. Als er schon geflohen war, verfügte das Amtsgericht Neu-Ulm die Abschiebung des Ägypters. Omar, Yousifs ältester Sohn, war nicht so schnell, wohl auch nicht so vorsichtig. In seiner Wohnung entdeckte die Polizei bei einer Durchsuchung eine Anleitung zum Bombenbau und fand heraus, dass er sich im Alter von 18 Jahren in einem Ausbildungslager in Pakistan aufgehalten hatte. Omar Yousif wurde kurze Zeit später nach Ägypten ausgewiesen.
Die Beziehung zum Vater Yehia hatten die Stuttgarter Verfassungsschützer schon in Freiburg aufgenommen. Dorthin hatte sich der in Ägypten ausgebildete Mediziner 1988 beworben, er erhielt eine Doktorandenstelle an der Universität Freiburg und erwarb sich bald Meriten im Bereich Immunbiologie. Er promovierte summa cum laude und erhielt 1994 aus der Hand des Freiburger Unirektors zusammen mit Fachkollegen den Goedeckeforschungspreis, einen der am höchsten dotierten wissenschaftlichen Einzelpreise Europas. Die Universität führt Yehia in ihrem Internetarchiv bis heute als wissenschaftlichen Autor.
Wann Yousif zum ersten Mal Kontakt mit dem Verfassungsschutz hatte, was ihn verdächtig oder interessant machte, darüber will die Behörde nichts sagen.
(Der Autor ist Redakteur der Stuttgarter Zeitung. Erstveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors in: Stuttgarter Zeitung: 23.01.07)
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