Nürnberg (KNA/Eigene) Die Zahl der Musliminnen und Muslime in Deutschland ist in den vergangenen Jahren auf 5,3 bis 5,6 Millionen gestiegen. Ihre gesellschaftliche Einbettung wird weniger von der Religion, sondern stärker von anderen Faktoren wie der Aufenthaltsdauer beeinflusst - das sind zentrale Ergebnisse der neuen Studie "Muslimisches Leben in Deutschland 2020", die das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im Auftrag der Deutschen Islamkonferenz (DIK) erstellt hat.
Wie die am Mittwoch in Nürnberg präsentierte Studie feststellt, liegt der muslimische Anteil an der Gesamtbevölkerung damit zwischen 6,4 und 6,7 Prozent. Im Vergleich zur bis dahin jüngsten Hochrechnung aus dem Jahr 2015 stieg die Zahl der muslimischen Religionsangehörigen um rund 900.000 Personen.
Muslimische Religionsangehörige mit einem Migrationshintergrund aus der Türkei bilden mit 2,5 Millionen Menschen weiterhin die größte Herkunftsgruppe, stellen mit einem Anteil von 45 Prozent aber nicht mehr die absolute Mehrheit. Fast 1,5 Millionen Menschen (27 Prozent) kommen aus einem arabischsprachigen Land im Nahen Osten (19 Prozent) oder Nordafrika (8 Prozent).Ein Fünftel (21 Prozent) der Muslime sind Kinder oder Jugendliche im Alter von unter 15 Jahren. 22 Prozent sind zwischen 15 und 24 Jahre alt, 5 Prozent älter als 64 Jahre. Bei der Gesamtbevölkerung ist der Anteil der über 64-Jährigen mit 21 Prozent mehr als viermal so hoch. Fast die Hälfte der Musliminnen und Muslime in Deutschland sind deutsche Staatsangehörige (47 Prozent).
Menschen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern sind laut Studienergebnissen deutlich religiöser als Personen ohne Migrationshintergrund: 82 Prozent - sowohl der muslimischen Religionsangehörigen als auch derjenigen mit einer anderen Religion - geben an, stark oder eher gläubig zu sein. Die religiöse Alltagspraxis sieht dabei durchaus unterschiedlich aus: So halten sich etwa 70 Prozent von ihnen an besondere Getränke- und Speisevorschriften. Dagegen beten nur 39 Prozent täglich. Deutlich über zwei Drittel (70 Prozent) der muslimischen Mädchen und Frauen tragen kein Kopftuch.Eine zentrale Rolle für die Integration spielt die Sprache. Der überwiegende Teil der Muslime attestiert sich selbst gute oder sehr gute Deutschkenntnisse (79 Prozent).
Überraschend: Mehr als ein Drittel der Muslime (38 Prozent) fühlen sich der Studie zufolge durch mindestens einen islamischen Verband in Deutschland ganz oder teilweise vertreten. Vor allem unter „Muslimen, die aus der Türkei stammen, ist der Vertretungsgrad hoch: 40 Prozent sehen ihre Interessen durch mindestens einen Verband vollständig und weitere 18 Prozent zumindest teilweise gewahrt“, heißt es in der Studie.Die Zahlen überraschen, weil insbesondere die Politik in der Vergangenheit oft mit Verweis auf die mangelnde Repräsentanz der islamischen Verbände Kooperationen und Zusammenarbeit ablehnt hat. Die Studie bildet laut Staatssekretär Markus Kerber „eine aktuelle Grundlage für die Integrations- und Religionspolitik der Bundesregierung und somit auch für die künftige Arbeit der Deutschen Islam Konferenz.“
Auch unterschiedliche Aspekte der sozialen Integration werden durch die Studie beleuchtet. Bamf-Präsident Hans-Eckhard Sommer hob hervor, viele Musliminnen und Muslime fühlten sich mit Deutschland stark verbunden. "Der Großteil der Musliminnen und Muslime, der eine Vereinsmitgliedschaft besitzt, hat diese in einem deutschen Verein. Auch die Häufigkeit der Alltagskontakte zu Personen deutscher Herkunft ist hoch. Zwei von drei Personen haben häufig Kontakt zu Personen deutscher Herkunft im Freundeskreis."