Newsnational Montag, 18.04.2005 |  Drucken

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Offensive gegen Islamophobie

Dialogforen gegen Isolation von Muslimen. Immernoch Jahrhunderte alte Vorurteile und falsche Behördenpolitik laut Rita Süssmuth. Behörden unterbinden bisweilen Programme mit möglichen Gesprächspartnern.

Eher unbemerkt von der Öffentlichkeit bemühen sich Organisationen in Deutschland um einen Dialog von Muslimen und Nichtmuslimen.
83 Prozent der Deutschen bringen den Islam mit Terror in Verbindung. 82 Prozent halten Muslime für fanatisch und radikal, 70 Prozent für gefährlich. Das ist das Ergebnis einer Allensbach-Erhebung im letzten Jahr. Diese Informations-Missbildung hat eine schreckliche Folge: dass sie eine Isolation und Radikalisierung der Muslime in Deutschland – immerhin drei Millionen Menschen – erst besorgt, die sie eigentlich beklagt.
Der Vorsitzende des Interkulturellen Rates in Deutschland, Jürgen Miksch, spricht von »Islamophobie«. Er ist einer der Initiatoren eines Dialogs, der dieser Entwicklung entgegensteuern will. Neben dem Islamforum auf Bundesebene haben die Bemühungen mittlerweile weitere Foren in verschiedenen Bundesländern hervorgebracht. Miksch und Yasar Bilgin als Vorsitzender des Rates der Türkeistämmigen Staatsbürger in Deutschland stellten am Mittwoch in Berlin die Ergebnisse der nunmehr dreijährigen Arbeit in Form einer Broschüre vor, für die Rita Süssmuth, die Vorsitzende der einstigen parteiübergreifenden Zuwanderungskommission, das Vorwort geschrieben hat.
Gemeinsam forderten die drei Politiker zu einer Dialogoffensive auf. Sie können auf einige Vorleistungen verweisen. Vertretungen aller relevanten muslimischen Verbände diskutieren in den Islamforen, die anderswo unter anderen Namen laufen – wie dem Ostdeutschen »Forum für Muslime«, das in Leipzig tagt. Regelmäßig erörtern die Teilnehmer kritische Fragen des Zusammenlebens, und sie tun es gemeinsam mit Vertretern der Bundesregierung wie des Verfassungsschutzes, im Dialog mit Kirchen, Wissenschaft und zuweilen auch Medien, zu denen man ein ambivalentes Verhältnis pflegt.
Nicht nur den Dialog mit Muslimen hat man sich zur Aufgabe gemacht, sondern auch den zwischen Muslimen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn rund 80 Prozent von ihnen leben ohne starke Bindungen an islamische Traditionen, so Miksch. Es gibt wenig Kontakte, dafür aber Vorbehalte der Mehrheit der säkular eingestellten Muslime oder der Aleviten gegenüber religiös geprägten Muslimen – und umgekehrt. Miksch: »In der deutschen Bevölkerung werden die Differenzierungen kaum wahrgenommen.«
Zudem könnten nur 0,1 Prozent der hier lebenden Muslime als gewaltbereit bezeichnet werden. Doch die Angst vor ihnen präge das Bild auch aller anderen Muslime. Von Jahrhunderte alten Vorurteilen spricht Rita Süssmuth. Hinzu kommen eine Behördenpolitik, die in Muslimen vorrangig ein Sicherheitsrisiko sieht, und undifferenzierte Medienberichte. Doch auch direktem Widerspruch der Bundesregierung sehen sich die Foren zuweilen ausgesetzt. Ein »Dialog mit Menschen und Organisationen, die es an einem klaren Bekenntnis zum Grundgesetz mangeln lassen«, könne zur »Verbreitung grundgesetzwidriger Ideen missbraucht« und daher nicht gefördert werden, lautete die Antwort aus dem Bundesfamilienministerium auf die Bitte um Förderung aus einem Programm, das zur »Stärkung von Demokratie und Toleranz und zur Prävention und Bekämpfung von Rechtsextremismus« geschaffen wurde.
Dabei zählt das Bekenntnis zum Grundgesetz zum »unveräußerlichen Wertekanon« der Foren. Man schließe jedoch nicht Organisationen wie Milli Görüs vom Dialog aus, die über einen großen Rückhalt unter türkischstämmigen Migranten verfügt, aber vom Verfassungsschutz als vorgebliche Heimstatt von Islamisten beobachtet wird.
Schon Ende des vergangenen Jahres hatte Miksch geklagt, »dass diese Politik der Bundesregierung dazu beiträgt, dass Dialoge immer schwerer gemacht werden. Wie sollen Muslime für unsere Gesellschaft gewonnen werden, wenn nicht miteinander geredet wird?« Dabei sind inzwischen deutliche Erfolge zu sehen, wie das Interesse an Fortbildungsangeboten der Foren unter Imamen und islamischen Gemeindevorstehern zeigt.
Man kann dem Forum nicht vorwerfen, streitsüchtig zu sein. In einer Mitteilung schon 2002 hieß es: »Es ist sinnvoll, dass dort (beim Verfassungsschutz – U.K.) etwa 400 Stellen bestehen, durch die eine qualifizierte Beobachtung extremistischer Gruppierungen erfolgt. Es ist jedoch zu kritisieren, dass es praktisch keine einzige staatliche Stelle gibt, die für Dialoge und die Integration von Muslimen tätig ist«. (Quelle: Uwe Kalbe, Neues Deutschland)





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