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Erster Tatverdächtige der Brandanschläge auf Berliner Moscheen gefasst – Kein Grund jedoch zur Entwarnung
Zentralrat fordert mehr Schutz für Moschee und ruft zusammen mit den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung zur verbalen Abrüstung gegen Muslime auf – ZMD besucht Antidiskriminierungsstelle des Bundes - Kritik: Islamfeindliche Straftaten werden immer noch nicht gesondert erfasst
Berlin - Nach der Anschlagsserie auf Berliner Moscheen hat die Polizei am Freitag einen Tatverdächtigen festgenommen. Es handelt sich um einen 30-jährigen Deutschen, der vor einem U-Bahnhof in der Hauptstadt gefasst worden sei, teilte die Polizei mit. Es gebe einen "dringenden Tatverdacht der schweren Brandstiftung an Berliner Moscheen". Aus gut unterrichten Kreisen hat der Tatverdächtige jedoch die Taten geleugnet. Auch ist bisher laut Polizei unklar, ob der Tatverdächtige an allen Anschlägen beteiligt sein soll.
Es gibt also kein Anlass zu Entwarnung. In den vergangenen Monaten waren der Polizei in Berlin insgesamt sieben Anschläge auf islamische Gotteshäuser gemeldet worden. Die Taten sorgten für mäßige Empörung in der Stadt. Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, verurteilten die Brandanschläge. Später dann meldeten sich auch die Fraktionsvorsitzende Renate Künast, der Regierende Bürgermeister Wowereit dazu.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, forderte in diesem Zusammenhang mehrfach mehr Schutz für Moscheen. Er besuchte vor einigen Tagen zusammen mit dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung Markus Löhning die Moschee am Columbiadamm in Berlin, die alleine dreimal Ausgangspunkt von Anschlägen in den letzten Monaten war. Gemeinsam erklärtrn sie: „Die sieben Anschläge auf Moscheen in Berlin in den letzten Wochen empören uns. Wer Gewalt in dieser Form ausübt, stellt sich gegen alle Menschen in Deutschland und die gemeinsamen Werte, die unserem Zusammenleben zugrunde liegen. Angesichts einiger sehr harscher öffentlicher Äusserungen gegenüber Muslimen rufen wir ausdrücklich dazu auf, verbal abzurüsten.Auch kontroverse Diskussionen müssen mit Respekt und menschlichem Maß geführt werden. Niemand darf sich zu Gewalt aufgerufen oder legitimiert fühlen."
Unterdessen besuchte Aiman Mazyek Frau Christine Lüders, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Beide diskutierten über Fragen des Zusammenlebens verschiedener Religionen und den Alltag von Muslimen in Deutschland. Bei seinem Besuch in der Antidiskriminierungsstelle berichtete Mazyek von Diskriminierungserfahrungen, die Mitglieder von Moscheevereinen erleben. Begleitet wurde er von Lydia Nofal, Geschäftsführerin des Berliner Vereins "inssan", der in Kooperation mit dem Berliner Senat und anderen Antidiskriminierungsarbeit in Moscheen betreibt (siehe auch Bild).
Erst kürzlich wurde eine Moschee in der Nähe Köln mit rechtsextremistischen Parolen beschmiert. Neben den Schmierereien klebten zwei Aufkleber, die auf rechtsradikale Internetseiten verweisen. Der Trägerverein der Moschee erstattete Anzeige und der Bürgermeister verurteilte die Tat.
Islamfeindliche Straftaten werden durch Sicherheitsbehörden nicht gesondert statistisch erfasst
Unterdessen geht aus einer Antwort der Bundesregierung (17/4335) auf eine Kleine Anfrage (17/4128) der Linksfraktion über „Muslimfeindliche Straftaten in Deutschland“ hervor, dass Islamfeindliche Straftaten durch Sicherheitsbehörden nicht gesondert statistisch erfasst werden. „Muslimfeindliche Straftaten“ werden nach den Ausführungen der Bundesregierung als politisch motivierte Straftaten erfasst lediglich und dem Oberbegriff „Hasskriminalität“ zugeordnet. Je nach den Umständen des konkreten Einzelfalles und der Einstellung des Täters oder Tatverdächtigen würden sie gegebenenfalls auch noch bei den Unterthemen „fremdenfeindlich“ und/oder „Religion“ gezählt. Über die Notwendigkeit einer künftig vorzunehmenden gesonderten Erfassung angesichts aktueller Entwicklungen äußerte sich die Bundesregierung nicht. Es heißt dazu ganz lapidar: „Die Erfassungskriterien für politisch motivierte Kriminalität werden fortlaufend auf die Erforderlichkeit etwaiger Anpassungen geprüft.“
Die Linksfraktion weist in der Vorbemerkung ihrer Anfrage auf Umfragen hin, denen zufolge islamfeindliche Stimmungen in der Bevölkerung zugenommen haben, die das Risiko islamfeindlicher Straftaten verstärken. „Die Meldungen über eine Zunahme von Hass-E-Mails, Bedrohungen, Beschimpfungen und gewalttätigen Übergriffen lassen eine gesonderte Ausweisung muslimfeindlicher Straftaten als geboten erscheinen“, fordern die Abgeordneten der Linkspartei.
Erst kürzlich forderte der Zentralrat, dass die Deutsche Islamkonferenz das Thema Islamfeindlichkeit einen breiteren Raum einräumen und endlich als gesamtgesellschaftliches Problem begreifen müsste. Damals zeigte sich das Innenministerium nicht interessiert, was dazu führte, dass der ZMD seine Teilnahme u.a. deswegen an der DIK zurücknahm.
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