Artikel Dienstag, 12.01.2010 |  Drucken

Vom Minarett in Mekka wie damals als Kind auf dem Leuchtturm von Belum - Buchbesprechung über Peter Schütts neustes Werk

Der Autor Peter Schütt kam 1939 in Basbeck/Niederelbe zur Welt. Nach dem Abitur studiert der Sohn eines Dorfschullehrers Deutsch und Geschichte. Danach ist Dr. Peter Schütt an der Universität Hamburg als Assistent tätig. Anfangs scheint es so, als warte eine akademische Karriere auf ihn. Als Student tritt der evangelische Christ zum Katholizismus über. Getauft wird er von einem aus Polen stammenden Priester, der das KZ überlebt hat. Mit ihm hat Schütt zahlreiche Gespräche geführt.
1968 ist Dr. Schütt Mitbegründer der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP. Kommunisten dürfen natürlich nicht im Staatsdienst verweilen und Schütt muss der Universität „Adieu“ sagen.

Ab 1971 gehört er dem Parteivorstand an. Von 1973- 1981 ist er Bundessekretär des „Demokratischen Kulturbundes“, einer DKP- nahen Einrichtung. 1988 ist er glühender Anhänger des Reformkurses von Gorbatschow und verliert daraufhin alle Parteiämter. Es erfolgt auch der Ausschluss aus der Partei,die nach eigenem Verständnis „immer Recht hat.“
Drei Jahre später wird der Autor Muslim, 1996 macht er sich zur Pilgerfahrt auf. In der Hamburger „Patriotischen Gesellschaft von 1765“ ist er der Leiter des „Interreligiösen Dialoges.“

Von ihm stammen u.a die Werke „Notlandung in Turkmenistan“ (1996 erschienen) sowie „Allahs Sonne lacht über der Alster“ (2001).Peter Schütt ist mit einer gebürtigen Iranerin verheiratet und Vater zweier Kindern.

Sein neustes Werk „Von Basbeck am Moor über Moskau nach Mekka“ bezeichnet er als „Stationen einer Lebensreise.“
Daher ist sein Buch auch nicht in Kapiteln unterteilt, sondern in Stationen. Manchmal ist das sehr wörtlich zu nehmen. So berichtet der „Kleine Peter Schütt“ (im Norddeutschen heißt klein lütt), wie er jeden Werktag mit der Bimmelbahn von seinem geliebten Basbeck nach Stade zum Gymnasium fuhr. Der Bahnhofsvorsteher fragte jeden Morgen den Schalterbeamten, ob „lütt Schütt oll dor“ ist. Erst, wenn vom Fahrkartenschalterbeamten die Frage bejaht wurde „lütt Schütt is oll dor“ durfte sich der Zug in Bewegung setzen. Am Stader Gymnasium war auch ein Schüler namens Stefan Aust, später als Chefredakteur beim „Spiegel“ tätig, der die von Schütt gegründete Schülerzeitung übernahm.
Man merkt gleich vom Buchumschlag an, wie sehr Schütt seine Heimat an der Niederelbe liebt. Man sieht es sogar. Der Buchumschlag zeigt neben dem Kreml das Allerheiligste der Muslime, die Kaaba. Darüber dehnen sich die Stahlträger der Schwebefähre von Basbeck aus. Jener Schwebefähre, die zwei an der Elbe gelegene Dörfer miteinander verbindet und von Peter sehr oft benutzt worden ist. Als Sohn eines Staatsbeamten hatte er das Privileg, dieses Verkehrsmittel kostenfrei nutzen zu dürfen. Schon als Knabe spürt Peter, wie gut es der liebe Gott mit ihm meint. Ein Schlachter rettet ihm „ohne Betäubung mit seinem Messer“ in einer Notoperation das Leben. (S.22) „Aber schwerer wiegt eine andere Erfahrung, die mir bei meinem ersten Überlebnis unter die Seelenhaut gefahren ist: die elementare Erkenntnis meiner Gottesbedürftigkeit.“ Neben der Liebe, ja Freundschaft zu Gott und der Liebe zur Heimat ist der junge Peter ein Naturfreund, „Die Geburten von Ferkel, der Kälber und Fohlen waren in meinen kindlichen Augen Mysterien und bestärkten mich in meiner Ehrfurcht vor der göttlichen Schöpfung.“ (S. 30)

Ein schwer kriegsbeschädigter Kriegsheimkehrer, dem ein Bein fehlt, sensibilisiert ihn für die Natur, das Werk Gottes. Der ehemalige Wehrmachtsoldat macht Peter klar: „Dass es dem Baum verdammt wehtut, wenn Du ihm einen Ast absägst.“ (S.34)

Seine erste Begegnung mit leibhaftigen „Muselmanen“ hat Peter in der Nachkriegszeit. Britische Soldaten sind in seinem Geburtsort Basbeck einquartiert. Er sieht die indisch stämmigen Soldaten zu Allah beten. Peter will „das Turnen“ der Leute „aus dem Morgenland“ nachahmen. „Ohne den tiefen Sinn zu begreifen, war ich fasziniert von diesen rhythmischen Auf und Ab Bewegungen. Heimlich habe ich versucht, es den fremden Männern gleichzutun.“ (S.40)
Mit viel trockenem, niederdeutschen Humor arbeitet der Autor an vielen Stellen seines Werkes. Zu dem Verhältnis Protestanten- Katholiken zur damaligen Zeit teilt er mit: „ Die Gegensätze zwischen Katholiken und Protestanten waren damals in Deutschland tiefer als heute die Gräben zwischen Christen und Muslimen.“ Er fährt fort: „ Die Katholiken waren für die Einheimischen die Fremden und Flüchtlinge.“ Mit deftigem, schon schwarzen Humor erfahren wir, ein gewisser Otto Schily lebte einst mit ihm in einem Haus für Studenten. Als Jahrzehnte später der Herr Bundesinnenminister Schily eine Laudatio auf die Studentenherberge hält und dem anwesenden Autor mit großem Bedauern mitteilt, er erkenne diesen nicht wieder, kam von Schütt die Antwort: „Ich erkenne Sie auch nicht wieder, Genosse Minister.“ (S.93)
Bewegend zu erfahren, welchen tiefen Eindruck eine Reise in die Stadt Maschad im Iran für ihn hinterlassen hat. „In Maschad sah ich staunend, dass die Fliesen am Eingang zum Schrein des Imam Reza von Tränen nass waren.“ (S.293). Laufend wischen Bedienstete die Tränen der tief ergriffenen Pilger weg.

Seiner Seele freien Lauf und sein tiefstes Inneres preis gibt der Schriftsteller an den Stellen, wo sich ehemalige Linke Achtundsechziger zum Islam bekennen. „Das leuchtende Vorbild auf dem rot- grünen Erkenntnisweg ist ohne Frage Bruder Bodo Rasch.“ Er spricht auch seinen Kollegen Hadayatullah Hübsch an, den er als „Linksmuslim“ freundschaftlich- brüderlich so bezeichnet. Hadayatullah Hübsch „hat schon 1969 auf dem Umweg durch die Drogenszene zur Religion des Propheten gefunden.“ (S.316)
Hier gesteht ein Intellektueller, ein anerkannter Schriftsteller sich und seinen Mitmenschen ein, sein langes Verweilen bei den Kommunisten hat weder ihm noch der Menschheit Fortschritte gebracht. Nicht nur, wie Schütt dieses formuliert ist allein schon lesenswert, es gehört ja auch viel Kraft dazu, sich von einer solchen Lebenslüge, die man lange mit sich trug, öffentlich los zusagen. Schütt kennt gegenüber sich selbst kein Pardon und gesteht seine Fehler ein. Einen Fehler machte der Schriftsteller allerdings nie. Er vergaß nie die Unterdrückten dieser Erde. Ohne Scheu erinnert er- auch so manchen damaligen Staatschef -daran, als ein noch vom Goldenen Westen als ehrbarer Staatsmann angesehener Massenmörder wie Saddam Hussein tausende seiner kurdischen Landsleute mit Giftgas ermordete und der demokratische Westen schwieg, stand Peter Schütt mit Mahnwachen den Kurden zur Seite.

Wenn man schon nichts für die Opfer tun kann, wenigstens seine Stimme erheben und auf den Mord aufmerksam machen, lautete das Motto von Schütt. So ist er bis heute ein aktueller Mahner geblieben, der sich nicht scheut, allen mitzuteilen, sein Zug des Lebens habe viel mehr Bahnhöfe gesehen als es bei anderen Menschen der Fall gewesen ist. Er steht dazu, seine Stationen hießen einst Protestant, Katholik, DKP- Vorstandsmitglied.

Er hat auch keine Hemmungen, allen mitzuteilen, die Geburt eines Tieres zeigt die Macht Gottes. Wer denkt denn heute überhaupt noch daran, wenn man sich im Supermarkt ein Hähnchen kauft?
Schütt tut auch kund, als er in der Heiligen Stadt Mekka auf einem Minarett sich befindet und von oben auf die Pilger schaut, kommt er sich vor wie damals als Kind auf dem Leuchtturm von Belum.

Man liest dieses Werk mit einer großen Faszination. Man ist auch beeindruckt darüber, wie offen der Autor sein bisheriges Leben preis gibt und er zur Gottesliebe und zur Liebe an Heimat und Natur steht.

Sein Stehen auf einem Minarett kann auch so vom Leser betrachtet werden: Schütt steht zwar über den Dingen, aber er ist niemals abgehoben. Er bleibt bodenständig. Das macht ihn so sympathisch. Er als Intellektueller, als Künstler steht über den Dingen und ist seiner Zeit voraus. Allerdings bleibt der Autor auf dem Teppich und schreibt nicht wie ein Oberlehrer, was der einzelne Mensch tun und/oder lassen soll. Jeder muss seine eigenen Lebensstationen bestimmen. Schütt ist auch so liberal, er gewährt jedem das Recht, die eigenen Lebensstationen zu er(fahren.)Von Volker-Taher Neef.

Das Buch „Von Basbeck am Moor über Moskau nach Mekka“ ist im Asendorfer Mut- Verlag erschienen und umfasst 424 Seiten. Im Buchhandel kostet das Werk von Peter Schütt 26,50 Euro.




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