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Sonntag, 24.08.2008 | Drucken |
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Heftiger Glaubenskrieg in Bayern entbrannt– Sind Staat und Kirche eigentlich getrennt?
Soll der Islam auch nach dem geltenden Staatskirchenrecht organisiert werden? Die Grünen meinen ja
In Bayern hat ein Vorstoß des es bayerischen Grünen-Fraktionschefs Sepp Dürr, Bischöfe nicht mehr aus Steuergeldern zu bezahlen, wütende Reaktionen seitens der regierenden CSU hervorgerufen. Ministerpräsident Günther Beckstein warf den Grünen im laufenden Landtagswahlkampf einen "frontalen Angriff auf die christliche Leitkultur und die gläubigen Christen" vor.
"Das hat nichts mit Religionsfeindlichkeit zu tun", rechtfertigt sich Dürr in der tz. Vielmehr sehe er es als Problem, dass es in Bayern immer mehr Steuerzahler gebe, die aus der Kirche ausgetreten seien, aber gleichzeitig für die Würdenträger weiter zahlen müssten. Auf den Prüfstand gehörten außerdem die katholischen Lehrstühle an den Universitäten. "Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche muss neu definiert werden", forderte Dürr deshalb mit Blick auf den seit 1924 rechtskräftigen Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Bayern und dem Vatikan (Konkordat).
Nach diesem Vertrag ergeben sind nach Angaben des Kultusministeriums in München konkrete Leistungen des Staates, Sie betragen rund 60 Millionen Euro an die katholische Kirche. Für Personal- und Sachkostenzuschüsse im Bereich "Erzbischöfe, Bischöfe und Domkirchen" fallen davon rund zehn Millionen Euro an, der Zuschuss für Besoldung der Seelsorgegeistlichen liege bei rund 37,5 Millionen Euro. Spitzenverdiener sei mit gut 10.000 Euro monatlich der Münchner Erzbischof Reinhard Marx, schrieb die Zeitung "tz".
Die Grünen in Bayern hatten vor mehreren Wochen eine Welle der Kritik mit ihrem Parteitagsbeschluss zur Abschaffung aller religiösen Symbole - Kruzifixe wie muslimische Kopftücher - aus den Klassenzimmern ausgelöst.
Das Verwaltungsgericht Augsburg wies erst vor einigen Tagen die Klage eines Lehrers ab, der aufgrund „seelischer Belastung“ gegen ein Kreuz in seinem Kassenzimmer geklagt hat. Das Kreuz, so die Richter u.a. in ihrem Urteil, sei zudem ein Ausdruck für die geschichtlich-kulturelle Prägung Bayerns und die christlich-abendländischen Werte und sei mit diesem Bedeutungsgehalt gesetzlich festgelegt.
Auch die Kirchen diskutierten bereits darüber, ob die enge Koppelung an den Staat (Konkordat) noch zeitgemäß sei. "Man macht sich vom Staat ja auch abhängig", meinte Dürr in einem Interview gegenüber der dpa. Dass die katholischen Lehrstühle an den Universitäten in der jetzigen Form nicht mehr zu halten seien, habe auch die CSU eingesehen, sagte Dürr mit Blickrichtung auf Schließungen von Fakultäten in Bayern. Dabei gehe es den Grünen nicht darum, alle Lehrstühle zu schließen. An den Schulen müsse es aber auch islamischen Religionsunterricht geben, für den staatliche Lehrer ausgebildet werden müssten. "Wir wollen keine Hinterhof-Moscheen", sagte Dürr.
Josef Winkler, der kirchenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion will im Gegensatz zu seinem bayrischen Kollegen an dem geltenden Staatskirchenrecht nicht rütteln. Allerdings müsse man diskutieren, "wie man andere Religionsgemeinschaften, insbesondere die Muslime, in ähnlicher Weise einbindet" sagte er gestern gegenüber der SZ. Die Diskussion um das Konkordat hält auch die Fraktionsvorsitzende Renate Künast für zweitrangig. "Wir haben gerade eine andere Debatte, nämlich die Anerkennung der jüdischen Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts und eventuell irgendwann auch des Islams."
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Düsseldorfer Landtag, Sylvia Löhrmann, sagte, die Abschaffung der staatlichen Bezahlung von Bischöfen habe für sie derzeit "keine politische Priorität. Nach den Verpflichtungen aus dem Preußen-Konkordat zahlt das Land NRW aus dem Landeshaushalt 2008 für "Dotationen" an die katholische Kirche 5,8 Millionen Euro und an die evangelische Kirche 4,6 Millionen Euro. Die Grüne Löhrmann plädierte zudem dafür, zwischen dem Land NRW und den muslimischen Dachverbänden "vertragliche Regelungen" nach dem Vorbild des Konkordats zu treffen.
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