Die Welt blickt auf Syrien, wo die Assad-Dynastie endlich gestürzt wurde – ein historisches Ereignis, das für mich als Sohn syrischer Eltern aus Damaskus von enormer Bedeutung ist. Es ist ein Moment, der sich mit dem Mauerfall in Deutschland vergleichen lässt, ein Symbol für Freiheit, Gerechtigkeit und den unermüdlichen Kampf gegen Unterdrückung. Doch während die Welt diesen Meilenstein feiert, richtet die CDU-Führung ihren Blick bereits auf syrische Flüchtlinge in Deutschland – mit einer Kälte und Empathielosigkeit, die kaum zu überbieten ist. Darin sehe ich eine weitere Bestätigung dafür, dass meine Entscheidung von Ende November, aus der CDU auszutreten, richtig war. Dieser Schritt war keine impulsive Entscheidung, sondern das Ergebnis langer Überlegungen. Letztlich war es mein Gewissen, das mich dazu zwang, einen Schlussstrich zu ziehen. Die CDU war einst meine politische Heimat. Doch sie hat sich in eine Richtung entwickelt, die meinen Werten diametral entgegensteht. Die Partei hat das christliche Menschenbild, ihre Wurzeln in Respekt und Verantwortung verloren und agiert stattdessen mit einer Sprache und Politik, die Spaltung und Populismus fördern.
𝗛𝗮𝗹𝘁𝘂𝗻𝗴 𝘇𝘂𝗺 𝗡𝗮𝗵𝗼𝘀𝘁-𝗞𝗼𝗻𝗳𝗹𝗶𝗸𝘁: 𝗘𝗶𝗻𝗲 𝗣𝗼𝗹𝗶𝘁𝗶𝗸 𝗼𝗵𝗻𝗲 𝗪𝗲𝗿𝘁𝗲
Ein zentraler Grund für meinen Austritt ist die Position der CDU im Konflikt zwischen Israel und Palästina. Sie offenbart Doppelstandards, eine erschreckende Unbeweglichkeit und den Verlust moralischer Orientierung. Statt sich für Humanität und Frieden einzusetzen, wird einseitig Partei ergriffen, und selbst der Internationale Strafgerichtshof wird diskreditiert, nur um die eigene Positionen nicht hinterfragen zu müssen. Die Lehren aus der Schoah, die uns zu universellen Prinzipien der Menschlichkeit verpflichten sollten, werden in eindimensionale, polarisierende Solidaritätsbekundungen reduziert. Erschreckend ist, dass selbst die AfD, die für ihre rechtspopulistischen und oft diskriminierenden Positionen bekannt ist, Passagen aus der Resolution zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland feierte. Dies zeigt, wie sehr sich die CDU von einer differenzierten, verantwortungsvollen Haltung entfernt hat. Die CDU hat den Mut verloren, Brücken zu bauen und den Dialog zu fördern. Stattdessen vertieft sie Spaltungen, wo sie Zusammenhalt schaffen müsste.
𝗩𝗲𝗿𝘀𝘁ö𝗿𝗲𝗻𝗱𝗲 𝗧𝗼𝗻𝗮𝗹𝗶𝘁ä𝘁: 𝗘𝗶𝗻 𝗦𝘆𝘀𝘁𝗲𝗺 𝗱𝗲𝗿 𝗦𝗽𝗮𝗹𝘁𝘂𝗻𝗴
Die Tonalität, die von der CDU-Führung ausgeht, ist ein weiterer entscheidender Grund für meinen Austritt. Diese Sprache – geprägt von Populismus, Abwertung und Spaltung – hat mich zutiefst erschüttert. Von einer Volkspartei, die Zusammenhalt und Verantwortung verkörpern sollte, hätte ich erwartet, dass sie sich ihrer historischen Rolle bewusst ist. Stattdessen wird eine problematische Rhetorik gepflegt, die Ängste schürt, Konflikte verschärft und den gesellschaftlichen Diskurs vergiftet. Diese Sprache ist kein Ausrutscher Einzelner, sondern ein systemisches Problem, das sich bis in die Basis der Partei zieht.
𝗠𝘂𝘀𝗹𝗶𝗺𝗲 𝗮𝗹𝘀 𝗠𝗲𝗻𝘀𝗰𝗵𝗲𝗻 𝘇𝘄𝗲𝗶𝘁𝗲𝗿 𝗞𝗹𝗮𝘀𝘀𝗲
Muslime und muslimisch gelesene Menschen in Deutschland erleben eine immer stärkere Kriminalisierung, die sie zu Bürgern zweiter Klasse degradiert. Studien wie das „Zivilgesellschaftliches Lagebild antimuslimischer Rassismus - Antimuslimische Vorfälle in Deutschland 2023“ von CLAIM belegen diesen alarmierenden Trend. Doch anstatt sich entschieden gegen diesen antimuslimischen Rassismus zu stellen, gießt die CDU noch Öl ins Feuer – durch populistische Sprache und die bewusste Ignoranz gegenüber dieser Problematik. Diese Haltung ist nicht nur falsch, sie ist zutiefst verletzend. Sie schadet dem sozialen Zusammenhalt und verstärkt das Gefühl von Ausgrenzung und Diskriminierung in unserer Gesellschaft.
𝗔𝗻𝘁𝗶𝘀𝗲𝗺𝗶𝘁𝗶𝘀𝗺𝘂𝘀: 𝗦𝘁𝗿𝗮𝘁𝗲𝗴𝗶𝗲 𝗱𝗲𝗿 𝗘𝘅𝘁𝗲𝗿𝗻𝗮𝗹𝗶𝘀𝗶𝗲𝗿𝘂𝗻𝗴 𝘀𝘁𝗮𝘁𝘁 𝗩𝗲𝗿𝗮𝗻𝘁𝘄𝗼𝗿𝘁𝘂𝗻𝗴𝘀ü𝗯𝗲𝗿𝗻𝗮𝗵𝗺𝗲
Die CDU projiziert Antisemitismus oft einseitig auf eingewanderte Muslime und deren Nachfahren. Dabei ignoriert sie die strukturellen Probleme innerhalb der deutschen Gesellschaft. Die „Mitte“-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2022/23 und die jüngst veröffentlichte „Leipziger Autoritarismus-Studie“ der Heinrich-Böll-Stiftung von 2024 machen allzu deutlich, dass Antisemitismus tief in der deutschen Gesellschaft verwurzelt bleibt und keineswegs allein ein „Importproblem“ ist. Die Notwendigkeit von Polizeischutz für Synagogen und andere jüdische Einrichtungen ist kein Zeichen von Stärke, sondern von gescheiterter Integration. Statt sich dieser Verantwortung zu stellen, wählt die CDU den bequemen Weg der Externalisierung.
𝗜𝗴𝗻𝗼𝗿𝗮𝗻𝘇 𝗴𝗲𝗴𝗲𝗻ü𝗯𝗲𝗿 𝗪𝗶𝘀𝘀𝗲𝗻𝘀𝗰𝗵𝗮𝗳𝘁 𝘂𝗻𝗱 𝗦𝘁𝘂𝗱𝗶𝗲𝗻
Zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse und Studien, die systematische Diskriminierung und antimuslimischen Rassismus aufzeigen – etwa die Studie „Being Muslim in the EU ― Experiences of Muslims“ von 2024 der European Union Agency oder die Arbeit des unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit – bleiben in der CDU ungehört. Empfehlungen, Positionspapiere und Ansätze versanden. Diese Ignoranz ist nicht nur enttäuschend, sondern gefährlich, weil sie den Nährboden für soziale Spannungen bildet.
𝗜𝗻𝘁𝗲𝗿𝗸𝘂𝗹𝘁𝘂𝗿𝗲𝗹𝗹𝗲𝘀 𝗙𝗲𝗶𝗴𝗲𝗻𝗯𝗹𝗮𝘁𝘁
Ich habe mich über Jahre hinweg auf kommunaler und Landesebene für Integration, Bildung und migrantisches Leben engagiert. Doch es scheint, als wäre meine Rolle in der CDU weniger der Ausdruck eines echten Interesses an interkulturellem Dialog als vielmehr eine Alibifunktion, um den Anschein von Offenheit zu wahren. Solch ein Feigenblatt möchte ich nicht sein. In den Programmen der CDU, egal auf welcher Ebene, findet sich keine Politik für muslimisches Leben in Deutschland. Die antimuslimischen Ressentiments der ersten Entwürfe des neuen Grundsatzprogramms waren kaum erträglich in der heutigen Fassung sind sie noch immer spürbar. Diese zeigen, dass die CDU keine ernsthafte Politik für das muslimische Leben in Deutschland verfolgt. Ich kann und will nicht länger Teil einer Partei sein, die interkulturelle Anliegen ignoriert und aktiv zurückweist.
𝗦𝘁𝗶𝗹𝗹𝘀𝘁𝗮𝗻𝗱 𝗮𝘂𝗰𝗵 𝗮𝘂𝗳 𝗹𝗼𝗸𝗮𝗹𝗲𝗿 𝗘𝗯𝗲𝗻𝗲 Auch, aber nicht nur auf kommunaler Ebene fehlt es der CDU an Visionen. Themen wie soziale Gerechtigkeit, Wohnen im Alter oder die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationsgeschichte werden ignoriert. Stattdessen wird der Abbau von sozialen Programmen vorangetrieben. Diese Haltung zeigt deutlich, dass eine konstruktive Zusammenarbeit mit Communities, die nicht die Mehrheit in Deutschland bilden, zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts aber entscheidend beitragen können, in der CDU entweder nicht als Notwendigkeit erkannt wird oder gar nicht erwünscht ist.
𝗦𝘂𝗺𝗺𝗮 𝘀𝘂𝗺𝗺𝗮𝗿𝘂𝗺
Mein Austritt ist kein Akt der Ablehnung, sondern ein Akt der Verantwortung – gegenüber meinen Überzeugungen, meinem Gewissen und den Werten, die ich für essenziell halte. Ich bin zutiefst enttäuscht von einer Partei, die ich einst als politische Heimat empfunden habe. Eine Partei, die einst für Respekt, Zusammenhalt und Verantwortung stand, hat sich in eine Richtung entwickelt, die von Populismus, Ignoranz und Spaltung geprägt ist. Ich hoffe, dass die CDU eines Tages wieder zu einer politischen Kraft wird, die für alle Menschen in diesem Land da ist – unabhängig von Herkunft, Religion oder sozialem Status. Bis dahin werde ich meinen Beitrag für Gerechtigkeit, Respekt und gesellschaftlichen Zusammenhalt weiterhin leisten – außerhalb dieser Partei.
Quelle: FB-Seite von Aladdin Beiersdorf-El Schallah