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Donnerstag, 31.01.2008 | Drucken |
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17 prominente Unionspolitiker degradieren Roland Koch – Die Distanzierung hätte vor der Hessen-Wahl kommen müssen
NRW-Minister Laschet: Union ist wegen Integrationsgipfel und Deutsche Islamkonferenz Vorreiter in Sachen Integration – Scharfe Kritik an Staatsministerin Maria Böhmer beim „Gipfel“ in Berlin. KRM-Sprecher: "Integrationsfortschritt vernichtet"
In einem offenen Brief distanzieren sich 17 prominente Unionspolitiker von ausländer-und islamfeindlichen Tönen im Wahlkampf des hessischen Ministerpräsidenten Koch. Die Einbindung von Einwanderern sei "so fundamental für die Zukunft unseres Landes, dass sie nicht zu einem schnelllebigen Wahlkampfthema degradiert werden darf“, heißt es in dem in der Zeit veröffentlichten Schreiben.
Die 17 Unionspolitiker gehen auch auf die "abscheulichen Vorgänge in der Münchner U-Bahn" ein. Sie sehen darin allerdings keinen Anlass für eine grundsätzliche Debatte über die Gewalt jugendlicher Ausländer: "Wir wissen, dass das, was der 17-jährige Grieche und der 20-jährige Türke gegenüber dem 76-jährigen Rentner getan haben, untypisch ist für die Kultur ihrer Eltern und Großeltern." Schließlich werde Respekt vor dem Alter gerade in Zuwandererfamilien oft höher geschätzt, als bei deutschen Jugendlichen.
Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs gehören u.a. der Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust, der sich selbst am 24. Februar in Hamburg zur Wahl stellt, Friedbert Pflüger, der CDU-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, und Rupprecht Polenz, der den Auswärtigen Ausschuss des Bundestags leitet. Auch die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, Innenstaatssekretär Peter Altmaier und der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma, sein Stuttgarter Kollege Wolfgang Schuster sowie die bayerische Sozialministerin Christa Stewens (CSU) sind mit von der Partie.
Die Initiative zu dem Brief hatte Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet ergriffen. Nach Ansicht von Laschet ist die Union ein Vorreiter der Integration in Deutschland. Als Beleg führt er den Integrationsgipfel und die die Deutsche Islamkonferenz an.
Ein internes Papier der CDU nahen Konrad-Adenauer-Stiftung zeichnet unterdessen ein umfassendes Bild der Niederlage von Roland Koch: 66 Prozent der Wähler seien davon ausgegangen, dass die CDU eine Verschärfung des Jugendstrafrechts nur wegen der bevorstehenden Landtagswahl gefordert hat. Auch in der CDU-Anhängerschaft sei der Anteil der Zweifler mit 41 Prozent "recht hoch" gewesen. Der Brief und die Analyse ist ein weiterer schwerer Schlag für Koch, der ja irgendwie weiter als Ministerpräsident im Land Hessen „herum regieren“ will.
Der Brief der 17 CDU-Prominenten und die Konrad-Adenauer-Studie belegt zudem, dass es ein wesentlich größerer Teil in der Union gibt, die Kochs Kurs falsch empfanden. Er zeigt aber auch auf dramatischer Weise zu welch falschen Loyalitäten und zu was Parteidisziplin führen kann.
Er belegt, dass nämlich nicht öffentlich vor Wahlen kritisiert werden darf, selbst wenn der Kontrahent sachlich falsch liegt, rassistische Töne anschlägt und Populismus mit Politik vertauscht.
Der Brief ist also in der Sache richtig, vom Zeitpunkt her, kommt er zu spät. Deshalb kann er gesamtgesellschaftlich als Schadenbegrenzung der Union gewertet werden.
Daran ändert die späte Einsicht der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung Maria Böhmer, die den Brief nichz unterzeichnete, auch nicht viel. Vorgestern auf der Pressekonferenz des von ihr einberufenen „Integrationsgipfel“ im Bundeskanzleramt sagte sie: „Das Wir-Gefühl wird gestärkt werden“. Bei einem Treffen mit Vertretern von mehr als 70 Migrantenorganisationen im Kanzleramt stand die Umsetzung des im Juli 2007 beschlossenen Nationalen Integrationsplans im Mittelpunkt.
Bekir Alboga, Sprecher des Koordinationsrates der Muslime, sagte dazu vor Ort: „Koch habe große Teile des Integrationsfortschrittes mit seinem Wahlkampf vernichtet“, eine klare Abgrenzung durch Frau Böhmer von Kochs Wahlkampf hätte auch er sich gewünscht.
Der Grünen-Politiker Josef Winkler hielt Böhmer vor, vergeblich zu versuchen, „Kochs Scherbenhaufen zügig unter den Tisch zu kehren“. Ein weiterer Showtermin im Kanzleramt könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass Böhmer das Vertrauen vieler Migranten durch ihr Verhalten im hessischen Landtagswahlkampf verspielt habe.
Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenat Kolat, zeigte sich enttäuscht. Böhmer hätte sich schützend vor die Migrantenverbände stellen müssen, sagte Kolat in Berlin.
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