Newsinternational Freitag, 18.05.2007 |  Drucken

Der Papst, die Indianer und das erneute verunglückte Geschichtsverständnis

Empörung nach Reise des Pontifex in Brasilien

Papst Benedikt XVI. hat mit Äußerungen zur Christianisierung Lateinamerikas heftige Kritik unter Indianer-Vertretern ausgelöst. Benedikt XVI. hatte am vergangenen Sonntag bei der Eröffnung der lateinamerikanischen Bischofskonferenz im brasilianischen Aparecida erklärt, den Ureinwohnern sei durch die Verkündung des Evangeliums keine fremde Kultur aufgezwungen worden. Die Indianer hätten die Christianisierung vielmehr "still herbeigesehnt".

Jecinaldo Satere Mawe von der brasilianischen Indianerorganisation Coiab warf dem katholischen Kirchenoberhaupt am Montag Arroganz und Respektlosigkeit vor. Auch Indianer in Mexiko, Kolumbien und Venezuela äußerten sich empört über den Papst. "Wir können es nicht akzeptieren, dass die Kirche ihre Verantwortung für die Vernichtung unserer Kultur und unserer Identität nicht anerkennt", sagte Luis Evelis Andrade von der nationalen Ureinwohner-Organisation Kolumbiens. Der mexikanische Menschenrechtler Abel Barrera sagte: "Es ist eine ethnozentrische, rassistische und wenig respektvolle Sicht der indigenen Kulturen." Die venezolanische Ministerin für indigene Völker, die Indianerin Nizia Maldonado, bezeichnete die Kolonisierung Lateinamerikas als Völkermord.

Die Süddeutsche Zeitung kommentierte diesen erneuten Lapsus der Papst in Ausgabe vom Mittwoch: “Johannes Paul II. hat sich für das schreckliche Unrecht entschuldigt, das den Bewohnern Mittel- und Südamerikas im Namen Jesu bei der Kolonisierung des Kontinents geschehen ist. Sein Nachfolger hat es nun verharmlost, in dem er das Ergebnis von Mord, Totschlag und Ausbeutung spiritualisiert: Am Ende haben die Überlebenden Christus erkannt, und das war gut so." In der Zeitung hieß es weiter: "In Auschwitz hat Benedikt Eigentümliches zur Machtergreifung der Nationalsozialisten gesagt, in Regensburg die Muslime gegen sich aufgebracht, nun empören sich die Indianer. In historisch-politischen Dingen zeige der gebildete Joseph Ratzinger erschreckende Schwächen", so die Süddeutsche. "Das tut jenen Christen Unrecht, die wie Bartholomé de Las Casas an der Seite der Ureinwohner standen. Und es bleibt nicht des Papstes Anklage gegen Egoismus, Macht- und Profitgier in Erinnerung, sondern eine verunglückte Textpassage."




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