Newsinternational Donnerstag, 06.01.2005 |  Drucken

Islamische Finanzprodukte erleben derzeit einen Boom

Islamic Development Bank kündigt Emission eines islamischen Bonds an

Neben der Regierung von Pakistan hat am Dienstag die Islamic Development Bank (IDB) mit Sitz im saudischen Jeddah die Emission eines islamischen Bonds angekündigt. Es wird die zweite islamische Emission der mit der Top-Note "AAA" bewerteten IDB sein. Pakistan will in Kürze eine entsprechende Anleihe über 300 bis 500 Mio. $ emittieren.
Noch bis vor kurzem waren islamische Anleihen, die so genannten Sukkuks, ein Nischenprodukt. Das ändert sich jedoch. "Das Geschäft mit den Sukkuks fängt an, wirklich interessant zu werden", sagte Michael Gassner, Berater für Islamic Finance. "Im abgelaufenen Jahr dürfte das Emissionsvolumen islamischer Bonds bei 5 Mrd. $ gelegen haben." In den Vorjahren waren es deutlich weniger. Experten schätzen das von islamischen Banken weltweit verwaltete Vermögen auf 250 Mrd. $.
Das im Islam geltende Zinsverbot stellte viele gläubige Muslime lange Zeit vor das Problem, mit konventionellen Finanzprodukten gegen religiöse Regeln zu verstoßen. Das betraf nicht nur die Geldanlage in festverzinsliche Papiere, sondern auch die Immobilienfinanzierung über Hypotheken. Das galt nicht nur für wohlhabende Muslime aus dem arabischen Raum, sondern auch für Deutsche, Briten und Franzosen islamischen Glaubens. Fachleute sehen vor allem in diesem Markt ein großes Potenzial, denn in jüngster Zeit haben islamische Banken und spezialisierte Abteilungen großer Investmentbanken wie Citigroup, HSBC und Deutsche Bank mit teilweise komplizierten Finanzprodukten, die das Zinsverbot umgehen, auf die Nachfrage reagiert.
Die Branche Islamic Finance umfasst inzwischen die Bandbreite von Investmentfonds über Anleihen bis hin zu Devisengeschäften. Seit kurzem gibt es mit dem Shariah Equity Opportunity Fund sogar den ersten Scharia-konformen - also mit dem islamischen Gesetz in Einklang stehenden - Hedge-Fonds. Mit Abstand das wichtigste Finanzprodukt ist aber der islamische Bond. Er hat eine mittlere Laufzeit von meist fünf Jahren. Grundprinzip ist in der Regel das Leasing - ein fester Zins wird durch Mieteinnahmen ersetzt. Diese sind im Islam genauso erlaubt wie beispielsweise Einkünfte aus Firmenbeteiligungen.

Deutsches Interesse an Scharia-konformen Anleihen

Das Geschäft mit Scharia-konformen Finanzierungen ist beileibe nicht auf Muslime beschränkt. "Gerade für deutsche Firmen, die meist einen hohen Immobilienbesitz haben, sind Finanzierungen dieser Art interessant", sagte Berater Gassner. Die neue Schweizer Zinssteuer, die ab Mitte des Jahres erhoben wird, könnte Anleger zur Suche nach alternativen Anlagen veranlassen, die ohne feste Zinsen auskommen.
Im vergangenen Jahr hatte das Bundesland Sachsen-Anhalt eine Scharia-gemäße Anleihe in Höhe von 100 Mio. Euro emittiert. Die Landesregierung wollte damit Zugang zu finanzkräftigen Anlegern aus dem arabischen Raum finden und das Interesse neuer Investoren wecken. "Außerdem ist die Anleihe auch Ausdruck des Respekts vor der arabischen Welt", sagte Axel Gühl, Abteilungsleiter im Finanzministerium und Vater des sachsen-anhaltinischen Sukkuk. Die Idee sei auf einer Roadshow im Gespräch mit Investoren entstanden, so Gühl. "Nach der erfolgreichen Platzierung denken wir an eine Nachfolge-Emission." Es gebe aber noch keinen konkreten Plan.

Mieteinnahmen statt Zinsen

Einer Zweckgesellschaft mit Sitz in den Niederlanden wurden befristet Nutzungsrechte an staatlichen Immobilien übertragen. Diese werden nun von den Landesbehörden zurückgeleast. Anstatt eines festen Zinses erhalten die Investoren daher Mieteinnahmen.
Im März 2004 hatten zwei islamische Banken in Saudi-Arabien den ersten strukturierten Sukkuk begeben, der besichert wurde durch die Fahrzeugflotte einer Autovermietung. Im vergangenen Oktober kam der malaysische Bundesstaat Sarawak mit einem Sukkuk in Höhe von 350 Mio. $ auf den Markt. Der größte Sukkuk bislang war eine Emission zur Finanzierung des Flughafenausbaus von Dubai im vergangenen November. Im Emissionskonsortium des 1-Mrd.-$-Bonds waren neben arabischen Banken auch Citigroup und HSBC. Die Anleihe wurde mit 45 Basispunkten über dem Londoner Referenzzins am Geldmarkt Libor gepreist. (aus Financial Times Deutschland, 06.01.05)




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