Papst setzt im Irak Zeichen für interreligiösen Dialog
Das katholische Kirchenoberhaupt betonte bei dem Gespräch mit Großajatollah al-Sistani laut Vatikan die Bedeutung des interreligiösen Dialogs für den gesamten Nahen Osten
Bagdad - Am zweiten Tag seiner Irak-Reise hat Papst Franziskus die gemeinsame Verantwortung von Christen und Muslimen für den Frieden in symbolträchtigen Begegnungen hervorgehoben. Zunächst traf er am Samstagmorgen in Nadschaf den schiitischen Großajatollah Ali al-Sistani zu einer privaten Unterredung. Anschließend leitete er in der südirakischen Stadt Ur ein interreligiöses Friedenstreffen. Ur gilt als Heimat der biblischen Gestalt Abraham, auf die sich Juden, Christen und Muslime gleichermaßen als Stammvater berufen.
Das katholische Kirchenoberhaupt betonte bei dem 45-minütigen Gespräch mit Großajatollah al-Sistani laut Vatikan die Bedeutung des interreligiösen Dialogs für den gesamten Nahen Osten. Zudem dankte der Argentinier dem 90-Jährigen für dessen stabilisierende Rolle in den vergangenen Jahren. Angesichts von Gewalt und Schwierigkeiten habe der muslimische Geistliche "seine Stimme zur Verteidigung der Schwächsten und Verfolgten erhoben", sagte Vatikansprecher Matteo Bruni. Darum sei Ali al-Sistani ein wichtiger Faktor für die Einheit des irakischen Volkes.
Das geistliche Oberhaupt der Schiiten im Irak hob seinerseits die Notwendigkeit der friedlichen Koexistenz der Religionen hervor. Die Christen im Irak müssten in Sicherheit und mit allen bürgerlichen Rechten im Land leben können, sagte er nach Angaben seines Büros im Gespräch mit Franziskus. Al-Sistani sprach demnach auch das Schicksal der Palästinenser unter israelischer Besatzung an. Die religiösen Führer seien gefordert, insbesondere an die Großmächte zu appellieren, allen Völkern der Region ein Leben in Freiheit und Würde zu ermöglichen.
Viele Beobachter werten das Treffen zwischen dem Papst und dem über die Grenzen des Irak hinaus hoch angesehenen Großajatollah als historischen Brückenschlag zwischen katholischer Kirche und schiitischem Islam.
Bei der Begegnung mit Vertretern unterschiedlicher Religionen in der antiken Stadt Ur hob Franziskus die gemeinsamen Wurzeln von Juden, Christen und Muslimen hervor. Wahre Religiosität bedeutet nach seinen Worten: "Gott anbeten und den Nächsten lieben." Feindseligkeit, Extremismus und Gewalt seien dagegen "Verrat an der Religion". Auf dem Platz vor der Wohnstätte des Vaters Abraham scheine es, "als würden wir nach Hause zurückkehren", so das katholische Kirchenoberhaupt.
In der heutigen Welt, die oft ein verzerrtes Bild von Gott zeichne, seien die Gläubigen aller Religionen aufgerufen, seine Güte zu bezeugen. Dies funktioniere am besten, indem man sie durch "Geschwisterlichkeit" sichtbar mache. "Gott ist barmherzig, und die größte Beleidigung und Lästerung ist es, seinen Namen zu entweihen, indem man den Bruder oder die Schwester hasst", betonte Franziskus.
Gläubige dürften nicht schweigen, wenn Terrorismus die Religion missbrauche: "Im Gegenteil, es liegt an uns, Missverständnisse durch Klarheit aufzulösen." Im Anschluss an die Rede sprachen die bei der Zeremonie anwesenden "Söhne und Töchter Abrahams" ein interreligiöses Gebet, in dem sie die Verdienste des Stammvaters würdigten.
Franziskus war am Freitag zu einem viertägigen Besuch im Irak eingetroffen. In seiner Auftaktrede im Präsidentenpalast in Bagdad rief er zu nationaler Einheit und religiöser Toleranz auf. Für Samstagabend ist eine Messe des Papstes in der chaldäischen Kathedrale Bagdads geplant.