Newsnational Donnerstag, 13.10.2016 |  Drucken

Am Ende gegen Prävention?

Über den Umgang einiger Behörden mit islamischen Religionsgemeinschaften im Kampf gegen religiös begründeten Extremismus -  Eine Stellungnahme des ZMD

Man schreibt einerseits den Moscheen eine Schlüsselfunktion in der Präventionsarbeit zu, wird es aber konkret und wollen diese ihre Verantwortung auch wahrnehmen, heißt es entweder wegen eines mutmaßlichen Auslandsbezuges oder wegen eines Eintrages im Verfassungsschutz bestimmter Moscheen sind sie dafür ungeeignet und setzt sie durch diese umstrittene Bewertung obendrein einer Öffentlichkeit aus, wo der Extremismusvorbehalt gegen Muslime nicht selten als Narrativ gehandelt wird. So wird neuaufgebautes institutionelles Vertrauen fahrlässig verbrannt. Angesichts der Tatsache, dass z.B. die Erkenntnis bei den Sicherheitsbehörden vorherrscht, dass seit Jahren auch wegen fehlender Imame gerade muslimische Gefangene in Gefängnissen radikalsierungsanfällig sind, macht diese Entscheidung in Hessen umso unverständlicher.

Die islamischen Religionsgemeinschaften verfügen über einen direkten Zugang zu den Gemeinden, die ihrerseits als unabhängige muslimische Akteure Vertrauen und somit indirekten Zugang zu radikalisierungsgefährdeten Muslimen haben. Dessen ungeachtet genießen die großen Islamverbände ebenso Vertrauen in Politik und Gesellschaft, wobei sie sich stets auf den unterschiedlichsten Ebenen als Kooperations- und Ansprechpartner gezeigt haben und ihr Sachverstand in allen wesentlichen, Muslime betreffenden Angelegenheiten gefragt ist.

Kein Weg führt daran vorbei, dass Präventionsarbeit gegen Radikalisierung von Muslimen nur dann erfolgversprechend sein kann, wenn ein Zugang zu den gefährdeten Personen besteht und sie nicht allein sozialpädagogisch geführt wird, sondern auch mit geistlicher Autorität verbunden ist. Dies lässt sich nur durch die islamischen Religionsgemeinschaften und deren angeschlossenen Moscheegemeinden realisieren. Zudem gilt es, Radikalisierungsprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe (d.h. Schule, Zivilgesellschaft, Sport) zu begreifen. Für die Umsetzung trägt insbesondere die Politik Verantwortung.

Der ZMD stellt sich seit Jahren diesen Aufgaben in vielen Bereichen, bei vielen Aktionen und Programmen, sei es bei der Fortbildung der Imame und Vorstände, sei es bei dem Präventionsprogramm „Safer Spaces“ oder sei es durch die Handreichungen in verschiedenen Sprachen an seine angeschlossenen 300 Moscheegemeinden.

Für den Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) ist deshalb der kürzliche Ausschluss von einigen Mitgliedern und ihren Repräsentanten in Hessen von der Seelsorge- und Präventionsarbeit gegen die Radikalisierung von Muslimen nicht nachvollziehbar. Er ist zum einen grundlegend falsch, da Radikalisierung so gefördert wird, statt sie zu verhindern und sie setzt zum anderen integrationspolitisch - gerade in der momentan aufgeheizten Situation - das falsche Signal. So waren z.B. sowohl die Justizvollzugsanstalten, das hessische Justizministerium wie auch die kooperierenden kirchlichen Einrichtungen sehr zufrieden mit der bisherigen Arbeit.

Aus dem Kontakt von Verbandsfunktionären mit Vertretern eines möglicherweise unzeitgemäßen Islamverständnisses heraus auf eine generell antidemokratische Tendenz dieser Verbände zu schließen, ist absurd und dient in keinster Weise der Aufklärung oder gar der Extremismusbekämpfung. Stattdessen fördert man auf diese Weise sowohl Islamfeindlichkeit als auch das Misstrauen der Muslime in die deutschen demokratischen Institutionen und zerstört somit die Basis für erfolgreiche Präventionsarbeit. Die Einstufung anerkannter Islamverbände und ihrer Funktionäre als „Extremisten“ oder „Demokratiefeinde“ vom Verfassungsschutz wird unter den tatsächlich Radikalen und Extremisten derzeit gefeiert, leistet man damit doch ihrem Vorurteil weiter Vorschub, dass der Staat kein echtes Interesse an Präventionsarbeit zu haben scheint.

Abschließend sei angefügt, dass der ZMD seit jeher für die Werte des Grundgesetzes eintritt, für die Völkerverständigung, den Dialog und vor allem für einen gemäßigten Islam in Wort und Tat ein. Er leistet damit entscheidende und wichtige Arbeit im Bereich der Integration der Muslime in Deutschland. Wir werden keine Einflussnahme von außen, egal um welches Land es sich handelt, dulden. Wir werden uns gegenüber jeder extremistischen Gruppe zur Wehr setzen, sei sie rechts, völkisch-nationalistisch, links oder religiös. Das gebietet uns nicht nur unser muslimischer Glauben. Niemals wird der ZMD zulassen, dass ideologisch motivierte Bewegungen auf unsere Agenda Einfluss nehmen. Zu diesem Selbstverständnis hat sich der ZMD immer bekannt und dies seit Jahrzehnten praktiziert. Daran wird sich erst recht in diesen Zeiten nichts ändern.



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