Newsnational Donnerstag, 08.09.2016 |  Drucken

Ressentiments gibt es nicht erst seit AfD

»Die Zahl der Anschläge auf Flüchtlingsheime nimmt in nie gekanntem Maße zu. Ebenso die körperlichen und verbalen Angriffe gegen Muslime auf den Straßen«

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in
Deutschland, Aiman Mazyek, hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen
den Vorwurf in Schutz genommen, ihre Flüchtlingspolitik sei am
Erstarken der Alternative für Deutschland (AfD) schuld. «Wer allein
die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin für den AfD-Wahlerfolg
verantwortlich macht, verkennt die tiefe Verankerung von
rassistischen Ressentiments in unserer Gesellschaft», sagte Mazyek
der «Welt» (Donnerstag).

Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 fehle eine
«Trennlinie» zwischen Extremismus und Islam, kritisierte der
Verbandschef. «Die AfD hat es am geschicktesten geschafft, diese
Stimmung für sich in Wählerstimmen umzumünzen.»

Dass die AfD nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern in neun
Landtagen sitzt, mache ihm Angst. «Noch mehr besorgt mich allerdings,
dass diese Vorbehalte ,gegen die Anderen» sich nun qua Wahlurne Bahn
brechen«, sagte Mazyek. »Die AfD weiß geschickt den bereiteten Boden
für sich zu instrumentalisieren. Früher gab es noch Hemmschwellen und
Sanktionen, die nun im Sog der Flüchtlingsdebatte wegfallen.« So
werde Rassismus immer mehr gesellschaftsfähig.

Dass die rechte Partei künftig einmal Regierungsverantwortung
übernehmen wird, glaubt der Zentralratschef nicht. »Denn die AfD hat
bisher kaum Programmatik, außer dass sie gegen irgendetwas und alles
ist, dass sie vor allem auch gegen den Islam ist. Eines Tages werden
die Wähler hoffentlich aufwachen und dieses Scheinlösungen
demaskieren.«

Mazyek attackierte das Parteiprogramm der AfD, das darauf
ausgerichtet sei, »Muslime zu Menschen zweiter Klasse zu machen«. Das
sei mit der deutschen Verfassung nicht vereinbar. »Dieses
Parteiprogramm ist ein Bruch unser bundesrepublikanischen Geschichte
und ein Affront gegen unser Grundgesetz.« Ein Gespräch zwischen
Vertretern der AfD und des Zentralrats war im Mai 2016 vorzeitig
beendet worden. Mayzek sagte, solange das Parteiprogramm nicht
überarbeitet wird, werde es keinen zweiten Anlauf geben.

Der Zentralratschef beklagte allgemein eine zunehmende
Islamfeindlichkeit in Deutschland, »das lässt sich mit Zahlen
belegen«. Die Angriffe auf Moschee-Gemeinden hätten sich etwa von
2014 bis 2015 vervielfacht. »Die Zahl der Anschläge auf
Flüchtlingsheime nimmt in nie gekanntem Maße zu. Ebenso die
körperlichen und verbalen Angriffe gegen Muslime auf den Straßen«,
sagte Mazyek. Dasselbe gelte für Hassdelikte im Internet.



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