Taktik kopieren oder ignorieren geht nicht auf Montag, 05.09.2016 |  Drucken

"Taktik kopieren oder ignorieren geht nicht auf"

Rede des ZMD Vorsitzenden Aiman Mazyek am Lützowplatz (es gilt das gesprochene Wort) anlässlich der Aktion "Aufstehen gegen Rassismus“ in Berlin/ vor etwa 6000 Menschen am 03.09.2016

Liebe Demokratinnen und Demokraten, wir sind heute gekommen um ein Zeichen gegen Rassismus und für Toleranz zu setzen. Wir kommen aber auch zusammen um der sogenannten “Alternative für Deutschland“ zu erklären: Sie ist keine Alternative für Deutschland. Ihre einfachen Antworten sind keine einfachen Lösungen, es sind allenfalls Scheinlösungen.

Denn mit plumpen Parolen, Sündenbockdiskussion und das Hassschüren gegen Minderheiten mit Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit wurde bisher noch kein einziger Arbeitsplatz gerettet – im Gegenteil; mit solchen plumpen Parolen wird das Rentenproblem ganz bestimmt nicht gelöst - im Gegenteil, und schließlich, mit Hassparolen wird dem sozialen Frieden und Deutschland und in der Welt keinen Deut geholfen.

Die AFD sagt: Früher war es besser und schwärmt romantisch von Zeiten, wo die Welt angeblich noch in Ordnung war. Aber welches „früher“ meinen sie denn? Dieses, des dunklen Zeitalters Deutschlands etwa? Das wollt ihr und ich jedenfalls nicht.

Sie sagen: Wir haben ein Parteiprogramm demokratisch wählen lassen und viele Menschen teilen diese Ansichten. Aber wenn diese Ansichten eklatant gegen das Grundgesetz verstoßen? Wenn es die Werte, wie Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit existentiell bedrohen und Andersdenkende und Andersgläubige degradiert und Muslime zu Menschen zweiter Klasse macht?

Was ist dann, wenn diese Ansicht nun von einigen geteilt werden und diese den Gang durch die deutschen Institutionen gehen? Das alles erinnert an längst vergangene schreckliche Zeiten. Ich will da nicht zurück. Die AFD will eine andere Republik – das wollen wir aber nicht.

Ich richte aber auch ein Appell an die etablierten Parteien: Bitte verliert vor den Wahlen nicht die Nerven und kopiert nicht manch gefährliche Parole im Gewande von Sündenbockdiskussionen. Das Konzept geht nicht auf – das sehen wir in Österreich, in Frankreich, in England oder Ungarn. Stets wird das Original am Ende gewählt. Insbesondere an die Konservativen Parteien richte ich auch mein Appell: Setzt euch mit dem Populismus handfest und scharf auseinander und streicht vollständig die Strategie gegenüber der AFD: Kopieren oder Ignorieren.

Liebe Demokratinnen und Demokraten, wir stehen hier, um unser Land wachzurütteln: Wacht auf, bevor es zu spät ist. Wir stehen hier, damit danach keiner sagt: Oh, das haben wir nicht gewusst.

Und wir reichen denen, die verstehen wollen, unsere Hände, unsere Herzen des Friedens und Versöhnung. Dennoch sagen wir auch klar: Keine Toleranz der Intoleranz. Kein Hass und keine Menschenfeindlichkeit auf unseren Straßen und im Netz. Nein zu Antisemitismus. Nein zum antimuslimischen Rassismus! Nein zu gruppenspezifischer Menschenfeindlichkeit. Nein zu Homophobie. Nein zu Antiziganismus!

Liebe Demonstranten, wer eine Kirche oder Christen angreift, so ist es, als ob er uns alle angegriffen hat. Wer ein Anschlag auf eine Synagoge verübt, der hat einen Anschlag auf uns ausgeführt. Wer im Namen einer Religion oder irgendeinem Nationalismus Menschen mit keiner Religion angreift, hat sich außerhalb unserer Gemeinschaft gestellt. Wenn Rechtextreme und Rechtspopulisten die Muslime existentiell angreifen, dann greifen sie alle Religionen an, dann greifen sie Deutschland und unsere Verfassung an.

Und wir alle, die hier heute stehen, wir werden das zu verhindern wissen. Gehen wir in unsere Städte, in unsere Gemeinden und klären unsere Mitbürgerinnen und Freunde auf: Wählt nicht die Ewiggestrigen, die im Gewande von Populismus, Hass und Verachtung auf bestimmte Gruppen, unsere Gesellschaft aus den Fugen nehmen wollen. Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Rassismus ist nichts anderes als die Kapitulation vor der Unmenschlichkeit.

Jeder Mensch ist einzigartig, jeder Mensch hat eine Würde, die uns zu schützen auferlegt ist, ja die uns Muslime im Heiligen Buch ebenso auferlegt ist. In der Präambel des Grundgesetzes heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Es gibt also keinen Grund sich vor dieser Verpflichtung und Verantwortung davon zu stehlen. Im Gegenteil, wir müssen mit Wort und Tat dafür einstehen – Hier und heute.

Wir stehen hier, um unser Land wachzurütteln. Wacht auf bevor es zu spät ist. Wir stehen hier, damit danach keiner wieder sagt: Oh, das habe ich nicht gewusst. Ich danke euch für die Aufmerksamkeit.


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