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Montag, 08.08.2016 | Drucken |
Aufklärung und Besonnenheit sind gefragt
Menschenwürde, Weltoffenheit, Toleranz, Respekt und Solidarität sind die Basis unseres friedlichen Zusammenlebens - ZMD zu der jüngsten Anschlagserie in Deutschland und Frankreich
Nizza, Würzburg, München, Ansbach, Reutlingen, Saint-Étienne-du-Rouvray – die Welle mörderischer Gewaltakte trifft uns bis ins Mark. Die erste – und natürliche – Reaktion ist Verunsicherung bis hin zu Entsetzen. Daraus darf jedoch keine lähmende Angst werden. Denn Angst war noch nie ein guter Ratgeber. Die meisten der Anschläge gehen auf das Konto Einzelner. Die Motive der Täter unterscheiden sich von Fall zu Fall – sie reichen vom Amoklauf über eine Beziehungstat bis hin zu Terrorakten, die tatsächlich in Zusammenhang stehen mit den Fanatikern des IS.
Fassungslos haben wir in jüngster Zeit erleben müssen, wie eine Welle öffentlich inszenierter Gewalttaten über uns hereingebrochen ist. Ihr Gefährdungspotential für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist immens. Wir dürfen nicht zulassen, dass der um sich greifende Schrecken instrumentalisiert wird.
Ohne Zweifel: Mit jedem Anschlag oder jedem schockierenden Angriff wird es schwieriger, Unterschiede und Abstufungen wahrzunehmen. Doch mangelnde Differenzierung bringt uns einer Lösung nicht näher. Im Gegenteil: Wenn wir nicht sorgfältig von Einzelfall zu Einzelfall unterscheiden, wenn wir nicht konsequent die vom IS pauschal beanspruchte Drahtzieherrolle hinterfragen, spielen wir dem Terror seiner Gefolgsleute zusätzlich in die Hände. Dann ist es nicht mehr weit bis zu dem Punkt, an dem die öffentliche Stimmung in kollektive Schuldzuweisungen gegen Muslime und Flüchtlinge umschlägt.
Wir sollten uns davor hüten, in den populistischen Chor jener einzustimmen, die das Schreckgespenst einer instabilen Sicherheitslage heraufbeschwören, um uns weiszumachen, die Wurzel allen Übels läge in unserer Aufnahmebereitschaft für schutzsuchende Flüchtlinge oder gar in der Unmöglichkeit eines friedlichen Miteinanders der Religionen.
Was wir stattdessen brauchen, ist eine Versachlichung der Debatte und eine Rückbesinnung darauf, dass unsere Demokratie und unser Rechtsstaat auf gemeinsamen Werten beruhen. Die Unantastbarkeit der Menschenwürde, Weltoffenheit, Toleranz, Respekt und Solidarität sind die Basis unseres friedlichen Zusammenlebens. Sie bilden den Kitt, der unsere pluralistische Gesellschaft trotz aller Unterschiede zusammenhält.
Der Zentralrat der Muslime ruft deshalb Politik, Medien und die breite Öffentlichkeit zur Besonnenheit auf und zur Unterstützung unserer Sicherheitsbehörden. An erster Stelle muss der Schutz der Menschen vor Gewalttaten stehen. Wir teilen die Auffassung, dass die Polizei dafür mehr Personal benötigt und besser ausgestattet werden muss. Ab kommenden Jahr 2017 erweitert das Bundesministerium für Inneres ihre Statistik politisch motivierter Straftaten, mit der neuen Kategorie "Islamfeindlich". Der ZMD begrüßt diese Änderung, da eine islamfeindliche Straftat bis heute noch als Fremdenfeindlichkeit aufgefasst und eingestuft wird.
Aus Sicht des Zentralrates der Muslime besteht die eigentliche Bewährungsprobe für Staat und Gesellschaft, für die Demokratie in Deutschland und Europa nun darin, durch Transparenz und Information dafür zu sorgen, dass weder die menschenverachtende Propaganda des IS und anderer Terrororganisationen noch die wieder lauter werdende Stimmungsmache gegen Flüchtlinge auf fruchtbaren Boden fallen. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir alle Augenmaß bewahren. Wir dürfen nicht zulassen, dass jene die Meinungshoheit in der öffentlichen Auseinandersetzung gewinnen, die auf Intoleranz und Ausgrenzung setzen. Wir dürfen uns nicht einreden lassen, unsere Demokratie befände sich im Ausnahmezustand. Um unser friedliches Zusammenleben zu sichern, müssen wir in allererster Linie verhindern, dass Angst die Oberhand gewinnt. Dafür müssen wir unseren Rechtsstaat stärken, das Vertrauen in die Stabilität und Handlungsfähigkeit unserer Demokratie festigen und Wege zur erfolgreichen Integration der bei uns lebenden Flüchtlinge weisen.
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Hintergrund/Debatte
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