Artikel Sonntag, 04.10.2015 |  Drucken

Museum zeigt Ausstellung zum Verhältnis von Medien und Politik - Vonn Wulff bis BILD

Plagiatsvorwürfe gegen Guttenberg und Co, «#Aufschrei», NSA-Skandal:
Immer schneller scheint sich das Medienkarussell zu drehen. Eine
Ausstellung in Bonn blickt zurück, streift aber auch aktuelle Fragen.

Bonn (KNA) «Guten Abend, Herr Diekmann, ich rufe Sie an aus Kuwait.
Bin gerade auf dem Weg zum Emir und deswegen hier sehr eingespannt,
weil ich von morgens acht bis abends elf Termine habe.» So beginnt
die denkwürdige Nachricht, die der damalige Bundespräsident Christian
Wulff am 12. Dezember 2011 auf der Handy-Mailbox von «Bild»-Chef Kai
Diekmann hinterließ. Der Versuch des Staatsoberhaupts, die
Berichterstattung des Boulevardblattes über sein privates
Finanzgebaren aufzuhalten, markiert einen Höhepunkt in der gesamten
Affäre, die schließlich im Februar 2012 in Wulffs Rücktritt mündete.

Wulffs Worte, in denen er von einem «Krieg» spricht und davon, dass
für ihn und seine Frau Bettina der Rubikon überschritten sei, sind
nun erstmals im Original zu hören: in der Ausstellung «Unter Druck!
Medien und Politik», zu sehen bis 17. April 2016 im Bonner Haus der
Geschichte. Die Schau, die zu großen Teilen bereits in Leipzig
präsentiert wurde, widmet sich der «Rolle der Medien in unserem
Staat», wie es der Präsident der Stiftung Haus der Geschichte, Hans
Walter Hütter, ausdrückt.

Der Bogen, den die rund 900 Exponate spannen, reicht von der
gleichgeschalteten Presse im NS-Staat über Meilensteine der
Mediengeschichte in BRD und DDR bis hin zu dem von der
islamkritischen Pegida-Bewegung genutzten Begriff der «Lügenpresse».

Bei dem Rundgang trifft der Besucher auf alte Bekannte: von den
großen Gestalten, die die Leitmedien von heute prägten, wie
«Spiegel»-Gründer Rudolf Augstein oder «Zeit»-Publizistin Marion
Gräfin Dönhoff, über Enthüllungsjournalist Günter Wallraff bis hin zu
«Emma»-Herausgeberin Alice Schwarzer.

Schrill trifft schräg: Der berühmte «Heiße Stuhl» aus der
gleichnamigen RTL-Sendung, die Anfang der 90er Jahre mit allen Regeln
der gepflegten Unterhaltung brach, steht nur ein paar Schritte von
einem Monitor entfernt, auf dem Ausschnitte des «Schwarzen Kanals» zu
sehen sind: jener DDR-Sendung, in der Karl-Eduard von Schnitzler bis
1989 in heute mindestens eigentümlich anmutender Diktion «Unflat und
Abwässer» geißelte, die angeblich Tag für Tag «Hunderttausende
westdeutsche und Westberliner Haushalte» fluteten.

Nachdenklich stimmt da die Plastik von Peter Muzeniek «40 Jahre
Informationsfluss». Sie zeigt einen Fleischwolf, der die Schlagzeilen
der linientreuen DDR-Presse über einem Menschenkopf ausspeit. Ob es
auch heute solche Formen von Medienüberdruss gibt? Die Abteilung
«Talkshow» lässt unweigerlich an Muzeniek denken. Stoibers Schlips
und eine Kette der Kanzlerin illustrieren am Beispiel modischer
Accessoires von Edmund Stoiber und Angela Merkel, wie sehr die Form
mitunter den Inhalt überlagert.

Gleichzeitig beweist der Blick in ein Gästebuch der seinerzeit von
Sabine Christiansen geleiteten und nach ihr benannten
ARD-Sonntags-Talkshow, wie eng das Wechselspiel zwischen Politik und
Medien ist. Zu besichtigen ist eine «gegenseitige Abhängigkeit», wie
der Stiftungsvorsitzende Hütter formuliert.

In Christiansens «Livre d'or» trug sich im April 2005 übrigens auch
ein gewisser Reinhard Marx ein, damals Bischof von Trier, heute
Münchner Kardinal und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.
«Ubi spiritus domini, ibi libertas» - «Wo der Geist des Herrn ist, da
ist Freiheit», notierte er nach der Diskussion zum Thema «Neue
Sehnsucht nach alten Werten?» Freiheit, genauer gesagt die
Pressefreiheit, und die sich daran entzündenden Konflikte: Sie bilden
nach Worten der Kuratorin Anne Martin den Roten Faden, der sich durch
die Schau zieht.

Zwangsläufig wird manches nur angerissen. Wer tiefer in die Materie
einsteigen will, dem sei der Kauf des Begleitbuchs zur Ausstellung
ans Herz gelegt. Dort findet sich ein Interview mit «Bild»-Chef Kai
Diekmann. Zur Berichterstattung in der Wulff-Affäre gibt er zu
Protokoll: «Wir haben einfach sauber unsere Arbeit gemacht, und das
hat dem Image von 'Bild' sicherlich nicht geschadet.» Das mögen
andere anders sehen. Fast vier Jahre später gibt es mindestens einen
klaren Verlierer: Diekmanns Handy, das während eines Türkei-Urlaubs
im Swimmingpool baden ging. Es ist nun ebenfalls in Bonn zu sehen.



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