Bülent Ucar: Theologen müssen sich mit schwierigen Textstellen auseinandersetzen, weil sie von wenigen für den Terror missbraucht werden
Auch die Politik macht Vorgaben - ZMD begrüßt Vorstoß von Bülent Ucar, mahnt aber zur Zurückhaltung der Politik bei religiösen Fragen
Der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek begrüßte den Vorstoß des Religionspädagogen Bülent Ucar, wonach dieser Theologen auffordert, sich mit den schwierigen Textstellen und Quellen des Islam stärker auseinandersetzen. Dieser Schritt ist wichtig, um nicht zuletzt „den Neo-Salafisten die Deutungshoheit über diese 'umstrittenen' Stellen alleine zu überlassen“. Er kündigte für den eigenen Verband an, sich nun mit den Fiqh-Räten und Gelehrten zusammen diesen Themen substanziell zu widmen. Denkbar wäre auch eine Zusammenarbeit oder Kooperationen mit Theologie-Zentren, wie etwa das in Osnabrück, damit Wissenschaft und Gemeinden gemeinsam die Antworten auf die oft gestellten Fragen präsentieren.
Nach Einschätzung des Religionspädagogen Bülent Ucar sei wichtig: ".. dass sich Theologen mit den schwierigen Textstellen auseinandersetzen, damit sie sich glaubwürdig von den Terrorakten distanzieren und ihr Wissen an die Laien weitergeben könnten," sagte Ucar in einem Interview der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». "Wenn wir diese Themen nicht besprechen, würden wir das Feld den Extremisten, den Rattenfängern überlassen."
Radikalisierte Muslime bezögen sich auf problematische Textstellen in den Primärquellen des Islam und der Tradition, "um im Namen des Islams Gewaltakte zu verüben." führt der Islamwissenschaftler der Universität Osnabrück aus. Die Koranverse dürften jedoch nur vor dem damaligen historischen Hintergrund verstanden werden. Im siebten Jahrhundert sei Krieg auf der Arabischen Halbinsel der «Normalzustand» gewesen. Muslime mussten aus Mekka auswandern, hatten ihren eigenen Stadtstaat gegründet und wurden angegriffen. "Unter diesen Rahmenbedingungen haben sie zu den Waffen gegriffen, sich verteidigt und auch Präventivkriege geführt," so Ucar. Dies schlage sich in den Koranversen nieder.
Die islamische Theologie und Kultur leide unter der Wortgläubigkeit, wie sie salafistische Strömungen annehmen, so Ucar. Der Prophet habe seinen Staat Medina nicht durch Zwang, Gewalt oder Terror gegründet. Religion sei nicht dazu da, den Staat zu islamisieren. "Religionen sollen Menschen zu Gott führen," sagte der Theologe. Gläubige Menschen sollen laut Ucar durch Teilnahme an Wahlen einen demokratischen Staat mitprägen.
Mazyek lobte die Bundeskanzlerin wegen ihrer Haltung, sich vor die Muslime zu stellen und den von ihr zitierten Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“. Die Ermahnung an die Muslime, theologisch sich mit bestimmten schwierigen Textstellen auseinandersetzen, hält er allerdings für problematisch. Er stimme ihr in der Sache zu, aber für ein Verfassungsorgan gebiete es, nicht zuletzt wegen des Trennungsgebotes von Religion und Staat, eine gewissen Zurückhaltung in religiösen Fragen an den Tag zu legen.
Zuvor haben sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel wie der SPD-Vorsitzende und Vizekanzler Sigmar Gabriel angemahnt, dass Muslime hierbei ihre theologischen Antworten angesichts des Missbrauchs von bestimmen Koranstellen schärfen müssen.
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