Newsnational Samstag, 27.09.2014 |  Drucken

Nie dagewesene "Errungenschaften" dank ISIS

Islam-Gegner feiern: Diffamierung des Islams durch ISIS übertrifft bei weitem alles dagewesene. Größte Dämonisierung des Islams seit jeher?

Was erklärte Islamgegner wie der US-Prediger Terry Jones, Hirsi Ali oder Wilders über Jahrzehnte nicht geschafft haben, scheint ISIS innerhalb weniger Monate erreicht zu haben: ein blutrünstiges Bild des Islams in die Köpfe der Menschen im letzten Winkel der Erde zu brennen.

Auch heimliche Islamhasser die letztendlich fremdenfeindliche Thesen lieferten – unter dem Deckmäntelchen der Aufklärung, Vorwarnung und Man-wird-doch-mal-sagen-dürfen-Rhetorik („dass nicht jeder Muslim ein Terrorist ist, aber jeder Terrorist ein Muslim“) – feiern nun fröhliche Urstände.

Die Bilder von ISIS scheinen das vielfache an Wucht zu haben, was Islamhasser und Gegner an Diffamierung des Islam je zu leisten vermochten. Als mediale Eskalaktionsstufe bleibt vielleicht noch ein Video der Enthauptung von einer Frau – am besten durch kopftuchtragenden Frau – mit Aufschrift „das ist der Islam“– möge Gott jegliche Opfer davor bewahren.

Vergießen von muslimischem Blut ist ISIS völlig egal

Die meisten Opfer der ISIS sind Muslime. Hierzulande wenig beachtet, wurden allein in den letzten Tagen, mehrere muslimische und international bekannte Menschenrechtler durch die ISIS gezielt ermordet, darunter syrische Aktivisten die sich seit Jahren gegen das Assad-Regime zu Wehr setzten oder beispielsweise eine geachtete, irakische Menschenrechtlerin aus Mossul. Zugegeben, es passt auch nicht ganz in das mediale Bild des „Westen vs. ISIS“, dass diese Nachrichten wohl eher untergehen lässt. Doch es bleibt: Das vergießen dieses muslimischen Blut ist ISIS völlig egal. 

ISIS’ Aufrufe, die “westliche Welt” um jeden Preis zu bekriegen, eine Welt in der teilweise bis zu 10% der Bevölkerung selbst Muslime sind, zeigt wie sehr sich der selbsternannte „Kalif“ des „islamischen Staates“ und „aller Muslime“ sich um seine Muslime kümmert. 

Auch die Enthauptungs-Opfer der ISIS sind größtenteils Helfer der örtlichen Bevölkerung gewesen, humanitäre Mitarbeiter, Journalisten die auf die Missstände der Bevölkerung Aufmerksam gemacht haben. Diese Stimmen werden getötet, es wird das Gegenteil heraufbeschwört.

In Anbetracht der neuen Dimension von Islamfeindlichkeit fällt es schwer zu glauben, dass ISIS muslimische Ziele verfolgt.

Einige wenige sprechen bei ISIS noch von irregeleiteten Muslimen, doch dies fällt selbst hartgesottenen Muslimen immer schwerer zu glauben, angesichts der Effektivität mit der ISIS das Bild der Muslime besudelt. 

Es besteht kein Zweifel dass sich verwaiste Habenichtse aus Syrien und Irak blenden und locken lassen durch ein Bild der vermeintliche Stärke des ISIS und nach jahrzehntelangen Kriegen, Demütigungen durch Diktatorengenerationen und westlicher Einmärsche vielleicht nun erstmalig in ihrem Leben so etwas wie Selbstachtung erfahren – darüber hinaus vielleicht viel wichtiger, auch einen ordentlichen Tagessold erhalten. Das Geld zieht letztendlich auch die skrupellosen Söldner an. Selbst deprimierte und verdrossene Irrläufer aus Europa glauben ihr Heil dort zu finden – und werden nebenbei meist zu „Kanonenfutter“ verarbeitet.

Trotzdem dieses Zulaufes bleibt unbestritten, dass der Aufstieg und Erhalt der ISIS ohne die Hilfe einer unheiligen Allianz aus alten Saddam-Schergen, kriminellen Clanbossen und Geschäftemachern nicht möglich wäre und ist – ohne hierbei Verschwörungstheoretikern vorgreifen zu wollen. Es braucht nicht viel Phantasie um sich vorzustellen dass es diesen kriminellen Terroristen um vieles anderes, aber kaum um den Islam geht.



ISIS hat bedeutende Ziele erreicht, die andere niemals erreicht hätten

ISIS hat die Revolution in Syrien gestoppt und Assads Macht erhalten
Erfolgreich hat die ISIS die Freie Syrische Armee in Syrien zunächst unterwandert, dann bekämpft und somit den Assads Machterhalt geschützt. Ein Schelm wer böses dabei denkt, dass ISIS den Krieg gegen den Europa und USA ausruft, dabei aber eine Autostunde entfernt sich das Assad-Regime in Sicherheit wägen kann. 

Vereinigung aller namhaften islamischen Gelehrten – und deren einheitliche Meinung mit Füßen zu treten
Gelehrten der ganzen Welt haben inzwischen in aller Deutlichkeit die Machenschaften von ISIS verurteilt und mit Belegen aus der Lehre des Islam untermauert. Selten gab es so eine einhellige Meinung. Doch die islamischen Argumente namhaftester Gelehrter kümmert die ISIS offensichtlich einen feuchten Dreck. 

ISIS hat es geschafft die ganze Welt darin zu vereinen, in Syrien aktiv zu werden – leider nicht wegen der Gräueltaten des Assad Regimes
Barack Obama, zahlreiche Anläufe der UNO, Giftgas-Einsätze oder systematische Säuberungen gegen die syrische Zivilbevölkerung hat die Welt nicht dazu bringen können in Syrien zu intervenieren. Doch dank ISIS fliegt nun die US-Luftwaffe Angriffe mit militärischer Unterstützung aus aller Welt auf syrischen Boden – und nutzt dies ganz nebenbei noch um andere ungeliebte Gegner auszuschalten.

Assad wird rehabilitiert
Plötzlich taucht das Assad-Regime wieder als internationaler Partner in Erscheinung. Die Angriffe auf syrischen Boden sind wohl kaum ohne Absprache mit diesem erfolgt. Assad wird wieder in die internationale Politik eingebunden und kann sein System wieder festigen.·

Verrat an den arabischen Revolutionen
Die unwürdige These „lieber einen stabilen Unterdrücker-Staat als einen arabischen ‚Wilden Westen‘“ hat neue Unterstützer gewonnen. Obwohl jeder wissen müsste – insbesondere durch die europäische Geschichte – dass eine Revolution und das Abschütteln eines fest verankerten, diktatorischen Systems Jahre benötigt, haben die ISIS Gräueltaten den arabischen Frühling vollends in Misskredit gebracht. 

Es ist nicht angebracht in Verschwörungstheorien abzugleiten und als Muslim in eine Opferrolle zu verfallen – zumal es auch Zulauf von hiesigen Ländern gibt, den wir mit aller Kraft stoppen müssen. Doch jeder intelligente Mensch kann sehen, was der Terror des ISIS den Muslimen gebracht hat. Wer das nicht sieht, dessen Intelligenz oder Motivation lässt starke Zweifel zu (Oliver Bauer).


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