Artikel Donnerstag, 31.07.2014 |  Drucken

Islamfeindlichkeit und Antimuslimischer Rassismus erreichen neuen Höhepunkt Jede Art der Menschenfeindlichkeit ist abzulehnen. Von Yasin Baş

Millionen von Muslimen begehen dieser Tage das Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan. Anlässlich des Ramadanfests hat auch die Bild-Zeitung, den Muslimen eine besondere Grußbotschaft gewidmet: Bild-Vize Nicolaus Fest wirft in seiner „Gratulation“ allen Muslimen Integrationsdefizite, hohe Kriminalität, Homophobie, Frauenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus vor. Man weiß nicht genau, wie man sich für diese „Friedensmitteilung“ des Boulevardblatts bedanken soll. Soll man „Dankeschön!“ sagen oder dagegen protestieren? Die üblichen Verdächtigen der islamfeindlichen Hetzportale sind natürlich direkt mit auf diese Islamhetze aufgesprungen.


Kai Diekmann distanziert sich


Kai Diekmann, Chefredakteur der Bild hat sich von seinem Stellvertreter öffentlich distanziert. Das war auch nötig. Denn die Zeitung präsentiert sich als Hort der Meinungsfreiheit und Demokratie. Die relativ schnelle öffentliche Kritik gegenüber Nicolaus Fest hat möglicherweise ebenso dazu beigetragen, dass sich der Bild-Chef so vehement gegen seinen Redaktionskollegen positioniert hat. Bereits ein paar Tage zuvor hatte Henryk M. Broder eine „frohe Botschaft“ für die Muslime in Deutschland und der Welt. Auch er stachelte und provozierte gegen Einwanderer und Muslime. Er stellte die so genannten „Bio-Deutschen“ den „Türken“, „Arabern“ und Mitbürgern mit Migrationshintergrund gegenüber. Deutsche Muslime wurden und werden in vielen Kommentaren nicht nur in der Bild, sondern auch in den angeblichen Qualitätsmedien wie der „Frankfurter Allgemeine (FAZ)“ stets als Fremdkörper und als das Andere dargestellt.



Kriminalität ist „schichtabhängig“


Viele Deutsche, deren Eltern oder Groß- und Urgroßeltern vor einem halben Jahrhundert und noch länger aus dem Ausland nach Deutschland kamen, gelten auch noch in der  4. Generation als „Ausländer“, „Migranten“ oder „Türken“ und „Araber“. Es wird ihnen vorgeworfen, dass alle Probleme „importiert“ seien. Keiner spricht aber darüber, dass diese Jugendlichen hier geboren, hier sozialisiert und hier zur Schule gegangen sind. Kaum einer spricht davon, dass Kriminalität von der sozio-ökonomischen Herkunft abhängt und nicht mit der Religion. Ein ungebildeter und weniger wohlhabender Mensch, egal welcher Religion, ist statistisch eher gefährdet mit dem Gesetz in den Konflikt zu geraten als eine wohlhabende und gebildete Person. Zudem können manche Vergehen wie Asyl- oder Ausweis-/Passdelikte nur von „Ausländern“ begangen werden.



Verfehlte Politik, hausgemachte Probleme und Heuchelei


Dass die so genannten „Probleme“ hausgemacht sind, dass sie mit einer verfehlten Eingliederungs-, Erziehungs-, Bildungs-, Sozial- und Teilhabepolitik zu tun haben, davon redet kaum jemand. Die Politik ist mitverantwortlich für die Probleme, gesteht dies aber nicht ein. Natürlich ist es leichter, Sündenböcke zu suchen und andere Menschen und Gruppen dafür haftbar zu machen. Auch sehen wir immer mehr, dass die Verantwortung anderen Ländern überlassen werden. Erfolge wie die von Sportlern, Regisseuren, Moderatoren, Schauspielern, Wissenschaftlern etc. verbucht man jedoch gerne für sich und für das eigene Land. Man sieht leider auch bei uns stellenweise heuchlerische Denkstrukturen und Parallelen wie in einigen anderen Einwanderungsstaaten in der Vergangenheit. Wir müssen konstatieren, dass diese Staaten heute viel weiter sind als wir. Wir jedoch scheinen noch immer auf der Suche nach einer „Willkommenskultur“ zu sein. Wenn wir das in 50 Jahren noch nicht geschafft haben, können wir weitere 50 Jahre aufwenden. Vielleicht klappt es ja irgendwann.



Wenn sie etwas Gutes tun, sind sie „Deutsche“, wenn sie etwas Schlechtes tun, „Ausländer“, „Migranten“ und „die Anderen“



Der erfolgreiche Sprinter Tommie Smith sagte bei den Olympischen Spielen 1968 folgendes: „Wenn ich siege, bin ich Amerikaner, kein schwarzer Amerikaner. Aber wenn ich etwas Schlechtes mache, sagen sie, ich sei ein Neger. Wir sind schwarz und wir sind stolz darauf. Das schwarze Amerika versteht, was wir heute gemacht haben“. Was heute manchmal geschieht, erinnert teilweise an diese Zeit. Müssten wir nicht nach Sarrazin, Breivik und der Hetze gegen Wulff nicht schon viel weiter sein?



Nie wieder Judenhass, nie wieder Muslimhass, nie wieder Christenhass – Kurz: Nie wieder Menschenhass!


Was dieser Tage auf einigen Demonstrationen gegen den Krieg in Palästina gesagt und gerufen wurde ist gewiss antisemitisch gewesen. Und gegen diese rassistischen Parolen darf es auch absolut keine Toleranz geben. Jedoch ist das, was derzeit in vielen Medien gegenüber Muslimen gesagt und geschrieben wird genauso abzulehnen. Diese Kommentare sind genauso verachtend, reißerisch, provokant, rechtspopulistisch, rassistisch, hetzerisch, faschistoid, respekt- und gnadenlos. Sie sind fast schon kriminell. Sie sind menschenfeindlich und gehören nicht in die Zeilen unserer Zeitungen.


Ich schäme mich als Journalist dafür, solche „Kollegen“ zu haben


Es ist beschämend für die öffentliche Meinungsäußerung, dass solche Journalisten im Namen der freien Presse- und Meinungsfreiheit agitieren. Sie missbrauchen unsere Demokratie. Sie missbrauchen auch ihren Beruf, um Hetze, Rassismus und Feindlichkeit zu säen. Ich schäme mich als Journalist für meine Kollegen.




Autoreninfo:



Yasin Baş ist Politologe, Historiker, Autor und freier Journalist. Zuletzt erschienen seine Bücher: „Islam in Deutschland – Deutscher Islam?” sowie „nach-richten: Muslime in den Medien”.





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