Newsnational Dienstag, 10.06.2014 |  Drucken


In Deutschland bitte nur abstrakt bedrohen

Im Kampf gegen deutsche Extremisten, die aus Syrien zurückgekommen sind, läuft was falsch. Von Rupert Neudeck

Da läuft beim Kampf gegen den Terror etwas fundamental falsch. Die Botschaft an die Terroristen in Deutschland könnte man so zusammenfassen. Wenn Ihr Euch in Deutschland korrekt und nicht übergriffig verhaltet, dürfte Ihr zum Abreagieren Eurer Mord- und Terrorgelüste durchaus nach Syrien. Wenn Ihr aber von dort zurückkommt und reagiert hier weiter Eure Begierden nach Gewalt und Terror und Mord ab, dann hört die Gemütlichkeit von Polizei, Staat und BND auf.

So ist es immer wieder: diese krause, unverschämte und im Wortsinn ver-rückte Logik. Ich habe sie schon an anderen Orten beobachtet und kann sagen, da ist dem Bundesinnenminister kein Lapsus unterlaufen, Er meint es wirklich so. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere sagte nach einer EU_Konferenz der 27 Innenminister der EU: aus der „abstrakten Bedrohung“ durch heimkehrende Kämpfer sei mit dem Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel eine „konkrete Gefahr geworden“. Mehrere hundert Kämpfer seien inzwischen in EU-Länder zurückgekehrt. „Nicht alle als Kämpfer, aber viele frustriert“, sagte der Minister. „Andere werde kampferprobt und entschlossen hier gegebenenfalls Anschläge planen“.

Jetzt weiß ich auch, warum das Bundeskriminalamt, die Landesämter für Verfassungsschutz und die Staatsanwälte nicht gegen jemanden vorgehen, der aus Deutschland kommend und mit einem deutschen Paß in Syrien mordet, kämpft, vergewaltigt und andere bedroht. Das geschah nämlich durch eine beim Amtsgericht in Neuss (Rheinland, NRW, zwischen Düsseldorf und Köln) ordentlich registrierten eingetragenen Verein (e.V.) Helfen-in-Not. Der hatte sich in Azaz in Nord-Syrien niedergelassen und gab entsprechende Meldungen in Youtube-Videos an die deutschen Zurückgebliebenen. Er bedrohte über seine aus Deutschland kommenden Mitglieder die in Syrien schon arbeitenden humanitären Helfer, z.B. die der Grünhelme e.V. sie aus dem Land zu verjagen, weil sie Ungläubige seien und hier nichts verloren hätten.

Unsere dringende Aufforderung, auch öffentlich gemacht in einem Film von Report Mainz, dieser Gruppe, die höchstwahrscheinlich auch die Entführung der drei Mitarbeiter der Grünhelme (Bernd Blechschmidt, Simon Sauer, Ziad Nouri) in der Nacht vom 14. Auf den 15. Mai 2013 geplant und durchgeführt haben, das Handwerk zu legen, wurde bisher nicht entsprochen.

Von ihr geht in Deutschland – so verstehe ich den Bundesinnenminister – ja auch nur eine „abstrakte Bedrohung“ aus. Solange diese Verbrecher und Fanatiker sich auf Entführungen, Morde und Drohungen gegen Syrer beschränken und hier bei uns nur noch eine „abstrakte Bedrohung“ sind, ist gegen sie nichts einzuwenden.

Das ist so die Logik der westlichen Welt. Ich kenne sie aus der Zeit des Völkermordes in Ruanda. Zehn Tage nach dem Ausbruch der Massenmorde (Beginn am 6. April 1994), des Zerhackens und Ersäufens in dem Land besetzte die französische Luftwaffe den Flughafen von Kigali und sammelte mal alle wertvollen Weißen ein, die erst mal als Weiße abstrakt bedroht waren und flog sie in dickbäuchigen Herkules Flugzeugen zurück nach Europa. Darunter waren alle, die die wertvolle Hautfarbe und den wertvollen EU oder US-Pass hatten. Das waren katholische Priester, weiße Nonnen, Diplomaten, die ihren Hund, aber nicht die Tutsi Sekretärin mitnehmen konnten, deutsche Entwicklungshelfer, Mitarbeiter der Deutschen Welle. Dann zogen die Franzosen ab und überließen die Ruander dem Völkermord. Merke: Solange die konkrete Bedrohung nur den anderen, nicht so wertvollen Menschen, also jetzt den SYRERN gilt, ist es uns egal. Unsere deutschen Salafisten-Verbrecher dürfen wenn sie zurückkehren aus dem Feld der syrischen Schlachthäuser und
Schlachtfelder, müssen nur versprechen, dass sie weiter nur eine „abstrakte Bedrohung“ simulieren, keine konkrete für uns Deutsche. Syrer dürfen ermordet werden, Deutsche und Europäer bitte nicht. Halten sie sich in der „abstrakten Bedrohung“, wird ihnen nichts geschehen.

Verstehe das, wer es will. Ich verstehe es nicht. Weshalb sind Syrer nicht genau so beklagenswerte Opfer eines konkreten Terrors durch Fanatiker aus allen möglichen Ländern und nun aus Deutschland? Herr Innenminister, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das den deutschen Syrern, und den Syrern in Syrien mal erklären könnten.(Rupert Neudeck)



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