"Wenn der Islam in Deutschland angekommen ist, so ist er im ZDF-Fernsehrat jedenfalls noch nicht angekommen"
Karlsruhe hat - nicht unerwartet - den Staatsvertrag für das ZDF in wesentlichen Punkten für verfassungswidrig erklärt - Muslime bleiben immer noch aussen vor
Nicht betroffen von der Entscheidung sind die großen Kirchen und der Zentralrat der Juden. Erst einmal. Dies hängt mit der Struktur des Vertrages zusammen, den die Richter des Ersten Senats in wesentlichen Punkten für verfassungswidrig erklärten. Ziel ist es, das «Gebot der Staatsferne» zu gewährleisten und das ZDF vor den Einflussversuchen der Parteien zu schützen. Denn die bestimmen nicht nur, wer Bund, Länder und Kommunen in den Aufsichtsgremien vertritt, sondern nehmen über die Ministerpräsidentenkonferenz auch noch Einfluss darauf, wer für gesellschaftliche Interessenorganisationen im Fernseh- und Verwaltungsrat sitzt.
Unabhängig davon sind die Vertreter der Religionsgemeinschaften: Marlehn Thieme vom Rat der Evangelischen Kirche (EKD) und Hans Ulrich Anke, Präsident des EKD-Kirchenamts, sowie die Leiterin des Katholischen Büros in Schleswig-Holstein, Beate Bäumer, und der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, P. Hans Langendörfer SJ. Hinzu kommt Salomon Korn, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden. Doch Einfluss im ZDF-Fernsehrat ausüben können auch Johannes Stockmeier und Prälat Peter Neher, die Präsidenten des Diakonischen Werks bzw. des Deutschen Caritasverbands. Sie haben ihre Plätze als zwei der vier Repräsentanten der Freien Wohlfahrtspflege.
Aber wie soll die ambitionierte Vorgabe des Gericht umgesetzt werden, den Vertrag bis Mitte 2015 auf neue Füße zu stellen? Dass bei den jetzt beginnenden Debatten die Frage gestellt wird, wie künftig die Religionen vertreten sein werden, liegt auf der Hand. Ob nach dem Vorbild des 2013 von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verabschiedeten neuen SWR-Staatsvertrags ein Platz für einen muslimischen Vertreter geschaffen werden soll, wollte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) unmittelbar nach der Urteilsverkündung nicht beantworten. Schnelle konkrete Festlegungen sind politisch oft kontraproduktiv.
Die Änderung im Südwesten war damit verbunden, dass zwar bei den beiden Landeskirchen und Bistümern in Baden-Württemberg der status quo erhalten blieb, die Evangelikalen aber ihren Platz im Rundfunkrat räumen mussten - was die Protestanten nicht erfreute. Würde in Mainz ein Platz für Muslime geschaffen, entstünden vielleicht rechtliche Probleme: Denn wer ist Ansprechpartner für den Islam, welche Gruppe entsendet einen Vertreter, wie will man damit umgehen, wenn die verschiedenen islamischen Richtungen auch voneinander abweichende personelle Vorstellungen haben? Solch schwierige Debatten sind aus anderen Bereichen bereits bestens bekannt.
Richter Reinhard Gaier merkte in der Verhandlung unter Bezug auf ein Zitat des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff an: «Wenn der Islam in Deutschland angekommen ist, so ist er im ZDF-Fernsehrat jedenfalls noch nicht angekommen.» Doch wie die Beheimatung von Juden, Christen und Muslimen im ZDF-Fernsehrat aussehen könnte, ist völlig offen.
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