Artikel Mittwoch, 31.10.2012 |  Drucken

Grußwort des KRM Sprechers Erol Pürlü anlässlich der Eröffnung des Zentrums für islamische Theologie Münster/Osnabrück

Grußwort des KRM Sprechers Erol Pürlü anlässlich der Eröffnung des Zentrums für islamische Theologie Münster/Osnabrück
am 30.10.2012


Sehr geehrte Frau Ministerin Schavan,
Sehr geehrte Frau Ministerin Wanka
Sehr geehrte Frau Ministerin Schulze
Sehr geehrter Herr Generalkonsul Tosyali,
Sehr geehrte Vorsitzende und Vertreter der islamischen Religionsgemeinschaften DITIB, Islamrat, VIKZ und ZMD,
Sehr verehrte Professoren
Meine sehr verehrten Damen und Herren,


auch ich möchte mich für die Einladung zu dieser Eröffnungsfeier des Zentrums für Islamische Theologie Münster/Osnabrück bedanken.
„Der Islam ist ein Teil Deutschlands.“ Dieser Satz, den der damalige Bundesinnenminister Dr. Schäuble im Jahre 2006 äußerte, war mutig und zukunftsweisend.

Ich danke hier an dieser Stelle noch einmal unserer Bundeskanzlerin, die nach divergierenden Debatten in der Öffentlichkeit deutlich hervorgehoben hat, dass sowohl der Islam als auch die Muslime ein Teil dieser Gesellschaft sind und zu diesem Land gehören.

Muslime selbst haben längst Deutschland zu ihrem Lebensmittelpunkt gewählt und betrachten es als ihre Heimat, in der sie neue Wurzeln geschlagen haben.
Die Erkenntnis, dass der Islam ein Teil Deutschlands ist, hat die Gesellschaft, Politik und Muslime vor neue Herausforderungen gestellt. Ein Teil Deutschlands zu sein bedeutet, nicht nur eine Anerkennungs- und Willkommenskultur gegenüber der religiösen und kulturellen Vielfalt walten zu lassen, sondern auch die religionsverfassungsrechtliche Eingliederung der neuen Religion in die hiesige Gesellschaft zu fördern und zu gewährleisten. Daher ist die strukturelle

Integration des Islam eine der herausfordernden gemeinsamen Aufgaben des Staates und der islamischen Religionsgemeinschaften.
Muslime wollen dabei keine Sonderrechte. Sie wollen im Rahmen der bestehenden Gesetze ihre Rechte und Pflichten wahrnehmen und mit anderen eingesessenen Religionsgemeinschaften wie die Kirchen und das Judentum gleichgestellt werden. Dass dies möglich ist, zeigen uns die Stadtstaaten Hamburg und Bremen.
Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren,
von diesen religionsverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen hängt die Kooperation des Staates mit den islamischen Religionsgemeinschaften ab und davon viele Sachen wie der islamische Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, die Anstaltsseelsorge, die Vertretung in Rundfunkgremien, aber auch die Verortung des Islam an deutschen Hochschulen, dessen Eröffnung wir heute in Münster feiern.
Der Wissenschaftsrat hat im Jahre 2010 weise empfohlen, allgemein Theologien und religionsbezogene Wissenschaften an deutschen Hochschulen weiterzuentwickeln und speziell als Newcommer die islamische Theologie an deutschen Hochschulen zu etablieren, um der religiösen Pluralität in Deutschland gerecht zu werden.

Ihr Ministerium Frau Dr. Schavan hat dankenswerterweise durch die finanzielle Förderung die Einrichtung derartiger Lehrstühle an unterschiedlichen Standorten in Deutschland ermöglicht.
Noch befinden sich diese Einrichtungen in der Aufbauphase. Für die umfängliche Etablierung der islamischen Theologie mit ihren komplexen Disziplinen braucht es noch seine Zeit, denn wir haben kaum deutschsprachige muslimische Theologen, Quranwissenschaftler, Hadithwissenschaftler oder islamische Rechtsgelehrte im Lande.

Wir dürfen uns daher nicht davor scheuen, auf Hilfe, Unterstützung und Erfahrung der islamischen Theologien aus den Herkunftsländern der Muslime zurückzugreifen. Die islamische Theologie in deutscher Sprache muss zuvorderst auf ein solides Fundament gestellt werden, damit später Forschung überhaupt gelingen kann.
Denn Theologie ist ein sehr sensibles Thema. Theologie ist nicht irgendeine Wissenschaft, sondern eine Wissenschaft, die sich durch die Quellen ihrer Religion legitimiert und definiert. Die primäre Aufgabe der islamischen Theologie wird meines Erachtens sein islamische Religionslehrer für den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen auszubilden. Die Basis muss erst dort abgeholt werden, wo sie sich befindet. Es ist wichtig den hierlebenden Muslimen eine religiöse Sprache in Deutsch an die Hand zu geben, mit der sie sich unmissverständlich in dieser unserer Gesellschaft zu Recht finden können. Eine Theologie die sich von der Basis abhebt, kann weder diese erreichen, noch kann es vertrauensschaffend sein.
Daher tragen muslimische Gelehrte der islamischen Theologie, aber nicht nur diese, große Verantwortung. Sie sind Ärzte, wie es einmal der Hadithgelehrter Amesch gegenüber Imam Azam Abu Hanifa äußerte, als er von ihm einen Rat einholte, und gesagt bekam, dass der Rat auf ein von Amesch selbst überliefertes Hadith zugrunde lag. Amesch sagte voller Bewunderung: „Ihr Fiqhgelehrte, Gelehrte der islamischen Jurisprudenz, seid professionelle Ärzte und wir Hadithgelehrte sind wie die Apotheker. Wir kennen die Hadithe und deren Überlieferer und ihr kennt ihre Bedeutungen.“, im Sinne ihre Interpretationen.

„Yarim doktor candan, yarim hoca imandan eder.“ „Halber Arzt bringt dich ums Leben und ein halber Gelehrter bringt dich von deinem Glauben ab.“ ist ein Ausspruch in unserer türkischen Kultur, mit dem nicht nur die Bedeutung des Wissens, sondern auch die Verantwortung in der islamischen Gelehrsamkeit betont werden soll.

Als Schützer und Beschützer der Lehre sind die Religionsgemeinschaften gefragt, jeder in seinem Bereich, sei es evangelisch, katholisch, jüdisch oder islamisch. Denn die Trennung von Staat und Religion in Deutschland erfordert es, damit hier keine Instrumentalisierung der Religion stattfindet oder so etwas entsteht wie eine staatlich geregelte Religion.

Im Kontext islamischer Theologie hat der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen namentlich den Koordinationsrat der Muslime als Ansprechpartner genannt.
Leider müssen wir als Muslime und islamische Religionsgemeinschaften immer wieder feststellen, dass wir allzu oft mit Konstruktlösungen konfrontiert und vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Sei es im Bereich des islamischen Religionsunterrichts oder auch im Bereich der Hochschule. Dies ist einer konstruktiven Zusammenarbeit unzuträglich. Heute eröffnen wir den Lehrstuhl für islamische Theologie in Münster vorbehaltlich der Zustimmung des Beirats, der als Platzhalter für die islamische Religionsgemeinschaft dient. Christlich-theologisch würde man sagen, dass der Beirat noch seinen Segen erteilen muss, islamisch gesehen seine Idschaza aussprechen. Osnabrück hingegen kooperiert direkt mit den islamischen Religionsgemeinschaften Schura und Landesverband DITIB in Niedersachsen. Wir sind guter Hoffnung, dass es uns in den kommenden Gesprächen gelingen wird, hier zu einer Lösung zu kommen.

Ein Prophet kann sich leisten, ohne eine Gemeinde vor Gott zu treten. Aber eine Islamische Theologie, so meine ich, hat dann ihr Ziel verfehlt, wenn ihr die Studenten ausbleiben. Damit das nicht passiert sind Religionsgemeinschaften wichtige Vermittler und Vertrauenspartner, die die Basis erreicht.
Dass hier sich viele Studenten angemeldet haben und interessiert sind, hängt auch davon ab, dass die islamischen Religionsgemeinschaften dahinter stehen.
Islamische Religionsgemeinschaften in diesem Lande müssen ernst genommen werden und die Weichen für eine faire Islampolitik muss jetzt beginnen, damit wir nicht im Nachhinein nach Jahren wie in der Integrationsdebatte geschehen über unsere Versäumnisse und Fehlverhalten diskutieren müssen.
Ich wünsche dem Zentrum für Islamische Theologie gutes Gelingen.
Möge Allah Sie auf ihrem Weg leiten und begleiten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.




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