Erdogan legt Mubarak Rücktritt nahe und Merkel ruft zum Dialog auf
Türkei als Vorbild mit Führungsoption für arabische Staaten – «Das ägyptische Volk will eine Demokratie wie in der Türkei»
Diplomatisch verpackt legt der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan Präsident Husni Mubarak einen Rücktritt nahe. Das ägyptische Volk traue dem bisherige System nicht mehr, wenn es um schnelle Schritte zum Aufbau einer Demokratie gehe, sagte Erdogan.
Der Ministerpräsident hat die Proteste mehrere Millionen Ägypter gebannt vor dem Fernsehschirm verfolgt. «In der Nacht habe ich bis in die späten Stunden zugeschaut», sagt der Regierungschef während einer Auslandsreise in Kirgistan.
Erdogan soll die Opposition in Kairo sehr unterstützt haben, berichten türkische Medien. «Wir sind alle sterblich», sagte Erdogan unterdessen an den 82-jährigen Mubarak gerichtet. «Zu unserem Vermächtnis werden wir dann Rede und Antwort stehen.»
Kanzlerin Angela Merkel hat Ägyptens Präsident Mubarak aufgefordert, friedliche Demonstrationen zuzulassen und die Attacken zu beenden. Sie habe ihm am Telefon gesagt, dass er für die Sicherheit verantwortlich sei, sagte Merkel bei einer Pressekonferenz in Madrid. Mubarak müsse den Dialog mit den Regierungsgegnern sofort beginnen.
Für die Zeit nach Mubarak bietet sich die Türkei aktiv als Vorbild für Ägypten, aber auch andere arabische Staaten der Region an. Während in mehreren Staaten Proteste gegen autoritäre Regime angelaufen sind und die politischen Führer nervös Reformen versprechen, haben türkische Politiker die Rolle ihres Landes als Modell für die Nachbarschaft ins Spiel gebracht.
In der Türkei gibt es eine ganz überwiegend muslimische Bevölkerung, die nach westlichen Lebensstandards strebt und in den vergangenen Jahren unter einer islamisch-konservativen Regierung ein kräftiges Wirtschaftswachstum und wesentlich mehr Freiheit erfahren konnte. Nun hat auch die türkische Demokratie nicht ohne Reibereien, erbitterte Machtkämpfe, Verletzungen der Pressefreiheit, Angriffe auf politische Gegner und Menschenrechtsverletzung funktioniert. Minderheiten wurden vertrieben. Der Kurden-Konflikt ist ungelöst. Mehrfach putschte das Militär. Und Atatürk konnte seine gesellschaftlichen Reformen nach dem Ende des Osmanischen Reiches oft nur mit dem Knüppel durchsetzen.
Doch erscheine vielen Arabern eine Demokratie auf dem Stand der heutigen Türkei als eine erstrebenswerte Erfolgsgeschichte, heißt es aus der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP. «Das ägyptische Volk will eine Demokratie wie in der Türkei», sagt der AKP-Vizevorsitzende Ömer Celik, ein enger Berater des türkischen Regierungschefs.
Strebt Türkei Führungsrolle im Nahen Osten an
Die Türkei selbst positioniert sich nun für eine Führungsrolle im Nahen und Mittleren Osten. US-Präsident Barack Obama hat Erdogan angerufen, um mit ihm die Lage in Ägypten und der arabischen Welt zu beraten.
Laut Nachrichten drängt nun auch US-Präsident Barack Obama Mubarak, angesichts der Massenproteste in seinem Land einen sofortigen und geordneten Übergang zu einer neuen Regierung einzuleiten. Obama telefonierte am Dienstagabend eigenen Angaben zufolge nach Mubaraks Rede an die Nation mit dem 82-jährigen Staatschef. Der Protestbewegung, die zuvor allein in Kairo eine Million Demonstranten gegen Mubarak mobilisiert hatte, versicherte er: „Wir hören eure Stimmen."
In einer Pressekonferenz im Weißen Haus soll Obama den Abgang im September wohl nicht für früh genug befunden haben. Mubarak habe in dem Telefonat selbst eingesehen, „dass der Status quo nicht aufrechtzuerhalten ist und dass ein Wandel stattfinden muss".
Unterdesse betet der US-Präsident nach eigenen Angaben für Frieden in Ägypten. Er wünsche sich, dass die Hoffnungen der Menschen Wirklichkeit werden, "und dass für Ägypten und die Welt bessere Tage anbrechen", sagt Obama in Washington beim Nationalen Gebetsfrühstück, bei dem der Präsident traditionell mit führenden Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft Glaubensfragen diskutiert. Die USA hatten die Gewalt in Ägypten scharf verurteilt und die Regierung in Kairo aufgerufen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
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