Newsnational Montag, 17.05.2010 |  Drucken

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„Vertrauen verspielt und Islamkonferenz abgewertet“

Begleitet von heftiger Kritik durch Politik und muslimische Verbände hat die Islamkonferenz II heute getagt – Stellungnahmen von SPD, LINKE, GRÜNE, FDP und CSU

Zur zweiten Runde der Deutschen Islamkonferenz sind am Montag nur Vertreter etwa der Hälfte der Moscheegemeinde in Deutschland sowie von Bund und Ländern in Berlin zusammengekommen. Nicht dabei waren wichtige muslimische Organisationen in Deutschland wie der Zentralrat und der Islamrat.

Die Konferenz war überschattet von der Absage des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD). Generalsekretär Aiman Mazyek sagte MDR INFO: "Wir haben ein Interesse, dass die Islamkonferenz ein Erfolg wird." Nur sei sie konzeptionell und strukturell vollständig vom Innenministerium vorgegeben. Es sei keine Perspektive zu erkennen, wie es langfristig zu einer Anerkennung des Islams in Deutschland kommen soll.“ (siehe vollständiges Radio-Interview unten)

Der stellvertretende SPD-Parteivorsitzende und Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, kritisierte dies scharf: “Die heute stattfindende Islamkonferenz ist kein Signal in die Zukunft. Zu viele handwerkliche Fehler im Vorfeld und eine dilettantische Vorbereitung erwecken den Eindruck, dass Innenminister de Maizière bereit ist, ein Scheitern in Kauf zu nehmen. Das Treffen scheint ihm nicht wichtig genug zu sein, sonst hätte er es zur Chefsache erklärt und ein größeres Augenmerk auf ein Zusammenführen der verschiedenen Positionen gelegt. Die Ausladung des gesamten Islamrats, weil gegen einige Funktionäre strafrechtliche Ermittlungen laufen, war nicht zielführend. Auch beim unwürdigen wochenlangen Gezeter um die Teilnahme des Zentralrats der Muslime hat sich der Innenminister nicht als Brückenbauer gezeigt. Er hat unnötig Vertrauen verspielt. “Verantwortungsvolle Politik für das große Ganze sieht anders aus“ und weiter: “Innenminister de Maizière aber schließt aus und verfährt nach dem Prinzip: Ich entscheide, wer Gesprächspartner von muslimischer Seite ist. Das ist ein klarer Rückschritt.“

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), hofft jedoch auf eine baldige Rückkehr des Zentralrates der Muslime zur Islamkonferenz.
Berlin Innensenator Erhard Körting will persönlich vermitteln, damit das Innenministerium Gespräche mit den Islamrat wieder aufnimmt.

Bündnis90/Grüne

Deutliche Worte findet auch Grünen-Chef Cem Özdemir. "Die Konferenz steht unter einem schlechten Stern, seit Thomas de Maizière das Innenministerium übernommen hat. Unter seinem Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble waren wir in der Integrationsdebatte schon weiter." De Maizière habe das Thema "heruntergestuft". Das habe zu einem schlimmen Effekt geführt: "Alle Leute, die daran beteiligt waren, sind mit Schäuble gegangen. Ich habe den Eindruck, dass de Maizière den 2006 begonnenen Dialog als lästiges Erbe empfindet, als steiniges Feld, auf dem es viel Ärger, aber wenig zu gewinnen gibt."

DIE LINKE

DIE LINKE fordert die Anerkennung des Islams als Religionsgemeinschaft und ein gleichberechtigtes Zusammenleben der Religionen. DIE LINKE beschloss gestern auf ihrem Parteitag in Rostock, die Diskriminierung von Muslimen und wachsende Islamfeindlichkeit zu bekämpfen. Die heutige Tagung der Islamkonferenz kritisiert die Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz, Mitglied im Parteivorstand der Partei DIE LINKE: Innenminister Thomas De Maizière (CDU) torpedierte den Dialog - nicht die muslimischen Verbände. De Maizières Entscheidung, auch bei der zweiten Islamkonferenz die Debatte über „Terrorismus und Extremismus“ statt über Islamfeindlichkeit ins Zentrum zu stellen, ist falsch und fahrlässig. Er brüskiert die muslimischen Verbände und nimmt ihre Sorgen über wachsende Islamfeindlichkeit nicht ernst.

Der Zentralrat der Muslime hat sich zu Recht entschieden, an der Polit-Show der CDU nicht teilzunehmen. Eine Islamkonferenz ohne die Hälfte der muslimischen Verbände ist eine Farce. Die Diskussion über steigende Diskriminierung, Islamfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus ist dringend notwendig. Jeder dritte Muslim und jede dritte Muslimin waren in den letzten zwölf Monaten einer Diskriminierung ausgesetzt, besonders im Arbeitsleben, so die Studie der EU zu Minderheiten und Diskriminierung über Muslime in Europa.

FDP und CSU

"Der Zentralrat hat ein Eigentor geschossen", sagte Serkan Tören, integrationspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und auch TGD-Vorstandsmitglied, der als einziger Migrantenverband (siehe auch Kommentar dazu unten von Barbara John) auch versucht für die Moscheegemeinen zu sprechen. Tören wies darauf hin, dass der Zentralrat hinsichtlich des Kopftuchverbots oder der Befreiung muslimischer Mädchen vom Sportunterricht konservative Positionen vertritt.
Die FDP begrüßte die „Neuausrichtung der Islamkonferenz“. Der innen- und rechtpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Stephan Mayer, sagte, die Islamkonferenz ermögliche die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen allen Beteiligten, die auf dem Boden der freiheitlichen Grundordnung stünden.


Lesen Sie dazu auch:
Ein Zwischenruf zur Islamkonferenz von Barbara John: "Gipfel der Abwesenden"
DIK nur mit Ja-Sager

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