Newsnational Freitag, 19.03.2010 |  Drucken

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Über Islamkritiker, Islamhasser und die Islamkonferenz-Kritik – Von Aiman A. Mazyek

Die Allermeisten tun sich leicht mit der Kritik an Muslimen, doch wenn diese ihrerseits kritisieren ist das für einige unerhört – Warum?

Will einer allen Ernstes behaupten, an der chronischen Arbeitslosigkeit, der Zunahme globaler Konflikte und nicht zuletzt an der Finanz- und Klimakatastrophe sei alleine El-Kaida Schuld? Nur ein Narr würde dies (im Rahmen einer kabarettistischen Einlage) behaupten. Wie erfolgreich man damit dennoch sein kann, zeigt der jüngste Wahlerfolg des Muslimhassers Geert Wilders in den Niederlanden, der mit seinem imaginären Plakat „Schuld an allem ist der Islam“ Politik macht.

Eine überaus wirksame Methode dieser Leute besteht darin, Islam und Terror in einem Atemzug zu nennen und die sowohl sachlich wie intellektuell gebotene Trennschärfe beider Themen einfach zu unterlaufen. Mit Meinungsfreiheit hat das bedingt zu tun. Es ist billige Polemik und dient allenfalls der radikalen Rechten als Argumentationsfutter für ihre Hetze gegen die Muslime.

Dabei scheint nur noch wenige wirklich zu interessieren, was die die Muslime tatsächlich denken und glauben. Und wenn, dann beantworten diese Fragen meist so genannte Islamkritiker mit ihrer schrillen Überzeichnung eines Muslims als Scharia-Monster. Dahinter steckt eine ideologische auf pauschale Abrechnung mit dem Islam ausgehende Haltung und zahlreiche Vorurteile, welche den Muslim als potentiell gefährlich und rückständig erklärt.


Vom Einzelfall auf den ganzen Islam schließen – Wie die Tricks von Muslim-Bashing funktionieren

Die verwendeten Tricks, wie sie z.B. die Islamkritikerin Necla Kelek einsetzt und einer wissenschaftlichen Überprüfung folglich nicht standhalten, gehen so: Themen wie Zwangsehe oder die sog. Ehrenmorde werden zwangsislamisiert und die Singularität dieser abscheulichen Taten einfach abgestritten, um sie schließlich generell auf Muslime und den Islam zu übertragen. Das ist so, als würde man den jetzt bekannt gewordenen sexuellen Kindesmissbrauch einiger Priester den Christen als ganzes anlasten oder sogar mit der christlichen Lehre zu begründen versuchen. Eine absurde Konstruktion. Eine aber von Islamkritikern oft angewandte Analogie im Kontext des Islam, für die sie nicht selten Beifall und Aufmerksamkeit erfahren.

Aus Kreisen einer deutschen großen politischen Stiftung ist einmal der Satz gefallen: „Der Islam ist viel zu wichtig, als dass wir ihn den Muslimen alleine überlassen sollten“. Die Folge davon ist, dass die Lautesten und Schrillsten ihre Deutungsmacht reklamieren und Definitionshoheit in Sachen Islam beanspruchen. Dazu gehört übrigens auch eine Al-Kaida. Und so ergibt sich ein abstruses Bild über „Den Islam“ in der Öffentlichkeit, welches weitestgehend von zwei Extremen bestimmt wird: Auf der eine Seite die Islamhasser mit ihren furchteinflößenden Bildern und auf der anderen Seite die fanatischen Terror-Aufrufe à la Bin Laden mit seinen Mordgesellen. Beide Seiten profitieren voneinander und sind alleine kaum überlebensfähig, weil das jeweilige andere Extrem als Folie für die eigenen Vorurteile dient. Die Mitte bleibt einmal mehr auf der Strecke. Die Haltung derer, die mehrheitlich auf beide Extreme pfeift und einen selbstverständlichen Glauben und damit einen moderat ausgerichteten Islam tagtäglich leben und praktizieren, fällt weitgehend unterm Tisch.


Muslime als Sündenböcke

Und wenn die Muslime dann, nicht zuletzt auch wegen der oben beschriebenen extremem Gemengelage, die Zunahme des Altagsrassismus, den Hass gegen die wachsende Islamfeindlichkeit offen beklagen, wird ihnen entgegnet: Es gibt keine Islamfeindlichkeit, es gibt nur Islamisten.

Angesichts der Schieflage dieser Debatte beschleicht einen hierzulande das Gefühl, dass diese Art der Auseinandersetzung auch taktischer Natur sein könnte, vielleicht auch, um von wirklich existentiellen Problemen abzulenken. Ein Thilo Sarrazin schäumt über Hartz IV Empfänger und verunglimpft Gemüsehändler in Berlin/Kreuzberg. Was haben der Banker und seine Zunft an Lösungen zur Abwendung der nächsten Weltwirtschaftskrise zu bieten? Wird hier Türken- und Araberbashing betrieben, um von Versäumnissen der Hohen Priester des Finanz-Kapitals abzulenken?


Deutsche Islamkonferenz grundlegend überarbeiten

Doch wen kümmert´s? Solange dies nur die Betroffenen alleine bemerken, glaubt man, unentdeckt zu bleiben. Und so meint heute kaum ein Streitgespräch oder Fernsehtalk zum Thema Islam ohne diese Islamkritiker mehr auskommen zu können Auch in der neuen Runde der Deutschen Islamkonferenz (DIK) werden sie nicht fehlen, so als ob unsere Verfassung und die Spielregeln unserer Demokratie nicht ausreichend Korrektiv solcher Gespräche sind.

Doch das angebliche Korrektiv dieser Islamkritiker wird vor allem zu einem führen: zum Erstickungstod jedes konstruktiver Gesprächs zwischen Muslimen und staatlichen Stellen. Dem Islam ablehnend eingestellte Personen erhalten bei einer Neuauflage der DIK zusätzlich Aufwertung durch das staatliche Protokoll. Dadurch werden die Religionsgemeinschaften nicht nur relativiert, sondern schlussendlich werden Gespräche auf Augenhöhe zwischen islamischer Gemeinde und Staat ad absurdum geführt. Die islamischen Religionsgemeinschaften gehen aber vom Gedanke der Gleichberechtigung und Gleichstellung zu den christlichen Konfession und der jüdischen Gemeinschaft aus. Sie wollen weder eine Sonderrolle zugewiesen bekommen noch Extrawurst spielen, sondern wollen ausschließlich auf ihre vom Grundgesetz verbrieften Rechte nicht verzichten.

Der Koordinierungsrat der Muslime (KRM), der knapp 80 Prozent der Moscheegemeinden in Deutschland vertritt, würde gerne die Chance der Islamkonferenz nutzen, um mit den restlichen 20 Prozent Einvernehmen zu erzielen und endlich nach so vielen Jahren vergeblichen Mühens die ersten Schritte einer institutionellen Integration des Islam auf der Basis des deutschen Religionsverfassungsrechts gehen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) scheint bis jetzt dazu nicht bereit zu sein. Er will ein vom Staat organisiertes Diskussionsspektakel und die Themen und Spielregeln dieses Spektakels alleine bestimmen, die oft kulturalistische Ansätze verfolgen (siehe Wertedebatte). Dabei hievt er Einzelpersonen und Islamkritiker in den Stand von Islamvertretern und lädt einfach ganze Moscheegruppen aus. Beide Konzepte sind schwer miteinander vereinbar. Darum geht es auch im Kern im gegenwärtigen Streit zwischen dem KRM und dem Bundesinnenministerium. Inwieweit dabei die Neutralität des Staates Schiffbruch erleidet, steht dabei noch auf einem anderen Blatt.

Quelle: Dies ist eine leicht überarbeite und längere Version, die ursprünglich gestern (18.03.10) in der Süddeutschen Zeitung erschienen ist


Lesen Sie dazu auch:
Deutsche Islamkonferenz - Ein Instrument des hegemonialen Diskurses gegenüber Muslimen? Von Mustafa Yeneroğlu (IGMG)
IZ: "Das ist ein Diktat, kein Dialog"

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