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Dienstag, 22.09.2009 | Drucken |
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Die Elite machts vor
Umstrittene Aussage eines Richters stellt das staatliche Neutralitätsgebot in Frage - Von Maryam Weiß
Wenn die führende Elite in unserem Land mit schlechtem Vorbild vorangeht, dürfen wir uns nicht wundern, wenn dann weniger gebildete Menschen dieses auf Ungleichheit basierende Bild im Alltag in die Praxis umsetzen und meinen noch richtig zu handeln. Der täglich erlebte Alltagsrassismus, dem sich die muslimischen Frauen ausgesetzt sehen, ist leider ein beredetes Beispiel dafür.
Aber der Reihe nach: Im Rahmen einer Landeskirchlichen Veranstaltung am 02.09.09 in Münster gab der oberste Verfassungsrichter Nordrhein-Westfalens, Michael Bertrams, Bemerkenswertes von sich.
Bemerkenswert deshalb, weil er nicht nur die Urteilsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts in Frage stellte, sondern weil er - was noch schlimmer ist - das staatliche Neutralitätsgebot, einen Pfeiler unseres säkularen Prinzips, umdefiniert sehen möchte.
Einer Pressemeldung zufolge (siehe erster Link) sagte Bertrams, nachdem er die Behauptung aufgestellt hatte, der Islam weise Frauen in nahezu allen Lebensbereichen einen niedrigeren Rang zu als dem Mann, zum Thema Kopftuch im Schuldienst: "Eine muslimische Lehrerin, die auf dem Tragen des islamischen Kopftuchs beharrt, bekennt sich deshalb nicht ohne Vorbehalt und widerspruchsfrei zu unserer Verfassung und unseren Werten" und sei daher für den Beruf der Lehrerin an staatlichen Schulen nicht geeignet.
Mit diesen Äußerungen ignoriert Herr Bertrams nicht zum ersten Mal das "Kopftuch-Urteil" (siehe zweiter Link), in dem das Bundesverfassungsgericht klarstellte, dass es dem Staat (und damit auch einem Richter) nicht zusteht, über den Bedeutungsinhalt des Kopftuches zu urteilen. Dass zweitens das Kopftuch nicht auf ein Zeichen gesellschaftlicher Unterdrückung verkürzt werden darf und Drittens: das Kopftuch - anders als das Kreuz - nicht aus sich heraus ein religiöses Symbol ist, sondern es allenfalls im Zusammenhang mit dem Verhalten der Person, die es trägt, dazu werden kann
Auch das staatliche Neutralitätsprinzip scheint Herr Bertrams mit völlig anderen Augen zu sehen, als es das Bundesverfassungsgericht tut. Er fordert eine „qualifizierte Partnerschaft“ des Staates mit den christlichen Kirchen, d.h. die ausdrückliche staatliche Unterstützung christlicher Werte - und ausschließlich dieser - in der Schule.
Solcherlei Bestrebungen hat das Bundesverfassungsgericht im schon genannten Urteil eine deutliche Absage erteilt und die staatliche Neutralität klar definiert: Der Staat darf keine gezielte Beeinflussung in Richtung einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung
Zum grundsätzlichen Verhältnis von Staat und Kirche befragt, sagte Herr Bertrams, die Kirche dürfe ihre Botschaft und Ordnung nicht den „jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen" überlassen. Diese Auffassung ist aus Sicht einer Religionsgemeinschaft verständlich und wird von der im Grundgesetz garantierten Religionsfreiheit gedeckt. Dass Herr Bertrams allerdings einerseits diese Forderung für seine eigenen Glaubenbrüder erhebt, die gleiche Auffassung andererseits bei Muslimen aber als nicht kompatibel mit dem Grundgesetz darstellt, ist nicht nur grotesk, sondern angesichts seiner beruflichen Position unerträglich.
Im Februar dieses Jahres trat der Verkehrsminister in NRW übrigens zurück, weil er sich nicht an Tempolimits gehalten hatte, nicht etwa, weil er die Straßenverkehrsordnung an sich abgelehnt hätte. Offensichtlich gelten für Verfassungsrichter aber andere Maßstäbe.
Die Autorin des Artikels ist im Vorstand des ZMD und Sprecherin der ISGG (www.isgg.de)
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