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Donnerstag, 04.06.2009 | Drucken |
Krise der Menschenrechte - ai warnt vor „gewalttätigen Ausschreitungen großen Ausmaßes“
Weltfinanzgipfeln und die Doppelmoral in Menschenrechtsfragen – Deutschland und westliche Länder kritisiert
Die weltweite Wirtschaftskrise wird nach Einschätzung von Amnesty International auch negative Folgen auf die Menschenrechte haben. Infolge von steigender Armut und weiteren sozialen Konflikten könnte in vielen Ländern die staatliche Unterdrückung zunehmen, warnt die Menschenrechtsorganisation in ihrem neuen Jahresbericht.
„Die Ärmsten sind am stärksten von der Weltwirtschaftskrise betroffen, aber alle Gedanken und Investments sind auf die Rettung der westlichen Volkswirtschaften und des Bankensystems gerichtet. Menschenrechte rangieren nur noch unter ferner liefen.“ sagte Amnesty-Generalsekretärin Irene Khan gegen Spiegel.de.
Amnesty zufolge wird derzeit in mehr als der Hälfte von 157 beobachteten Staaten gegen grundlegende Menschenrechte verstoßen. Auch innerhalb der Europäischen Union werde noch in zwölf Ländern von Behörden gefoltert und misshandelt.
Die Menschenrechtslage wird sich nach Ansicht von Amnesty International durch die Wirtschaftskrise verschärfen. Die Rezession wird laut Amnesty-Jahresbericht 50 bis 90 Millionen Menschen zusätzlich in die Armut treiben. Arm zu sein bedeute, keinen Zugang zu Bildung und permanent Angst vor willkürlicher Gewalt zu haben.
"Nicht nur eine Wirtschaftskrise, sondern eine Krise der Menschenrechte." So lautet das Motto, unter das die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) ihren diesjährigen Report gestellt hat.
ai warnt vor „gewalttätigen Ausschreitungen großen Ausmaßes“
Amnesty-Generalsekretärin Irene Khan warnte vor «gewalttätigen Ausschreitungen großen Ausmaßes», wenn infolge der Krise grundlegende Rechte missachtet würden. «Wir sitzen auf einem Pulverfass von Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Unsicherheit, das jeden Augenblick explodieren kann.» Außerdem werde die Krise zur Folge haben, dass noch mehr Afrikaner die lebensgefährliche Flucht über das Meer nach Europa wagen.
Der Großteil der Weltbevölkerung wohne heute in den Städten, und mehr als eine Milliarde dieser Menschen lebe in Slums. "Anders gesagt: Jeder dritte Stadtbewohner lebt in unzureichenden Wohnverhältnissen ohne ausreichenden Zugang zu öffentlichen Versorgungseinrichtungen und ist ständig von Zwangsräumung, Unsicherheit und Gewalt bedroht", so Khan
Kritisch äußerte sich Amnesty insbesondere auch zur Lage in großen Schwellenländern wie China, Brasilien oder Indien, die als Folge der Krise immer enger in die internationale Politik einbezogen werden. Khan hielt den G-20-Staaten, die bei den bisherigen zwei «Weltfinanzgipfeln» dabei waren, eine «Doppelmoral in Menschenrechtsfragen» vor. Beispielsweise würden in neun G-20-Ländern - darunter China und die USA - noch immer Menschen hingerichtet.
In der Volksrepublik gebe es auch ein Dreivierteljahr nach dem Ende der Olympischen Spiele «keine spürbaren Verbesserungen». Dort werde Kritik an Regierung oder Behörden weiterhin «vehement» unterdrückt. Als weitere Länder mit Negativ-Urteil stellte die Organisation Afghanistan, Birma, Israel, den Sudan, Sri Lanka und Kolumbien heraus. Als Beispiele für EU-Staaten, in denen Behörden missbräuchlich Gewalt anwenden, wurden Italien und Spanien genannt.
Auch Deutschland schiebe in Länder ab, in denen Folter und Verfolgung drohten. Zugleich kritisierte Amnesty, dass deutsche Behörden im Kampf gegen den Terrorismus auch Erkenntnisse nutzten, die mit Folter erpresst wurden. Der Leiter des EU-Büros von Amnesty, Nicolas Beger, forderte die Bundesregierung erneut auf, unschuldige Terrorverdächtige aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo aufzunehmen. «Das politische Tauziehen, das wir hier seit Wochen in Deutschland erleben, ist eines Rechtsstaates unwürdig.»
Die bisherige Arbeit des neuen US-Präsidenten Barack Obama beurteilte Amnesty mit «gemischten Gefühlen». Bislang sei erst ein einziger Gefangener aus Guantánamo entlassen worden. Zugleich würden im US-Lager Bagram in Afghanistan weiterhin Hunderte von Terrorverdächtigen unter ähnlichen Bedingungen inhaftiert.
Recht auf Nahrung ist Menschenrecht
In Nordkorea beschränkten die Behörden gezielt die Annahme von Lebensmittelhilfe aus dem Ausland, um die Bevölkerung durch Hunger politisch gefügig zu machen", so Khan.
Der empörendste Fall der Verweigerung des Rechts auf Nahrung sei im Jahr 2008 die Entscheidung der Behörden von Birma gewesen, drei Wochen lang keine internationalen Hilfslieferungen zu den 2,4 Millionen Überlebenden des Zyklons "Nargis" gelangen zu lassen.
Zu hohen Lebensmittelpreisen komme die Entlassung Hunderttausender Arbeitsmigranten, weil die wirtschaftliche Dynamik der exportabhängigen Volkswirtschaften erlahme und der Wirtschaftsprotektionismus wieder an Boden gewinne.
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