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Freitag, 27.02.2009 | Drucken |
"Lebendig begraben" - Guantánamo-Häftlinge hoffen bisher vergeblich auf Hilfe der EU
EU-Staaten fürchten Klagen von Ex-Gefangenen, wie sie jetzt Großbritannien bevorstehen
Fünf Jahre seines Lebens verbrachte der Algerier Ahmed Belbacha in einer fensterlosen Einzelzelle im Gefangenenlager Guantánamo, bis dem US-Militär seine Unschuld klar wurde. Im Februar 2007 sandte die Armee eine Mail an die Menschenrechtsorganisation Reprieve. Darin stand: «Ihrem Klienten wurde genehmigt, Guantánamo zu verlassen». Zwei Jahre später sitzt der 40-Jährige immer noch in dem Militärgefängnis auf Kuba, das wegen seiner menschenverachtenden Verhörmethoden weltweit kritisiert wird. Der Grund klingt so einfach wie unglaublich: Außer seiner Heimat Algerien, wo Belbacha Verfolgung und Folter drohen, will ihn kein anderes Land aufnehmen. Die Geschichte ist kein Einzelfall. 60 von derzeit noch 244 Guantánamo-Inhaftierten sitzen nach Angaben von Menschenrechtlern seit vielen Jahren in dem Lager fest, obwohl schon die Bush-Regierung die Betroffenen als ungefährlich einstufte. Aber: Weil sie in ihren Heimatländern Folter fürchten müssen, dürfen sie nicht abgeschoben werden. Andere Länder fanden sich bisher für ihre Aufnahme nicht bereit.
Ihre Schicksale setzen nun die Innenminister der 27 EU-Staaten unter Zugzwang. Weil der neue US-Präsident Barack Obama das 2002 für den Anti-Terror-Kampf eingerichtete Lager binnen Jahresfrist schließen will, müssen die Ressortchefs an diesem Donnerstag in Brüssel ihre Haltung zur Aufnahme entlassener Häftlinge besprechen.
«Wir fordern von Europa, dass es die Bemühungen beschleunigt, den Guantánamo-Skandal zu einem Ende zu bringen», sagt Camilla Jelbart von Amnesty International. Irena Sabic vom Zentrum für Verfassungsrechte in New York ergänzt: «Diese Männer wünschen sich inständig, ihr Leben wieder aufzubauen, nachdem sie fast sieben Jahre ohne Anklage festgehalten werden und ihnen der Zugang zu jeglichen Menschenrechten verwehrt wurde.»
Wie Ahmed Belbacha zum Beispiel. Nachdem er Algerien aus Furcht vor islamistischen Fundamentalisten 1999 verlassen hatte, lebte er zwei Jahre lang in Großbritannien. Dort arbeitete der begeisterte Fußballspieler, der in seiner Heimat als Rechnungsprüfer bei einem großen Ölunternehmen angestellt war, gelegentlich als Putzmann in einem Hotel. 2001 reiste er nach Afghanistan.
Kurze Zeit später steuerten die Terroristen der El-Kaida Flugzeuge in das World Trade Center - Amerikas Antwort: Krieg gegen den Terror. Auf der Flucht vor den militärischen Angriffen wurde Belbacha an der Grenze zu Pakistan aufgegriffen und nach Guantánamo gebracht. Dort sitzt er seither in einer zwei mal drei Meter großen Zelle und fühlt sich wie «lebendig begraben».
Viele der 60 Schicksalsgenossen, die später als «harmlos» eingestuft wurden, haben eines gemein: Sie scheinen zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Wie der Ägypter Scharif al-Maschad. Auf der Suche nach einem besseren Leben ging er 1997 nach Italien und gründete dort als Zimmermann eine eigene Firma. 2001 zog der heute 32-Jährige nach Afghanistan, um sich einige Zeit um arme Menschen zu kümmern. Dann brach der Krieg aus. Pakistanische Behörden lieferten ihn schließlich gegen Zahlung eines Kopfgeldes an die Amerikaner aus.
Nach der Wahl Obamas hoffen Al-Maschad und andere Betroffene nun auf Zuflucht in Europa. «Europa hält traditionell Menschenrechte hoch», sagt Jelbart. «Die Häftlinge sind sich sicher, dass sie hier mit Würde, Menschlichkeit und Gerechtigkeit behandelt werden.» Ob und wie die EU-Staaten mit den Inhaftierten umgehen werden, ist allerdings unklar. Obama hat offiziell noch keine Anfragen gestellt, eine gemeinsame europäische Linie gibt es bisher nicht.
So fürchten einige Mitgliedstaaten beispielsweise Klagen von Ex-Gefangenen, wie sie jetzt Großbritannien bevorstehen. Schwere Vorwürfe erhob bereits der 30-jährige Äthiopier Binyam Mohamed, nachdem er diese Woche als erster Guantánamo-Gefangener seit der Amtseinführung von Obama in das Königreich entlassen wurde: Agenten Ihrer Majestät sollen angeblich verwickelt gewesen sein, was seine angebliche Folter angeht, und den USA Geheiminformationen über ihn bereitgestellt haben.
«Europas Mitgliedstaaten haben eine sehr, sehr schmutzige Rolle in der Guantánamo-Angelegenheit gespielt», sagt Zacharias Katznelson von Reprieve auch mit Blick auf CIA-Geheimflüge über die Territorien europäischer Nationen. «Europa hat allein deswegen die Pflicht, den Gefangenen zu helfen.» Umgekehrt erschwert gerade Europas Haltung im Anti-Terror-Kampf manchen Regierungen eine großzügige Lösung.(Quelle:timeturk.com)
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