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Donnerstag, 12.02.2009 | Drucken |
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„Halal“ als Reinheits-Gütesiegel: Islam-konforme Produkte ein weltweit neuer Wachstumsmarkt
Doch der Zentralrat warnt vor Fälschungen und fordert geregelten muslimischen Verbrauchermarkt – Fleischskandal in Kuwait - Nestlé vernetzt die Halal-Produktion in Malaysia und produziert für die islamische Welt
Kuala Lumpur/Köln/Basel - Islamkonforme Produkte sind bei Muslimen keine kurzfristige Modeerscheinung, sondern gehören in Fernost, am arabischen Golf, ebenso wie in Nordamerika oder in Großbritannien immer mehr zum muslimischen Lifestyle des kaufkräftigen muslimischen Mittelstandes.
Auch ist es Unsinn, wer behauptet, dass es sich hier nur um sogenannte „strenggläubige“ Muslime handelt, die alleine diese Standards wünschen. Untersuchungen und das Kaufverhalten dieser Zielgruppe zeigen allzu deutlich: Selbst wer es mit den Regeln der Religion nicht immer so hundertprozentig hält, bei die Einhaltung der Speiseregeln hält sich der Großteil der Muslime äußerst penibel an die islamischen Regeln. Das Konsumverhalten der mehrheitlich muslimisch-türkischen Bevölkerung in Deutschland macht da insbesondere keine Ausnahme.
Nestlé vernetzt die Halal-Produktion in Malaysia - Schweizer Globalplayer produziert für islamische Märkte
Nun haben die großen Lebensmittelkonzerne reagiert. Nestlé, weltweit größter Nahrungsmittelkonzern und derzeit in über 80 Ländern der Erde vertreten, ist auch in der Halal-Industrie ein Globalplayer, der neue Maßstäbe setzt. Selbst im Heimatland des Konzerns, in der Schweiz, blieb bisher weitgehend unbeachtet, mit welchem Konzept die Manager in Vevey am Genfer See den unaufhörlich steigenden Bedarf an islamkonformen Lebensmitteln durch konzerneigene Produkte befriedigen wollen. Längst ist Nestlé dabei, nicht nur die gesamte islamische Welt, sondern auch die kaufkräftige muslimische Diaspora in Nordamerika und Westeuropa zu vernetzen.
In der vergangenen Woche war Nestlé in Malaysia auf einer dreitägigen Marketing-Tour mit Blick auf die Zielgruppe der Muslime. Vor allem für die Staaten der GCC-Wirtschaftszone am Golf prognostizierte der Konzern ein kontinuierliches und nachhaltiges Wachstum.
Für den Wirtschaftsstandort Malaysia ist diese Entwicklung, wie auch für Nestlé im Besonderen, doppelt erfreulich: Zum einen wächst in Malaysia die Zahl der Kunden, die sich höherpreisige Halal-Produkte leisten können und wollen, zum anderen hatte der Schweizer Konzern das islamisch geprägte Land in Südostasien schon vor Jahren als Produktionsstandort auserkoren.
Nestlé Malaysia ist inzwischen mit über 300 verschiedenen Produkten der größte Halal-Produzent in der globalen Nestlé Gruppe geworden. Das Unternehmen besitzt im Land sieben verarbeitende Fabriken, darunter zwei im supermodernen Demak Laut Industrial Park in Kuching, und beschäftigt fast 5000 Mitarbeiter. Laut Manager O'Carroll werden über 22% der gesamten Produktion inzwischen in mehr als 50 Länder exportiert, vor allem in die ASEAN-Region. Es sind meistens spezifisch asiatische Produkte, die Nestlé in Malaysia so erfolgreich verarbeitet. So hat die neue Fabrik in Kuching die Herstellung von Maggi-Produkten, wie Nudeln, für die Märkte von Sarawak, Sabah (Borneo) und Indonesien nochmals um 8% gesteigert.
„Halal“ als Reinheits-Gütesiegel
„Halal“ als Reinheits-Gütesiegel ist inzwischen ein weltweit geachteter Standortvorteil, den die großen Firmen und Handelsketten immer mehr zu nutzen wissen.
Nicht nur im Lebensmittelbereich, auch der Gesundheit-, Wellness- und Kosmetikabereich schreibt gestiegene Wachstumszahlen. Dies gilt - durch den Zusammenbruch der Finanzmärkte noch verstärkt - auch für den islamischen Finanzierungsbereich. Dies bestätigte der Zertifizierungsbeauftragte des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD) Michael Saleh Gassner erst kürzlich in einem bemerkenswerten Expertise in der Zeitschrift „Bank und Markt“ (siehe unterer link, Original-Text).
Seit Jahren zertifizieren muslimische Organisationen ganz unterschiedliche Produkte – meist sind es Anfragen aus der Lebensmittel- und Fleischindustrie.
Zentralrat warnt: Muslime sind vor Halal-Fälschungen nicht sicher
Der islamkonforme Lebensmittelmarkt wächst so schnell, dass auch immer mehr Fälschungen dubioser Halal-Labels den Markt überfluten.
Der Zentralrat warnt daher auch: „Weil einige den schnellen Euro wittern, wird nicht selten das Halal-Siegel einfach drauf gesetzt, obgleich dies nicht islamisch durchgehen dürfte“. Der Verband erhält vermehrt Zuschriften besorgter muslimischer Verbraucher, die davon berichten. Man geht dann die Firmen direkt an und konfrontiert diese mit den mutmaßlichen Widersprüchen. Dies zeigt deutlich, dass im Zuge des gestiegenen Interesses am Halal-Markt auch weltweit mehr „schwarze Schafe“ und Betrüger unterwegs sind.
Kein geregelter muslimischer Verbrauchermarkt
Ein geregelter muslimischer Verbrauchermarkt steckt bisher in den Kinderschuhen. Der erst kürzlich vorgelegte «Einkaufsführer für Muslime» deutscher Verbraucherzentralen ist ein Anfang, der sicherlich in der Zusammenarbeit mit den muslimischen Institutionen ausgebaut werden sollte. Die Broschüre informiert über Ernährungsfragen und soll Muslimen den täglichen Lebensmitteleinkauf erleichtern, wie der Bundesverband Verbraucherzentrale in Berlin mitteilte.
So seien umfassend Lebensmittel aufgeführt, die keinen Alkohol als Zutat oder keine Zutaten von nichtgeschlachteten Tieren beinhalten, erläuterte der Verband. Diese Information finde sich nicht immer auf den Lebensmittelverpackungen. Zudem stelle der Ratgeber Lebensmittel von mehr als 120 Firmen vor. (Der Ratgeber kann versandservice@vzbv.de. Direkt bestellt werden).
Fleischskandal in Kuwait und seine Folgen für den muslimischen Verbraucher
Ein Skandal ist indes in Kuwait vorgefallen. Dr. Hani Al-Mazidi, Mitarbeiter am Institut für wissenschaftliche Forschung (KISR), schrieb in der Kuwait Times: „Unsere lokalen Märkte sind voll von importierten Fleisch mit gefälschten Bescheinigungen. Tatsächlich ist dieses Fleisch nicht nach islamischen Halal-Vorschriften geschlachtet worden.“
Zudem enthielten indes weitere Produkte Fette und Gelatine verdächtiger Herkunft, einschließlich Stoffe, die nachweislich von Schweinen stammen würden. Al-Mazidi selbst ist auch beim Essen ein überzeugter Muslim: „Ich lobe die Weisheit, die hinter den Regeln für die Halal-Schlachtung steht“. Diese sorge dafür, dass ein Tier schnell sein Blut aus Adern und Gewebe verliere, wodurch gesundes und schmackhaftes Fleisch entstehe. Blut sei die perfekte Umgebung für ein Wachstum von Keimen und Mikroben und dies sei ein weiterer Grund, warum die islamischen Regeln so wichtig seien, betonte Al-Mazidi.
Die Behauptung des Wissenschaftlers wird in Kuwait inzwischen heftig diskutiert. Einige Importeure widersprechen zwar seinen Untersuchungen, beweisen damit aber nur, wie unzuverlässig Halal-Zertifikate auch sein können. Die Integrität der Halal-Zertifikate könnte durch den gestiegenen Absatz auf dem Spiel stehen. Die Schattenseite des Halal-Marktes sozusagen, welche erst jetzt ansatzweise durchleuchtet werden. Eine muslimische Verbraucherzentrale, anerkannte Halal-Standards und verlässliche Zertifikationen sollten im besten Falle nun folgen.
(Quellen: Peter Ziegler/ BZZ (siehe auch unterer link); Befragung ZMD-Vorstand, Deutsche Verbraucherzentrale und Zeitschrift „Bank und Markt“)
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