Newsnational Sonntag, 12.10.2008 |  Drucken

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"Freiheit statt Angst": Weltweite Proteste gegen Überwachung

Größte Demonstration in der Geschichte dieser Art in Berlin: 20.000 Menschen, darunter auch viele Bürgerrechtler und Politiker

Vergangenen Samstag fanden unter dem Motto "Freiheit statt Angst – Stoppt den Überwachungswahn!" erstmals weltweite Proteste gegen Überwachungsmaßnahmen wie Vorratsspeicherung aller Telekommunikationsdaten, Flugreisendenüberwachung und biometrische Bürgererfassung statt. In mehr als 15 Ländern forderten Bürgerinnen und Bürger den Abbau von Massenüberwachung, einen sofortigen Stopp neuer Überwachungsmaßnahmen und eine unabhängige Überprüfung bereits beschlossener Gesetze. "Eine freie und offene Gesellschaft kann ohne bedingungslos private Räume und Kommunikation nicht existieren", heißt es zur Begründung in dem internationalen Aufruf.

In Berlin fand die größte Demonstration gegen Überwachung in der Geschichte der Bundesrepublik statt. Laut dem Tagesspiegel kamen bis zu 20 000 Menschen, darunter viele Politiker und Bürgherrechtler. Sie demonstrierten für mehr und einen sichereren Datenschutz. Zu dem Protestmarsch unter dem Motto „Freiheit statt Angst – Stoppt den Überwachungswahn“ vom Roten Rathaus zum Brandenburger Tor hat der hatte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung aufgerufen.

In dem über 2 km langen Demonstrationszug trugen die Teilnehmer Transparente mit Aufschriften wie "Du bist Deutschland, Du bist verdächtig", "Keine Stasi 2.0 – Hier gilt das Grundgesetz", "Angst vor Freiheit?" und "Je gläserner der Bürger, desto zerbrechlicher die Demokratie". Neben thematisch einschlägiger Musik waren immer wieder laute Sprechchöre zu hören wie "Wer heute noch darüber lacht, wird morgen früh schon überwacht!" oder "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns're Daten klaut!". Am Rande der Demonstration, zu der über 117 Bürgerrechtsvereine, Berufsverbände, Gewerkschaften, Parteien und weitere Organisationen aufgerufen hatten, parodierten Künstler die Überwachungsgesellschaft.

Auf der Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor forderten die Veranstalter politische Konsequenzen: padeluun vom Datenschutzverein FoeBuD erklärte, im Lichte der Massenproteste müsse die Politik jetzt reagieren und die 2007 beschlossene Vorratsdatenspeicherung aller Telekommunikationsverbindungen zurücknehmen. Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung stellte einen Fünfpunkteplan vor: Überwachungsmaßnahmen müssten reduziert, bestehende Sicherheitsgesetze evaluiert und aktuelle Verschärfungsvorhaben eliminiert werden. Im Rahmen einer "neuen, freiheitsfreundlichen Sicherheitspolitik" müsse stattdessen in konkrete Präventionsmaßnahmen etwa in der Jugendarbeit investiert und die politische Arbeit auf die wirklichen Probleme der Menschen wie Armut und Bildung fokussiert werden. Ricardo Cristof Remmert-Fontes vom Arbeitskreis kündigte weitere Aktionen an und lud die Teilnehmer ein, den erfolgreichen Tag im Rahmen einer "Langen Nacht der Überwachung" in sieben teilnehmenden Berliner Clubs zu feiern.

In anderen Ländern fanden am gestrigen "Freedom not Fear"-Aktionstag die folgenden Veranstaltungen statt: Eine kulturelle Protestveranstaltung mit Musik und verschiedenen Kunstvorführungen in Den Haag, Vorträge in Rom, eine gemeinsame Überwachungskamerakartierung in Madrid, künstlerische Darstellungen vor dem Parlament in Wien, Demonstrationen in Paris, Prag, Sofia und Stockholm, die Verteilung von Datenschutzsoftware in Kopenhagen, Informationsveranstaltungen in Guatemala City und Buenos Aires sowie zum Abschluss eine Lichtprojektion an das Rathaus von Toronto. In London wurde gegen den Aufbau eines Überwachungsstaates in Form einer Fotocollage auf dem "Parliament Square" protestiert, die das Konterfei des Premierministers und das Motto des Aktionstages "Freedom not Fear" (Freiheit statt Angst) zeigte.

Im Vorfeld der Demonstrationen warnte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung vor einer "Überwachungslawine in Deutschland": Der Deutsche Bundestag habe in den letzten 10 Jahren mindestens 21 mal die Kontrolle und Beobachtung der Menschen verschärft. Mindestens 18 weitere Verschärfungen der staatlichen Bürgerüberwachung stünden aktuell auf der politischen Agenda, darunter die Vorratsspeicherung von Flugreisendendaten, die Übermittlung persönlicher Daten an die USA sowie Exekutivbefugnisse einschließlich Computerüberwachung für das Bundeskriminalamt.



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