Newsnational Donnerstag, 15.05.2008 |  Drucken

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Bundespräsident spricht Klartext: Banker und Finanzwelt wie Monster

Beifall von SPD und LINKE – Einsicht des Ex-IWF-Chefs aber etwas spät - Gerechtes Finanzsystem gefragt - Islamische Finanzprodukte eine Alternative?

Mit überraschend scharfen Worten hat Bundespräsident Köhler gestern den Banken in der internationalen Finanzkrise Versagen vorgeworfen. Die Finanzmärkte bezeichnete der frühere Direktor des Internationalen Währungsfonds sogar als "Monster" und kritisierte die hohen Vergütungen einzelner Finanzmanager.

Bundespräsident Horst Köhler hat die Banker dazu aufgefordert, sich zur Schuld an der Finanzkrise zu bekennen. Er vermisse noch immer "ein klar vernehmbares mea culpa", sagte Köhler im Interview mit dem stern. "Jetzt muss jedem verantwortlich Denkenden in der Branche selbst klar geworden sein, dass sich die internationalen Finanzmärkte zu einem Monster entwickelt haben, das in die Schranken gewiesen werden muss." Die Branche habe "kaum noch Bezug zur Realwirtschaft.

Stark beachtet wird die Wortwahl des Bundespräsidenten durch seine Kompetenz in Wirtschaftsfragen; Köhler war vormals Generaldirektor des Internationalen Währungsfonds, Sparkassenpräsident und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

Der Linkspartei-Vorsitzende Oskar Lafontaine sagte der „Berliner Zeitung“ vom Donnerstag, die Äußerungen des Staatsoberhaupts seien überfällig. Richtig sei, dass Köhler jetzt wie die Linke im Gegensatz zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) eine stärkere Regulierung des Bankensektors fordere.

Bedauerlicherweise habe Köhler es versäumt, seine Vorschläge umzusetzen, als er Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) war. In Deutschland müsse jetzt die Zulassung von Hedgefonds und der Handel mit verbrieften Kreditforderungen verboten werden, forderte Lafontaine.

Die SPD reagierte auf Köhlers Äußerungen mit Worten der Genugtuung. Köhler sei in seiner Zeit als IWF-Präsident einer der Verfechter der Deregulierung gewesen, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ludwig Stiegler der Zeitung. „Wenn er schon während seiner IWF-Zeit so gedacht hätte wie jetzt, wären wir möglicherweise von der Finanzkrise verschont geblieben.“ Dennoch sei Köhlers Einsicht zu begrüßen. „Im Hause Gottes gibt es mehr Freude über einen reuigen Sünder als über 99 Gerechte“, sagte Stiegler.

Unter dem Eindruck des zunehmend weltweit ungerechten Finanzsystem wächst das Interesse an alternativen Möglichkeiten von Geldanlagen und Sparmöglichkeiten.

Den weltweit rund 1,5 Milliarden Muslimen steht z.B. nur ein sehr eingeschränktes Angebot an Islam-gerechten Finanzprodukten wegen des Zinsverbotes zur Verfügung. Das Potenzial für derartige Finanzdienstleistungen scheint aber daher sehr groß, der Markt weist jährlich zweistellige Wachstumsraten auf, wie die Autoren Michael Gassner und Philipp Wackerbeck in ihrem Buch Islamc Finance (siehe untere link) überzeugend zu berichten wissen. Sie sind seit Jahren Experten auf diesem Gebiet. Gassner ist anerkannter Finanzberater bei namhaften Banken in der islamischen Welt.

Ihr Buch gibt einen Überblick über islamische Investitions- und Finanzierungstechniken, Finanzprodukte und -dienstleistungen. Es zeigt auf, welchen Herausforderungen Finanzdienstleister sich stellen müssen, die in diesem Bereich tätig werden wollen, und macht ihnen den Einstieg so leicht wie möglich: In einer ganz unorientalisch schnörkellosen Sprache werden selbst Standardprodukte wie islamische Konten erklärt. Für einen umfassenden ersten Überblick aber eignet es sich gut.



Lesen Sie dazu auch:
Islamic Finance: Islam-gerechte Finanzanlagen und Finanzierungen

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