Newsnational Sonntag, 30.03.2008 |  Drucken

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Radikal demaskierend - Über das Buch von Jürgen Todenhöfer : “Warum tötest du, Zaid?“

„Dieses Buch wird Berufspolemiker zum Brodeln bringen und den Hasspredigern unter den Juden, Christen, Muslimen, Agnostikern und Atheisten den Boden entziehen“ Buchbesprechung von M. Belal El-Mogaddedi

Das Buch “Warum tötest du, Zaid?“ von Jürgen Todenhöfer, erschienen im Bertelsmann Verlag (siehe unterer link zu allen weiteren Infos zum Buch), ist ein Buch, das durch eine ungewöhnliche Titelgebung den potentiellen Leser dazu verleiten könnte, das Buch im Ladenregal stehen zu lassen.
Das wäre allerdings ein unverzeihlicher Fehler, denn der Titel fordert geradezu heraus, eine Antwort auf diese provokative Frage zu suchen. Doch der Autor nimmt dem Leser die Mühe ab und gibt in seinem Buch Antworten auf seine Titel-Frage. Dies macht er mit beeindruckender Sachlichkeit, Kenntnisreichtum und intensiver Leidenschaft für die Suche nach der Wahrheit, die dieses Mal keine Wahrheit der Sieger ist bzw. derer, die sich selbst zum Sieger verklären.

Worum geht es in diesem Buch, das dritte Buch, das der Autor in den letzten sechs Jahren veröffentlicht hat?
Zaid ist ein junger Iraker, der in seinen 21 Lebensjahren das Leben nicht genießen konnte, so wie es ein durchschnittlicher, westlicher Jugendlicher gleichen Alters in normaler Alltäglichkeit tut. Sein junges Leben ist geprägt von Krieg, Sanktionen und wieder Krieg. In diesem Umfeld wachsen Zaid, seine Geschwister und Eltern auf. Zaid versucht aller Widrigkeiten zum Trotz einen klaren Kopf zu behalten, Lebensziele zu formulieren, und seinen Lebenstraum zu verwirklichen.

Auch als George W. Bush jun. seiner Heimat einen völkerrechtswidrigen Krieg erklärt, und das durch ein Menschen verachtendes Sanktionsregime am Boden liegende irakische Volk mit einem Bombenteppich überzieht, versucht Zaid für seinen bodenständigen Traum vom Glück zu arbeiten. Er schließt seine schulische Ausbildung ab, nimmt ein Hochschulstudium der Geschichte auf und frönt in der Freizeit seiner großen Leidenschaft, dem Fußball.
Dann verliert er innerhalb von sechs Monaten seine zwei Brüder, die wie er, sich nicht in den Sumpf dieses schmutzigen Krieges hineinziehen ließen. Seine Brüder werden von amerikanischen Scharfschützen kaltblütig ermordet, einer stirbt direkt vor den Augen der Familie. Zaids kleine, heile Welt zerbricht, und er beginnt den verzweifelten Versuch, sein Land gegen die "westlichen" Besatzer freizukämpfen.

Doch Zaid wird kein Terrorist, er wird Widerstandskämpfer, er lässt sich nicht von Hass leiten. Er schont Zivilisten und ist davon überzeugt, dass kein Zivilist geopfert werden darf, selbst wenn man gleichzeitig 10, 100 oder 1000 Feinde treffen könnte.

Zaid verabscheut Al Qaida, die den Tod unschuldiger Zivilisten billigend in Kauf nehmen. Ebenso verachtet er die Besatzungsmächte, die den Tod unschuldiger Zivilisten in Kauf nehmen, und diese einer abgestumpften mit sich selbst über beschäftigten "westlichen" Weltöffentlichkeit als Kollateralschaden präsentieren.

Der Begriff „Kollateralschaden“ übertüncht in kläglicher Weise das alltägliche Grauen, das die Bush-Krieger über Zaid und die Menschen im Irak gebracht haben. Der Kollateralschaden suggeriert, dass sich hinter ihm kein Mensch verbirgt, sondern ein seelenloses Etwas. Doch Zaid bleibt Mensch, er versucht es zu bleiben, in seinem Denken, in seiner Sprache, in seinem Handeln.

Der Autor erzählt die Geschichte dieses jungen Mannes, die er selbst vor Ort in der Stadt Ramadi, einem der wichtigsten Widerstandszentren des Iraks, recherchiert hat. Jürgen Todenhöfer hat sich auf den Weg gemacht in den Irak, um jenseits der „Grünen Zone“ von Bagdad, in die sich Journalisten sonst eingraben, Bericht zu erstatten, um den stummen Opfern dieses Krieges eine Stimme zu geben.
Er hat sich abseits ausgetretener Trampelpfade, den bettlägrige Journalisten in Begleitung von US-amerikanischen Presseoffizieren in den blutigen Staub des Iraks getreten haben, einen Weg zu den Menschen dieses Landes gebahnt, um sich unter Lebensgefahr selbst ein Bild von den tatsächlichen Geschehnissen in diesem Land zu machen.

Zaid ist ein Kollateralschaden, ein Mensch, der dem Irrsinn eines Krieges zu entfliehen sucht und doch in ihn hinein gesogen wird. Durch Zaid gewinnt das natürliche und ewig verbriefte Recht auf legitimen Widerstand gegen Besatzung wieder ein menschliches Antlitz. Widerstandskämpfer sind keine Monster, keine Terroristen, dieses aufgezeigt zu haben, ist ein großes Verdienst dieses Buches.

Doch "Warum tötest du, Zaid?" ist viel mehr als nur ein Buch über den Krieg im Irak. Dieses Buch ist eine kritische Bestandsaufnahme des historischen und aktuellen Verhältnisses zwischen den muslimischen Mehrheitsgesellschaften und dem „Westen“. Der Krieg des "Westens" gegen Zaid, gegen den Irak ist nur ein aktuelles Beispiel, ein Symptom für die schreckliche Schieflage in der sich dieses Verhältnis befindet; eine seit über 200 Jahren existierende Schieflage, zu Ungunsten der Muslimischen Welt.
Das Buch nimmt dem „Westen“ die Maske des gutmütigen Demokratie-, Menschenrechte- und Entwicklungsexporteurs vom Gesicht und räumt mit den Zerrbildern auf, die er in seinem Aufklärungswahn so gerne von sich entwirft; gestern wie heute!

Nicht wenige Leser werden sich bei der Lektüre des Buches von so manchem, lieb gewonnenen Vorurteil über den Islam und Muslime verabschieden müssen. Hier räumt der Autor in beeindruckender Weise auf, nachdem er sich wochenlang durch eine deutsche Bibelversion und eine deutsche Quranübersetzung gearbeitet und intensives Quellenstudium betrieben haben muss.

In diesem Buch ist kein noch so knapp formulierter Nebensatz ohne Aussagekraft; kein Gedanke und kein Gedankenstrang des Autors ist zufällig. Der Quellenreichtum ist eine außerordentliche Stärke dieses Buches; es macht dieses Buch, in einer im Bezug auf Islam und Muslime von erschreckender Oberflächlichkeit geprägten Diskussionsniveau, zu einem hoch informativen Nachschlagewerk.

Dennoch ist dieses Buch keine Selbstkasteiung eines „Westlers“, der die eigene und kollektive positivistische Geschichtswahrnehmung in Frage stellt, denn Jürgen Todenhöfer ruft Muslime ebenso zum Umdenken auf.
Er fordert sie dazu auf, an die großen Traditionen ihrer Religionsgeschichte anzuknüpfen, insbesondere an das wegweisende Beispiel des Propheten des Islam, an dessen vorbildliche, sozial reformatorische und progressive Dynamik. Er fordert die Muslimische Welt dazu auf, sich nicht mit den Ideologien der Bin Ladens dieser Welt zu identifizieren, so wie er den „Westen“ dazu auffordert, sich nicht mit den Ideologien der Bushs und Blairs zu identifizieren. Er fordert Muslime dazu auf, an ihre große Kulturleistungen anzuknüpfen, mit denen sie sich um das Wohl der Menschheit verdient gemacht haben, auch des "Westens".
Dieses Buch zeigt Lösungswege auf hin zu einem friedlichen Miteinander, statt eines unheilvollen Gegeneinander, Lösungswege, wie sie sich in Europa im Rahmen der KSZE bewährt haben. Der Autor plädiert für realistische Lösungen, keine naiven Utopien, vorausgesetzt, dass der „Westen“ seinen latenten Rassismus gegenüber der Muslimischen Welt ablegt, eine Politik der Gerechtigkeit gepaart mit wahrhaftiger moralischer Härte verfolgt, und sich von seiner selbstherrlichen Überheblichkeit verabschiedet, die, wie das Beispiel Irak beweist, ins Desaster führt, mit Tausenden Opfern auf „westlicher“Seite und hunderttausenden Opfern auf muslimischer Seite.

Dieses Buch wird Berufspolemiker zum Brodeln bringen, andere werden gegen dieses Buch Rabbatz machen, wieder andere werden ihre scheinheiligen Erkenntnistheorien gegen Islam und Muslime abspulen, denn diesem Buch gelingt es in einzigartiger Weise, pathologische und auf Vorurteilen basierende Denkstrukturen auszuhöhlen und zum Einsturz zu bringen.

Dieses Buch könnte tatsächlich dazu beitragen, dass Juden, Christen, Muslime, Agnostiker und Atheisten ihren jeweiligen terroristischen Hasspredigern die Existenzgrundlage entziehen, weil dieses Buch fundiert informiert und damit Ängste abbaut, weil es die richtigen Fragen stellt und die richtigen Antworten gibt, weil der Autor seine Anliegen von tiefer Mitmenschlichkeit, Anstand und Ehrlichkeit tragen lässt, weil der Autor für einen aufrichtigen Dialog auf Augenhöhe plädiert.

Der Redakteur einer großen deutsche Sonntagszeitung hat in einer positiven Buchbesprechung den Autoren wohlwollend mit einem „Irren“ verglichen. Sicherlich ironisiert der Redakteur hier nur, denn er sieht, dass dieser "Irre" nicht bereit ist, Lüge als Wahrheit zu akzeptieren, dass er nicht bereit ist, den salonfähig gewordenen und Politik bestimmenden Irrtümern unserer Zeit zu erliegen, und weil der Redakteur richtigigerweise feststellt "unser verpenntes Land noch mehr solcher Irrer verträgt".

„Mission accomplished, Todenhöfer!“ und „Chapeau!“ für dieses mutige und großartige Buch, das gelesen werden MUSS!


Über den Autor: Jürgen Todenhöfer ist stellvertretender Vorsitzender des Hubert Burda Verlages (FOCUS, Bunte u.a.). Der promovierte Jurist war lange Jahre Bundestagsabgeordneter und entwicklungspolitischer Sprecher der CDU (1972 bis 1990)


Autor der Buchbesprechung: M. Belal El-Mogaddedi ist Entwicklungshelfer und Journalist mit Schwerpunkt Afghanistan und lebt und arbeitet in Deutschland und Afghanistan




Lesen Sie dazu auch:
Warum tötest du, Zaid? - Jürgen Todenhöfer
Beststeller Todenhöfer kritisiert Anti-Islam-Film von Wilders
Wilders ignorieren Todenhöfer lesen!- Hasspredigern nicht auf den Leim gehen ! Aktion der Deutschen Muslim Liga (DML)

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