Newsnational Freitag, 23.02.2007 |  Drucken

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Der sichtbare Islam – Von Matthias Drobinski

Warum Moscheebauten in Deutschland heute immer noch schwer möglich sind

Wer baut, kann die Menschen kennenlernen (sie dazu auch Artikel „Moderne Gotteshäuser: Moscheen in den USA“ und der Bilderkatalog im unteren link dazu).
Wer baut, ist erst einmal fremd, und die, die schon da sind, schauen einen misstrauisch an. Sie können ja nicht einfach weg, sie müssen mit dem leben, was und wer da kommt. Wird er zu uns passen? Wird, was da neu gebaut wird, die Grundstückspreise verderben; wird zusätzlicher Autoverkehr unsere Kinder gefährden? Wer baut, wird denen, die schon da sind, zur Heimsuchung. Man ist bei sich daheim, im Warmen und Sicheren, und dann bricht etwas ein, das die Wärme und Sicherheit gefährdet.

Schon deshalb ist jeder Moscheebau umstritten: Die künftigen Nachbarn fürchten den zusätzlichen Verkehr und Lärm; sie beäugen die Fremden, sie fürchten, dass sie, wenn sie ihre Adresse sagen, zu hören bekommen: "Das ist doch dort, wo die Moschee . . ." Es sind sehr menschliche Sorgen, und viele Politiker haben den Fehler gemacht, sie nicht ernst zu nehmen, als egoistisch abzuqualifizieren oder gar als ausländerfeindlich hinzustellen. Es ist aber nicht rechtsradikal, für ein Gebäude mit einigem Besuch ein schlüssiges Verkehrskonzept zu fordern.

Dies alles würde dafür sprechen, dass heftige örtliche Streitereien jedem Moscheebau vorangehen: In München-Sendling, wo die staatlich-türkische Ditim ein Gotteshaus plant, dessen Bau das dortige Verwaltungsgericht vorerst gestoppt hat; oder in Berlin, wo die kleine Ahmadyya-Gemeinschaft im Ostteil der Stadt ein Zuhause sucht. Doch es erklärt nicht, warum jede geplante Moschee derart große bundesweite Aufmerksamkeit findet und warum die Auseinandersetzungen mit solcher Erbitterung geführt werden.

Der Grund dafür: Es wird eine neue, eine andere Religion sichtbar. Der Islam wohnt nicht mehr im Hinterhof, wo ihn keiner bemerkt, nicht mehr in den alten Lagerhallen an der Peripherie, in die die Gläubigen huschen, nicht gehen. Der Islam zieht um. Nicht in die besten Lagen, aber doch dorthin, wo die anderen Leute wohnen. Seine Gotteshäuser haben jetzt Kuppeln und wenn schon keinen hohen Turm, so doch wenigstens einen Minarettstummel. Die Muslime bauen da, wo die anderen schon sind - und sind damit nicht mehr fern. Sie brechen ins Gewohnte ein, ins Heimatliche. Sie werden zur Heimsuchung, werden unheimlich.

Eine sichtbare Religion ist etwas anderes als eine unsichtbare. Der Islam des Hinterhofs und die Mehrheit im Land lebten weitgehend unbehelligt aneinander vorbei, der Dialog erschöpfte sich oft in der belanglosen Floskel, dass alle irgendwo Frieden wollen. Der Islam der Innenstadt und seine neuen Nachbarn können sich nun nicht mehr aneinander vorbeimogeln. Da wird dann klar, wie wenig transparent Moscheegemeinden sind, wie schwer es ihnen fällt, ihre Anliegen zu erklären - weil sie zu wenig Deutsch können, weil sie nicht sagen können, für wen sie sprechen, weil sie kein Interesse an Offenheit haben. Und die Heimgesuchten flüstern: Wer weiß, was die da drinnen . . . Dankbar drucken deutsche Hassprediger ihre Flugblätter. Wer übrigens dem lauscht, was viele Leute über einen Synagogenbau sagen, ohne dass dies je in die Zeitung käme, der hört nicht so viel anderes. Wie fern sich Juden und Muslime in der Welt der religiösen Wege und Holzwege sein mögen: Wenn sie in Deutschland sichtbar werden, geht es ihnen ähnlich.

Wenn einer gebaut hat und schließlich eingezogen ist, ändert sich meist das Klima. Jetzt ist er da, er gilt vielleicht als merkwürdig, aber nicht mehr als unheimlich. Beim Moscheebau ist es auch nicht anders: In Duisburg-Marxloh oder in Lauingen an der Donau hat es Diskussionen, aber keine bitteren Konflikte gegeben, weil Politik, Bürger und Moscheegemeinde frühzeitig miteinander redeten und alle Beteiligten sich kennenlernten. Der sichtbare Islam braucht durchsichtige Gemeinden, aber auch sichtbare Partner auf der nichtmuslimischen Seite. Sonst geht der Krach nach dem Einzug erst richtig los.

(Mit freundlicher Genehmigung des Autors, Michael Drobinski ist Redakteur der Süddeutsche Zeitung, Erstveröffentlichung: SZ, 16. Februar 2007)




Lesen Sie dazu auch:
„Moderne Gotteshäuser: Moscheen in den USA“ und Bilderkatalog

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