Newsnational Dienstag, 29.01.2008 |  Drucken

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Stets die „Mitte“ sagen, aber die „Rechte“ meinen – Kommentar von Aiman A. Mazyek

Hass-Hetzer Roland Koch hat neue Maßstäbe im Wahlkampf gesetzt und uns einen Berg an Scherben hinterlassen - Verlierer ist die Demokratie

Zunächst die gute Nachricht. Die angeblich schweigende Mehrheit, die Herrn Kochs ausländer- und islamfeindliche Hasstiraden gut heißt, die gibt es nicht. Die Mehrheit der Hessen hat den rassistisch und unanständigen Wahlkampf der CDU nicht gewollt. Sie hat den noch amtierenden Ministerpräsidenten für seinen Populismus gegen Ausländer und Muslime sogar wahltechnisch abgestraft. Schade, dass Koch das nicht einsieht und freiwillig das Feld räumt.

Koch schlug tiefe Wunden im Wahlkampf und verursachte einen großen Berg Scherben, der schon den scheidenden Kardinal und Vorsitzenden der Deutschen Katholiken Lehmann tief beunruhigte in dem er warnte, dass wir als Gesellschaft nicht im Stande sein werden all die Scherben nach der Wahl aufzulesen. Und der Zentralrat der Juden hat Recht, wenn er eine gefährliche Ähnlichkeit mancher Slogans der CDU-Oberen aus dem Taunus zur NPD erkennt. Was alleine die Abgeordneten Christian Wagner und Hans-Jürgen Irmer (beide CDU) an Gift im Namen der Demokratie in den letzen Wochen vom Stapel ließen, grenzt schon an Volksverhetzung.

Der Fairness halber muss hinzugefügt werden, dass ein Großteil der Hasstiraden ins Leere hätten laufen können, wenn nicht, ja wenn nicht Herr Koch mit Mammut-Medien, wie der BILD oder der FAZ „auf Bande“ gespielt hätte. Dies ist leider die Kehrseite der zweifelhaften Medaille, die man sich damit erwarb.

Moralisch höchst zweifelhaft, warum auch Kanzlerin Angela Merkel im Wahlkampf Koch deckte, indem sie, angesprochen auf die Stimmungsmache gegen Minderheiten, jedem Bundesland eigene Wahlkampfgesetz zubilligte. Welches Gesetz hat sie wohl hier gemeint? Das Gesetz des Sündenbockspielens ohne Grenzen – ein grenzenloses Gesetz?!

Gut gestanden hätte der Kanzlerin, wenn sie das Thema Ausländerkriminalität sachlich aufgegriffen (denn diese gibt es ja, niemand wollte das bestreiten) und gleichzeitig zumindest mit einem Nebensatz darauf hin gewiesen hätte, dass alleine im letzen Monat über ein Dutzend Ausländer von Nazis in Deutschland z.T. krankenhausreif geschlagen worden sind.

Niemandem geht es hier um Aufrechnung krimineller Machenschaften. Aber wenn eine Zeitung mit den vier Buchstaben mit ebenso großen Lettern einfordert, dass sich die Mutter des Täters in München entschuldigen soll, darf vorsichtig angefragt werden: Wer verlangte Wiedergutmachung und Entschuldigung für die Opfer in Mügeln, Magdeburg, Leipzig und Braunschweig in den letzen Wochen?

Roland Koch hat vorsätzlich gehetzt, dabei eine fast pogromartige Stimmung in Kauf genommen und weil als Volkspartei losgezogen, diese Hetze in Deutschland weiter salonfähig gemacht.
Nachhaltiger Schaden ist so für Deutschland entstanden; dieser lässt sich nicht einfach im Zuge des Nachwahlganges wegreden. Denn man weiß: Nach den Wahlen ist vor den Wahlen. Und so tönt es aus Berlins CDU-Kampfzentrale folgerichtig, dass man weiter in bewährter CDU-Manier "brutalstmöglich" auf die Themen innere Sicherheit und Ausländerkriminalität setzt (Generalsekretär Pofalla).
Das klingt wie eine Drohung. Ist es auch; eine, die der Verrohung der Sitten im politischen Alltag weiter Vorschub leistet: Stets die Mitte zu sagen, aber die (das?) Rechte zu meinen.

Die Konsequenz ist, dass die einschlägig bekannten rechtsradikalen Parteien und Gruppen versuchen werden, die CDU/CSU noch weiter „rechtsaußen“ zu überholen. Doch in diesem Korridor ist kaum mehr Platz, wenn man das Grundgesetz als natürliche Grenze achten würde. Doch nach Hessen wissen wir: Der Wahlkampf ist grenzenlos.
Folglich sind die Forderungen der Rechten (Stopp von Moscheebauten, Abbau der Bürgerrechte im Namen der Sicherheit) nichts anderes als auch die Aufweichung verbriefter Rechte unseres Grundgesetzes. Die Projektion der Angst vor Überfremdung und die Angst vor dem Terrorismus hilft ihnen dabei enorm. Die Demokratie erleidet dadurch weiteren Schaden.



Lesen Sie dazu auch:
Gemessen an Pauschalurteilen sind Europas Muslime sehr beherrscht - Über den Schmelztiegel der Ängste - Von Nicolas Richter (Süddeutsche Zeitung)

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