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Sonntag, 12.11.2006 | Drucken |
„Mit der Reife wird man - immer jünger“ Laudatio zum 80. Geburtstag von Mohmmad Aman Hobohm - Klaus Lefringhausen
Liebe Familie Hobohm, liebe Freunde Hobohms und nicht zuletzt: liebes, - ich wage, ihn so anzusprechen, weil er keineswegs vergreist ist - Geburtstagskind Hobohm,
wir dürfen heute mit Ihnen und Ihrer lieben Frau gemeinsam feiern – nicht nur den Geburtstag, sondern auch den Rückblick auf ein erfülltes und gesegnetes Leben, in dem Sie vielen Menschen und dem Islam in Deutschland so viel bedeutet haben und weiterhin bedeuten.
1939, also bereits mit 13 Jahren, wurden Sie Muslim und das, wie Sie schmunzelnd sagen, unter dem Eindruck der faszinierenden Bücher von Karl May.
Fünf Jahre lang waren Sie Imam der Wilmersdorfer Moschee und Vorsitzender der Deutsch-Moslemischen Gemeinde in Berlin. Im Internet ist nachzulesen, dass es damals eine sehr konstruktive Zusammenarbeit in der Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgesellschaften in Berlin gab, zu der auch Pfarrer Niemöller und Probst Grüber gehörten.
Sie gaben die Zeitschrift ‚Orient Post’ heraus und traten nach Islamstudien in Karachi in den Dienst des Auswärtigen Amtes.
Sie waren Kultur- und zeitweilig auch Wirtschaftsattaché in Deutschen Botschaften in Karachi, Rwalpindi, Mogadishu, Colombo, London und Riad und leiteten das Goethe-Institut in Bandung.
Sie waren Deutschland-Berater des Islamischen Weltkongresses und nahmen an großen islamischen Konferenzen teil, so in Pakistan, Indonesien, England, Sri Lanka, Frankreich. Japan, Schweden Singapur, Jordanien, Ägypten und Saudi-Arabien.
Sie waren stellvertretender Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Ehrenmitglied der Deutschen Muslim Liga und Geschäftsführer der König Fahd Akademie.
Für Ihre besonderen Leistungen wurden Sie mit dem Bundesverdienstkreuz und dem pakistanischen Verdienstorden ausgezeichnet.
Das sind äußere Daten, die auf ein bewegtes Leben schließen lassen. Darüber hinaus sind Sie aber auch innerlich unterwegs geblieben. Sie sind kein sesshafter Wahrheitsbesitzer, der sich am Ziel wähnt, sondern Ihnen gibt der Glaube Exodus Impulse für das Unterwegs-Sein, ähnlich wie sie der Glaubensvater und Grenzüberschreiter Abraham gelebt hat. Für ihn war Gott - nicht wie damals üblich - ein ortsgebundener Gott, sondern ein mitwandernder Horizont.
Abrahamitischer Glaube heißt also,
unterwegs zu sein,
eine offene Identität zu leben,
sich nicht in Ideologien einzunisten,
mutig über vertraute Weltbilder hinauszugehen,
über den Gartenzaun des eigenen Glaubens zu blicken
und sich wie Abraham aus Gewohntem herausrufen zu lassen.
Lieber Herr Hobohm, Ihr Unterwegs-Sein veranlasst Sie,
theologisch über eine Konvivenz der Religionen und
über religiöse Impulse zur Integration nachzudenken und
dabei auch die spirituelle Dimension des Islam zum Klingen zu bringen.
Sie argumentieren nicht an vorgegebenen Fronten entlang, sondern leiden darunter, dass Menschen sich gegenseitig den Glauben nicht glauben, sondern Gott gegeneinander loben und ehren wollen.
Sie geben trotzig die Hoffnung auf eine kulturelle Klimawende in Deutschland nicht auf.
Wir im Annemarie-Schimmel-Forum wissen zu schätzen, einen solchen Vorsitzenden zu haben, und sind dankbar, dass Sie die Arbeit so prägen, dass alle, die mit dem Forum in Berührung kommen, den Islam als Bereicherung empfinden.
Für Ihr Unterwegs-Sein spricht auch, dass Sie das Vermächtnis Ihrer verehrten Freundin Annemarie-Schimmel nicht konservieren, sondern zeitgemäß zur Geltung bringen und so dem Wunsch der Gründerin des Forums entsprechen.
Oft haben wir zusammen gesessen, um Probleme zu wälzen.
Oft sind wir uns beim selbstkritischen Nachdenken in der Solidarität der Verlegenheit begegnet.
Doch heute treffen wir uns auf einer höheren mitmenschlichen Ebene, nämlich dort, wo man
miteinander feiert,
sich in besonderer Weise, nämlich ohne Problemdruck füreinander öffnet,
sich gemeinsam über Gelungenes freut und
wo vor allem die Konvivenz, also das Für-Einander-Leben, zur Geltung kommt.
Lieber Herr Hobohm,
wir werden im Leben gemeinsam getragen und ertragen von einem grenzenlosen Gott,
der so groß ist, dass er sich nicht in Begriffe und in
keiner weltlichen Heilslehre einfangen lässt.
Er geht in keiner Ideologie oder Lebensordnung auf.
Er ist
kein Kulturgott,
kein Wohlstandsgott,
kein religiöser Grenzwächter,
kein Gruppengott gegen andere,
kein Ober- und kein Antieuropäer,
kein kleingerahmter Gebrauchsgott
kein Komplice unseres Tuns.
kein Kronzeuge für zementierte Feindbilder,
und keine Berufungsinstanz für Rechthaber.
Er lässt sich nicht auf unsere Streitebenen ein und
sich nicht als Anwalt gegen andere in Anspruch nehmen,
denn er ist und bleibt der Erhabene, der ganz Andere und der Grenzenlose.
Deshalb ist der Ruf ’Allah ist groß’ so befreiend, entlastend und ein Friedensimpuls, wenn er denn ernst genommen wird.
Oft muss ich an den Kampf der Gottesbilder zwischen Hiob und seinen Freunden denken. Die biblische Tradition berichtet von einem Hiob, der in jeder Hinsicht ruiniert ist, nachdem er Familie, Haus, Besitz und Gesundheit verloren hat.
Seine Freunde besuchen ihn und sitzen acht Tage lang solidarisch schweigend neben ihm im Staub. Dann aber hielten sie ihm vor, dass Gott den richtigen Glauben stets belohnt. Ein richtiger Glaube rechne sich also und hätte Hiob vor Unglück bewahrt, wenn sein Gottesbezug nicht gestört wäre.
Hiob widersprach und das so heftig, dass aus den Freunden Meinungsgegner oder gar Feinde wurden, die seine Uneinsichtigkeit als Gotteslästerung auffassten, ihn beschimpften, bedrängten und verleumdeten.
Hiob jedoch rang sich zu einer reiferen Gottesvorstellung durch.
Der Bericht schließt dann mit der Aussage: Gott wendete das Schicksal Hiobs zum Guten, doch nicht, als er sich zu richtigen Lehre von Gott bekannte, sondern, so heißt es feinsinnig, als er für seine feindlichen Freunde – betete, ungeachtet der Wunden, die sie ihm geschlagen hatten.
Er verliebte sich nicht in seine Wunden, sondern blieb dem Wohlergehen auch derer verpflichtet, die sich von ihm abgewandt hatten.
Lieber Herr Hobohm, wenn wir heute fragen würden, wem wir eine solche Spiritualität zutrauen, dann würde Ihr Name an erster Stelle genannt.
Gestatten Sie uns, das zu sagen, auch wenn Sie Lob nicht gerne hören.
Doch wir wissen, wie sehr Sie Muslime und Nicht-Muslime ermutigen, denn Ihr Beispiel beantwortet die hinter vielen Detailfragen verborgene und eigentliche Frage, die die Öffentlichkeit an den Islam heute stellt.
Ihr Glaube ist kein Schönwetter-Glaube, sondern vergleichbar mit dem Hiobs, der aus der Defensive heraus glaubte, lebte, hoffte und argumentierte und der die, die ihn anzweifelten und verdächtigten, ausgehalten hat,
ohne bitter zu werden,
ohne zu resignieren und
ohne sich in die eigene Glaubensburg zurückzuziehen.
Seine Freunde machten sich für seine Argumente unerreichbar, denn sie haben nicht zu-, sondern weggehört, weil sie ihm nicht glaubten.
Dennoch war er ihnen wichtiger, als sie ahnten, weil er nicht mit ihnen gebrochen und sie nicht abgeschrieben hatte, sondern - für sie betete.
Das Gebet war eine tragfähigere Brücke als die Sprache, die nicht immer verbindet, sondern oft auch trennt. Das gilt auch heute, denn die Sprache verliert ihre Brückenfunktion, denn
- wenn der eine Frieden sagt, versteht der andere nur Erdöl;
- wenn der eine Identität sagt, hört der andere Gegenkultur;
- wenn der eine Selbstverteidigung sagt, hört der andere nur Terror;
- wenn der eine Demokratie sagt, versteht der andere nur Geostrategie;
- wenn der eine universale Werte fordert, hört der andere Imperialismus;
- wenn der eine Religionsfreiheit sagt, hört der andere nur Islamisierung;
- wenn der eine Menschenrechte sagt, hört der andere getarnte Interessen;
- wenn der eine Kampf gegen Terror fordert, hört der andere nur Kreuzzug;
- wenn von Terroristen die Rede ist, denken andere an Widerstandskämpfer
So kann Sprache vieles: verletzen und heilen, tarnen und aufdecken, spalten und verbinden, entfremden und befreunden, ehren und demütigen und Feindbilder in Freundbilder verwandeln.
Genau das trifft die Grundmelodie Ihrer vielen Rundfunkbeiträge, Essays, Berichte, Artikel und Buchbesprechungen, mit denen Sie um Verstehen und Verständigung werben zwischen Mehrheiten und Minderheiten, zwischen Verwurzelten und Entwurzelten und zwischen Einheimischen und Zweiheimischen.
Seit Ihrer Zeit als Imam der Berliner Moschee haben Sie ein ausgeprägtes Gefühl für die vielen Aufgaben, die Moscheevereine besonders für Zugewanderte wahrnehmen. Sie werden
zur Ersatzheimat,
zum Schutzraum vor Demütigungen,
zum Erholungsraum von Vereinzelung,
zum Ort der Heilung verletzter Identitäten,
zum Fluchtort vor Überfremdungsängsten und
zum Sprach- und Denkraum der Selbstvergewisserung.
Für viele ist der Glaube der Fels, auf dem sie inmitten der Brandung stehen. Das nehmen Sie ernst.
Zugleich wissen Sie, dass Felsenhaftes die Lernfähigkeit bremst.
Doch im Integrationsstress rufen die, die sich in die Defensive gedrängt sehen, nach Sicherheit und kümmern sich ungern um Lernblockaden.
Mehr noch: selbstkritische Fragen werden verdächtigt, dem hämisch lauernden Gegner nur argumentative Waffen zu liefern. So erntet der, der bei Verunsicherten die Glaubensstarre lockern will, mit hoher Wahrscheinlichkeit Undank. Glaubenshorizonte können nämlich nur unter der pflegenden Hand des Gärtners wachsen.
Lieber Herr Hobohm, wir sind sicher, dass Sie eine solch pflegende Hand besitzen.
Deshalb, Lieber Herr Hobohm und liebe Frau Hobohm, hoffen wir alle, dass uns trotz dieses ehrwürdigen Geburtstages Ihr Engagement erhalten bleibt, denn Hermann Hesse hat es dem richtigen Leben abgelauscht, wenn er sagte:
„Mit der Reife wird man - immer jünger“.
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