Artikel Donnerstag, 16.03.2006 |  Drucken

Filmkritik: „Tal der Wölfe – Irak“ Von Mehmet Ünal (20)

Schon vor dem Film lag etwas Verwirrung im Saal. In der Kinovorschau waren nur türkische Filme und türkische Werbung. Es gab nichtmal einen deutschen Untertitel, was darauf hindeuten ließ, dass der Kinobetreiber seine Zielgruppe genau kennt. Man fühlte sich als Nichttürke schon fast ausgegrenzt.

Der Filmanfang berichtet über einen realen Vorfall, bei dem amerikanische GI's eine türkische Spezialeinheit im Irak überfallen haben und sie mit Säcken über den Köpfen aus ihrem eigenen Lager geführt haben. Dieser Vorfall demütigt den türkischen Leutnant und er begeht Selbstmord. Vorher schreibt er aber einen Brief an den türkischen Geheimdienstagenten Polat Alemdar (Necati Sasmaz), in dem er ihn bittet, Rache auszuüben.

Polat reist mit 2 Männern in den Irak. Es startet mit einem brutalen Überfall an einem Grenzübergang. Die 3 Agenten werden dort schikaniert und handelten direkt konsequent und metzeln alles nieder.
Dann beginnt eine lange Geschichte, in der der amerikanische Befehlshaber Sam William Marshall (Billy Zane) mit einer Militäreinheit gegen die 3 türkischen Agenten kämpft.

Die komplette Handlung zu beschreiben würde den Rahmen sprengen, da es ewig Hin und Her geht, kritische Themen werden einfach so abgearbeitet: So geht es um Selbstmordattentate und um die Tötung von Geiseln, die der lokale Dorfscheich strengstens verurteilt. Weiter über zur Folterung in Guantanamo von Amerikanern, Häuserkampf im Irak, Organhandel mit irakischen Gefangenen, Menschenrechtsverletzungen; Kurz: das ganze Programm der Unterdrückung.

Viel wird kritisiert. Aber mit einer derartigen Plätte, die traurig macht. Von künstlerischer Meinungsvermittlung keine Spur. Die Amerikaner nehmen Organe aus den Körpern der Iraker und verschicken sie dann an den Westen in Kisten, welche mit groß mit „New York“ „Tel Aviv“ und „London“ beschriftet sind. Die amerikanischen GI's sind grundsätzlich 2 Meter groß und 1 Meter breit.

Der Film möchte Wahrheiten aufdecken. Aber wer, der heutezutage TV und Internet hat, weiß nichts von den Folterungen in Guantanamo. Ist es wirklich nötig diese ekelhaften Szenen, in der nackte Menschen von amerikanischen Soldatinnen erniedrigt werden, nachzuspielen? Haben wir nicht schon genug Bilder davon gesehen? Ist es nötig, dass man nach einem Selbstmordattentat abgesprengte Leichenteile auf dem Boden herumliegen sieht? Muss man die Emotionen ansprechen um auf ein Problem aufmerksam zu machen, ist der Verstand zu ohnmächtig den Missstand der Situation zu erkennen?

Die Stelle an der der Scheich die Selbstmordattentate argumentativ abgelehnt hat glänzt ausnahmsweise positiv. In Erwartung auf eine folgliche Wende wurde man leider enttäuscht. Der Scheich spielte leider die Nebenrolle. Polat und seine Männer gaben nicht viel auf seine Weisheit. Rache ist ihr Hauptwerkzeug.

Wenn der Film die Fehler beider Seiten darstellen wollte, dann ist dieser Ansatz akzeptabel. Gegen diese optimistische Interpretation sprechen aber die Verhältnisse im Film: Es ist sehr schwer den Film so auszulegen, dass der Geheimdienstagent Polat nicht der Superheld des Films sein soll. Er soll es sein und er tötet und tötet am laufenden Band. Keine Heldentat im klassischen Sinne.
Noch schwieriger ist es zu sagen, dass die Amerikaner objektiv dargestellt werden. Sie werden nur als unheilbringende und böse Rambosoldaten gezeigt, deren Muttersprache der Krieg ist. Übrigens wurden sie auf türkisch synchronisiert, worunter die Authentizität stark leidet.

Leider trägt der Film weder zur Völkerverständigung bei, noch bringt er neue Wahrheiten ans Licht. Durch die Mischung fiktional und auf Wahrheit beruhend, erhebt er aber diesen Anspruch. Er zeigt vielleicht Abgründe auf, zum Beispiel in einer Tötungszene, wo ein gewisser Teil des Publikums anfängt zu klatschen. Die Gräben werden noch tiefer gegraben. Bringt uns das weiter?





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