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Dienstag, 29.04.2025 | Drucken |
Papst Franziskus revolutionäres Vermächtnis: Der interreligiöse Dialog als historische Wegmarke - Ein Nachruf von Aiman A. Mazyek
Der Tod von Papst Franziskus - ich hatte die Ehre und Gelegenheit ihn mehrmals zu treffen- hinterlässt eine Lücke, die weit über die katholische Kirche hinausreicht. Zu seinen bedeutendsten Hinterlassenschaften zählt aus meiner Sicht zweifellos sein leidenschaftliches Engagement für den interreligiösen Dialog – ein Vermächtnis, das nicht nur historisch, sondern geradezu revolutionär ist. Dass Papst Franziskus den Großimam Ahmad al-Tayyeb, eines der höchsten Autoritäten des sunnitischen Islam, als Inspirationsquelle nannte, war kein Zufall. Ihre Begegnung 2019 in Abu Dhabi und die daraus hervorgegangene „Erklärung über die Geschwisterlichkeit aller Menschen“ markierten einen Meilenstein des christlich-muslimischen Dialogs. Erstmals unterzeichneten ein Papst und ein Großimam ein gemeinsames Dokument, das die Verbundenheit der Religionen betont – ein Akt von kaum zu überschätzender Tiefe und Symbolkraft. Erstalig besuchte eine Papst die Arabische Halbinsel, auf den Spuren des Urspungs des Islams. Es war ein bewegender Moment, an dem ich mich gerne zurückerinnere und an dem ich auch vor Ort damals als Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD) teilnehmen durfte.
So wie die die Al-Azhar das Band nun aufnahm und bis heute weitere interreligiöse Projekte ins Leben rief, u.a. eine Reihe von Internationalen Konferenzen und auch die Praxis den Papst als Ehrengast zu internationalen hochranrigen Gelehrten-Konferenzen einzuladen, stach Papst Franziskus ein Jahr später mit der Enzyklika „Fratelli tutti“ – eine weltweite Friedensschrift für Geschwisterlichkeit, die die Vision von Abu Dhabi vertiefte und universalisierte- hervor. In ihr ruft der Papst eindringlich zu Geschwisterlichkeit und Frieden über alle religiösen und kulturellen Grenzen hinweg auf. Seine Überzeugung, dass „zwischen den Religionen ein Weg des Friedens möglich“ sei, war nicht bloß eine theologische These, sondern ein Aufruf zum Handeln in einer von Gewalt und Spaltung geprägten Welt. Man kann die Sozialenzyklika „Fratelli tutti“ getrost die bahnbrechend nennen, die bei einigen der Oberen der Kirche kritrisch verfolgt wurde und die aus muslimischer Sicht bei nicht wenigen "ungläubiges" Staunen hervorrief. Mit „Fratelli tutti“ stellte sich das höchste Oberhaupt der Katholiken den zerstörerischen Kräften unserer Zeit entgegen – dem religiösen Extremismus, dem politischen Fanatismus und der globalen Verrohung. Die Enzyklika steht im diametralen Gegensatz zu den nihilistischen Ideologien des Dschihadismus, den Abschottungsfantasien der Rechten und selbst zu den dunklen Kapiteln der christlichen Geschichte. Sie ist kein bloßes Friedensmanifest, sondern eine konkrete Aufforderung, die Menschheit als eine Familie zu begreifen. Die Botschaft von Franziskus war keine Utopie, sondern eine Antwort auf die dringendsten Fragen unserer Zeit: Klimakrise, Kriege, soziale Ungerechtigkeit. Sein Appell richtete sich nicht nur an Gläubige, sondern an alle Menschen guten Willens. Solidarität, Nächstenliebe und Zivilcourage – Werte, die in allen Religionen verankert sind – müssen gelebt werden, wenn die Menschheit überleben will.
Papst Franziskus hat gezeigt, dass Religion nicht Spaltung bedeutet, sondern Brücken bauen kann. Sein Einsatz für den interreligiösen Dialog war kein Lippenbekenntnis, sondern eine lebendige Praxis – von der Begegnung mit al-Tayyeb bis hin zur offenen Kritik an Rassismus und Antisemitismus. In einer Welt, die immer mehr von Krieg, Hass und Ausgrenzung geprägt ist, bleibt sein Wirken auf die Seite der Friedenstifter und gegen den Krieg wie zuletzt seine klare Haltung zum Gaza-Krieg es zeigte, eine Herausforderung und eine Hoffnung zugleich.Wichtig für uns Menschen jedweder Religion ist jetzt nur: Sein Tod bedeutet nicht das Ende dieses Dialogs, sondern eine Mahnung, ihn fortzuführen – mit derselben Leidenschaft, derselben Kühnheit, die ihn auszeichnete. Dennoch wird er uns (nicht nur) Gläubige schmerzlich fehlen. Ruhe in Frieden Papst und Bruder Franziskus. Noch etwas Persönliches. Jedesmal, wenn wir uns sahen, sagte er zu mir zum Ende des Gespräches "Bete für mich". Zugegeben ich war zu Anfang etwas verblüfft über diese Bitte. Später erfuhr ich, dass er das oft auch anderen Gläubigen sagte. Und: Er meint es wirklich so. Denn Papst Franziskus verstand sich als Diener Gottes, als Diener seiner Kirche, weniger als Oberhaupt. Dieser Fürbitte, die ich nun herzlich leiste, drückt dies einmal mehr aus.(Aiman A. Mazyek)
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Hintergrund/Debatte
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