Newsnational Freitag, 16.09.2005 |  Drucken

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„Moscheen sind Gotteshäuser – Keine Informationszapfanlagen für Geheimdienstler“

islam.de sprach mit Omid Nouripour, Mitglied des Bundesvorstand der Grünen

islam.de: Herr Nouripour, Sie haben sich jüngst mit der frauenpolitischen Sprecherin der Grünen im Bundesvorstand gegen das Kopftuchverbot in Bremen, welches gegen eine Referendarin ausgesprochen wurde, gewendet. Wie denken Sie sollte in Zukunft mit diesem Thema von Seiten der Politik umgegangen werden?

Nouripour: Diese Debatte ist bei den Grünen noch nicht abgeschlossen, auch wenn bereits viele Beschlüsse gefasst wurden. Wir haben uns gegen das Kopftuchverbot für die Referendarin in Bremen ausgesprochen, weil es rechtsstaatlich problematisch ist, wenn man Gesetze auf Personen anwendet, die ursprünglich für eine andere Personengruppe gemacht wurden.
Ich persönlich bin der Meinung, dass ein Kopftuchverbot gerade junge Frauen aus dem gesellschaftlichen und beruflichen Leben hinausdrängt. Wir müssen aber dem Islam in der Mitte der Gesellschaft begegnen – dazu gibt es keine Alternative.


islam.de: Ihre Parteifreundin Marieluise Beck hat die Formulierung den „Islam einbürgern“ geprägt. Was verstehen Sie darunter?

Nouripour: Es geht darum, den Islam als selbstverständliche Realität in unserer Gesellschaft anzuerkennen. Dazu brauchen wir einen kritischen Dialog auf der Grundlage des Grundgesetzes und des gegenseitigen Respekts.

islam.de: Die Grünen setzen sich für einen islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache ein, wie ihn auch die islamischen Verbände fordern. Was halten sie von Vorschlägen aus Reihen der Union, die deutsche Sprache in den Moscheen per Gesetz einzuführen?

Nouripour: Die Union hat die Reformation verschlafen. Seit Martin Luther muss doch jedem Menschen erlaubt sein, in der Sprache zu beten, in der er will. Moscheen sind und bleiben Gotteshäuser und nicht Informationszapfanlagen für Geheimdienstler.

islam.de: Haben Migranten aus ihrer Sicht etwas zu befürchten, wenn es zu einem Regierungswechsel kommt? Oder ist eher davon auszugehen, dass sich die Union mit den Erfordernissen an ein Einwanderungsland vernünftig auseinandersetzen wird?

Nouripour: Ich halte nichts davon, Panik zu verbreiten. Aber wenn man sich das Wahlprogramm der Union anschaut, dann reduzieren die Christdemokraten Frauen auf Opfer, den Islam auf Zwangsverheiratungen und Migrantinnen und Migranten auf Sprachverweigerer und Kriminelle. Ihr Gesellschaftsbild ist nicht in der Lage, die Erfordernisse eines modernen Einwanderlandes zu erfüllen.

islam.de: Ihre Partei hat im letzten Jahrzehnt in ihrem Verhältnis zum Thema Religion einen Wandel vollzogen. Von einer sagen wir mal „religionsfeindlichen“ Haltung hin zu einer Position, welche Religion im Rahmen der Verfassung – unabhängig davon ob christlich oder nicht - als ein positives Element ansieht. Sind die Grünen damit ihrer Zeit voraus?

Nouripour: Die Grünen waren immer ihrer Zeit voraus .. (lacht)..Aber mal im Ernst: Es geht nicht um „religionsfreundlich“ oder „religionsfeindlich“, sondern um gegenseitigen Respekt und um die Anerkennung der Realitäten. Und es geht um pragmatische Lösungen für ein Miteinander verschiedener Weltanschauungen und Religionen.

(Omid Nouripour ist der Sohn iranischer Einwanderer und seit 2002 Mitglied im Bundesvorstand der Grünen. Er beschäftigt sich seit einigen Jahren gezielt mit politischen Fragen rund um den Islam und hat in den letzten Wochen zahlreiche Moscheegemeinden besucht, um für sich und seine Partei zu werben. - Das Interview führte Mounir Azzaoui)





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