Artikel Freitag, 14.10.2016 |  Drucken

Prävention gegen Radikalisierung bei Jugendlichen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Dr. Mohammed Khallouk wies darauf hin, dass eine Präventionsarbeit gegen Radikalisierung Jugendlicher nur erfolgversprechend sei, wenn ein Zugang zu den Jugendlichen bestehe und sie nicht nur sozialpädagogisch geführt werde, sondern auch mit geistlicher Autorität verbunden sei.

Am Freitag, den 07. Oktober 2016 fand unter dem Titel „Malikitische Aufklärung gegen religiösen Extremismus“ in Düsseldorf eine Podiumsdiskussion statt. Organisiert hatte die Veranstaltung der im Bereich Präventionsarbeit gegen Radikalisierung muslimischer Jugendlicher engagierte Verein „Düsseldorfer Wegweiser e.V.“ in Zusammenarbeit mit dem Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück.
Als Beispiel für erfolgreiche Präventionsarbeit gegen Radikalisierung sollte die malikitische Rechtsschule (Madhab) dienen, die im Königreich Marokko gesellschaftlich dominant ist.

Marokko wurde in letzter Zeit erheblich stärker mit gesellschaftlichen und religiös gerechtfertigten Reformen assoziiert als andere Arabischen Staaten. Diskutiert werden sollte deshalb, ob der von den malikitischen Gelehrten propagierte „Islam der Mitte“ auch Jugendliche in stärkerem Maße als andere theologische Richtungen von der Hinwendung zu radikalen Bewegungen abzuhalten in der Lage sei.




v.l.n.r.: Vorstandsmitglied des obersten wissenschaftlichen Rates Marokkos Dr. Mustafa Benhamza, der stellvertretende ZMD-Vorsitzende Dr. Mohammed Khallouk, der Osnabrücker Islamwissenschaftler Dr. Michael Kiefer, der Autor, Dichter und Marokko-Kenner Frank Schablewski und der Islamwissenschaftler von der Universität Wien Professor Rüdiger Lohlker

v.l.n.r.: Vorstandsmitglied des obersten wissenschaftlichen Rates Marokkos Dr. Mustafa Benhamza, der stellvertretende ZMD-Vorsitzende Dr. Mohammed Khallouk, der Osnabrücker Islamwissenschaftler Dr. Michael Kiefer, der Autor, Dichter und Marokko-Kenner Frank Schablewski und der Islamwissenschaftler von der Universität Wien Professor Rüdiger Lohlker
Als Diskussionsteilnehmer waren das Vorstandsmitglied des obersten wissenschaftlichen Rates Marokkos, Dr. Mustafa Benhamza, der Islamwissenschaftler von der Universität Wien, Professor Rüdiger Lohlker, der Autor, Dichter und Marokko-Kenner Frank Schablewski und der aus Marokko stammende stellvertretende ZMD-Vorsitzende, Dr. Mohammed Khallouk eingeladen. Moderiert wurde die Diskussion vom Osnabrücker Islamwissenschaftler Dr. Michael Kiefer und der Sachverständige für Islamische Wohlfahrtspflege beim Düsseldorfer Wegweiser, der Diplom - Sozialpädagoge Samy Charchira gab zuerst eine kurze Einführung in die Thematik.

Dr. Mustafa Benhamza wies der maliktischen Islamauslegung in der Tat ein bedeutendes Potential für die Radikalisierungsprävention zu. Dabei betonte er, dass es hiernach nicht zugelassen sei, Andersgläubige wie auch Andersdenkende, gleich welcher theologischen Position sie anhängen, des Kuffar (Unglaube) zu bezichtigen. Indem anderen Sichtweisen und Religionen prinzipiell Raum gelassen werde, bestehe für eine radikale Intoleranz, die sogar zur Tötung von Andersdenkenden bereit sei, keine geistige Basis mehr. Die Toleranz maliktischer Gelehrsamkeit demonstriert Dr. Benhamza selbst, wenn er in einer Fatwa sogar die Organspende an Andersgläubige für islamisch zulässig und sogar unterstützenswürdig befand.

Dr. Mohammed Khallouk wies darauf hin, dass eine Präventionsarbeit gegen Radikalisierung Jugendlicher nur erfolgversprechend sei, wenn ein Zugang zu den Jugendlichen bestehe und sie nicht nur sozialpädagogisch geführt werde, sondern auch mit geistlicher Autorität verbunden sei. Dies lasse sich nur durch die Islamverbände und Moscheegemeinden realisieren. Der Versuch einer eigenständigen staatlichen Präventionsarbeit, die die Verbände ausschließe, sei hingegen zum Scheitern verurteilt. Allein könnten die Verbände die Prävention jedoch nicht zum Erfolg führen.

Es gelte, Radikalisierungsprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu begreifen. Hierfür trügen insbesondere Politik und Medien Verantwortung.
Professor Lohlker betonte, dass sich ein radikales Islamverständnis vor allem dort ausbreite, wo islamisches Wissen lediglich als Auswendiglernen von Heiligen Texten  verstanden werde, aus denen man sich die für die eigene Anschauung passenden Verse unreflektiert herausziehe. Das Takfir – Denken diene den radikalen Strömungen, ihren gesellschaftspolitischen Machtanspruch islamisch zu rechtfertigen. Theologische Argumente reichten zur Abwendung von derartigen Herrschaftsphantasien nicht aus, entscheidend sei ein tolerantes Klima und eine Toleranz, die von einfachen Formeln begleitet werde.


Rechts außen: Sachverständiger für Islamische Wohlfahrtspflege beim Düsseldorfer Wegweiser, der Diplom - Sozialpädagoge Samy Charchira

Rechts außen: Sachverständiger für Islamische Wohlfahrtspflege beim Düsseldorfer Wegweiser, der Diplom - Sozialpädagoge Samy Charchira
Schablewski mahnte, die zwischenmenschliche Ebene stärker im Blick zu haben und sich darin vom Scheinwerfer auf das Ego zu entfernen und sich stärker auf den Anderen auszurichten. Auf diese Weise könne auch mehr Verständnis für dessen Sichtweise und Weltanschauung aufgebracht werden.


Ähnliche Artikel

» Gegen Radikalisierung vorgehen - aber wie?
» ZMD ist Gründungsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft für religiös begründeten Extremismus
» Der Missbrauch der Religion für Machtkämpfe
» Fachtagung des ZMD für Prävention und Gefängnisseelsorge
» Ministerin Lambrecht dringt auf Demokratiefördergesetz - ZMD begrüßt und unterstützt das Vorhaben ausdrücklich

Wollen Sie einen
Kommentar oder Artikel dazu schreiben?
Unterstützen
Sie islam.de
Diesen Artikel bookmarken:

Twitter Facebook MySpace deli.cio.us Digg Folkd Google Bookmarks
Linkarena Mister Wong Newsvine reddit StumbleUpon Windows Live Yahoo! Bookmarks Yigg
Diesen Artikel weiterempfehlen:

Anzeige

Hintergrund/Debatte

Extreme bis extremistische Einstellungen in Deutschland auf dem Vormarsch mit Spiegelung in der Politik und Medien
...mehr

Langes KNA-Interview: Der neue Vorsitzende des Zentralrats der Muslime über sein Amt
...mehr

Bochum ehrt Ahmed Aweimer zum 70. Geburtstag
...mehr

Aiman Mazyek kommentiert das Verbot der Imam Ali Moschee: "Blaue Moschee - Islamisches Zentrum in Hamburg
...mehr

Medienanalyse: Rassismus in Medien, Recht und Beratung
...mehr

Alle Debattenbeiträge...

Die Pilgerfahrt

Die Pilgerfahrt (Hadj) -  exklusive Zusammenstellung Dr. Nadeem Elyas

88 Seiten mit Bildern, Hadithen, Quran Zitaten und Erläuterungen

Termine

Islamische Feiertage
Islamische Feiertage 2019 - 2027

Tv-Tipps
aktuelle Tipps zum TV-Programm

Gebetszeiten
Die Gebetszeiten zu Ihrer Stadt im Jahresplan

Der Koran – 1400 Jahre, aktuell und mitten im Leben

Marwa El-Sherbini: 1977 bis 2009