Kritiker in Israel laufen Sturm gegen «jüdischen Nationalstaat»
Facebook-Protest israelischer Araber - Scharfe Kritik kommt auch von Staatspräsident Reuven Rivlin
Jerusalem (KNA) Israels Gesetzentwurf für einen «jüdischen Nationalstaat» hat Proteste im sozialen Netzwerk Facebook hervorgerufen. Hunderte arabische Israelis haben ihre Profilbilder durch Fotos mit dem Stempel «Bürger zweiter Klasse» ersetzt, wie die Tageszeitung «Haaretz» (Onlineausgabe Mittwoch) berichtet. Sie protestieren damit gegen die Pläne der Regierung, den jüdischen Charakter Israels gesetzlich zu verankern. Israel als «jüdischen Staat» zu bezeichnen, war bereits 1947 im Teilungsplan der Vereinten Nationen und in der israelischen Unabhängigkeitserklärung von 1948 der Sprachgebrauch. Der nun auf den Weg gebrachte Gesetzentwurf, der in der kommenden Woche vor das Parlament kommt, will diese Identität Israels gesetzlich verankern. Unter anderem soll Arabisch seinen Status als zweite Landessprache verlieren. Jüdisches Religionsrecht soll als Quelle und «Inspiration» für die Gesetzgebung dienen, Geschichte und Brauchtum des Judentums Pflichtstoff an jüdischen Schulen werden.
Die Verfasser der Unabhängigkeitserklärung hätten «in ihrer großen Weisheit darauf bestanden, dass die arabische Bevölkerung in Israel sich nicht fühlt, wie die Juden sich in der Diaspora gefühlt haben». Mit ungewöhnlich deutlichen Worten hat sich Israels neuer Staatspräsident Reuven Rivlin in die Debatte um ein geplantes Nationalitätengesetz eingeschaltet.
Die Anfragen an den Entwurf aus demokratischer Sicht liegen auf der Hand: Wie verhält es sich mit der religiösen Neutralität eines Staates, wenn dieser sich selbst als jüdisch definiert? Wie steht es mit der Gleichheit aller Staatsbürger, von denen im Fall Israels immerhin etwa jeder fünfte Araber ist? Kann sich ein demokratischer Staat erlauben, sein Rechtssystem - zumindest teilweise – auf Religionsrecht zu gründen? In islamisch geprägten Staaten wird dies jedenfalls regelmäßig kritisiert. Rassistisch, diskriminierend, antidemokratisch, so lautet denn auch das scharfe Urteil der Kritiker. Es handele sich um eine «Verflachung der demokratischen Werte», sagte etwa Generalstaatsanwalt Jehuda Weinstein. Auch innerhalb von Netanjahus Koalition stehen längst nicht alle hinter dem Entwurf. Justizministerin Tzipni Livni und Finanzminister Jair Lapid fordern eine Festschreibung der Gleichheit aller Bürger und drohen anderenfalls mit dem Ausstieg aus der Regierung. Ein radikales Gesetz, das «Israels Bürger einer Theokratie unterwirft», werde es mit ihr nicht geben, so Livni.
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