Terroranschläge in Nigeria immer wieder auch gegen Islam-Vertreter
Bischof Stephen Dami Mamza: Regierung tut zu wenig gegen Boko Haram
Abuja (KNA) Der Schock in Kaduna ist groß. Bei gleich zwei Anschlägen starben in der nordnigerianischen Stadt am Mittwoch mehr als 40 Menschen. Doch anders als bisher galten die Anschläge dieses Mal zwei Prominenten: dem Imam Dahiru Bauchi sowie dem früheren Militärherrscher Muhammadu Buhari, heute der Kopf der Oppositionspartei All Progressives Congress (APC). Beide blieben unverletzt.
Der Imam war nach einer Veranstaltung, die im Rahmen des Fastenmonats Ramadan stattfand, auf dem Weg in die Hauptstadt Abuja. Von dort aus wollte er nach Mekka fliegen, als in der Nähe seines Konvois eine Bombe explodierte. Der zweite Anschlag ereignete sich rund zwei Stunden später im Norden der Stadt, in der Nähe des belebten Busbahnhofs Kawo, wo es oft zu langen Staus kommt. «Als wir den Markt von Kawo erreichten und wegen des dichten Verkehrs langsam fahren mussten, wurde mein Auto gerammt. Dann explodierte die Bombe», sagte Buhari wenige Stunden später über die Homepage seiner Partei.
Bislang hat sich niemand zu den Anschlägen bekannt. Beobachter gehen jedoch von der Terrorgruppe Boko Haram als Drahtzieherin aus. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres sollen bei Angriffen schon mehr als 2.000 Menschen ums Leben gekommen sein, schätzt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Erst am Wochenende kam es wieder zu einem Angriff auf ein Dorf in Borno mit mehreren Dutzend Toten.
Seit über 100 Tagen hält Boko Haram rund 220 Schülerinnen gefangen. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die Gruppe in den vergangenen Monaten viele weitere Menschen entführt hat, die bis heute in ihrer Gewalt sind.
Nach dem Anschlag vom Mittwoch wurde in Kaduna eine Ausgangssperre verhängt, da es in der Stadt und auch im gleichnamigen Bundesstaat immer wieder zu blutigen Ausschreitungen gekommen war. Kaduna gilt als besonders anfällig. Nach Informationen von Yohanna Buru, der das «Peace Revival and Reconciliation Movement» leitet und sich stark für den interreligiösen Dialog einsetzt, sei es bis zum Donnerstagnachmittag aber ruhig geblieben. Er selbst bezeichnet den Anschlag als «großen Schock». Damit habe niemand in Kaduna gerechnet.
Allerdings ist es nicht der erste Anschlag auf einen hochrangigen muslimischen Vertreter. Imam Dahiru Bauchi war bereits vor einigen Wochen ins Visier der Terroristen gerückt. Der erste Anschlag konnte jedoch vereitelt werden. Ende Mai wurden außerdem drei Emire in Nordnigeria von Boko Haram angegriffen; der Emir von Gwoza kam dabei ums Leben. Emire sind traditionelle Herrscher im Norden, die einerseits viel Respekt genießen, denen andererseits aber auch vorgeworfen wird, zu eng mit der politischen Klasse verbunden zu sein. Experten zufolge haben sie wie auch bekannte Islamgelehrte heute nur noch begrenzten Einfluss auf Jugendliche.
Imam Dahiru Bauchi hat den Terrorismus immer wieder offen kritisiert. «Er sagt häufiger: Das, was Boko Haram tut, ist sehr unislamisch», sagt Pastor Buru, ein Vertrauter des Imam. Außerdem sei er ein großer Befürworter des interreligiösen Dialogs und des friedlichen Zusammenlebens aller Religionen. Einen Dialog mit Christen haben führende Boko-Haram-Mitglieder schon vor vielen Jahren und lange vor der Radikalisierung der Gruppe 2009 abgelehnt. Gleichzeitig gehört Bauchi auch zu den Befürwortern eines Dialogs mit Boko Haram. Das könnte ein weiterer Grund für den Anschlag auf den Imam sein.
Die Regierungspartei Peoples Democratic Party (PDP) verurteilte die beiden Anschläge in einer Pressemitteilung und erklärte, jeder könne zum Opfer werden. Alle Nigerianer müssen sich daher im Kampf gegen den Terrorismus zusammentun. Das wiederum dürfte Wasser auf die Mühlen der Opposition APC sein. Sie kritisiert die Regierung immer wieder, sie könne nicht für die Sicherheit der Bevölkerung sorgen. Die neuen Anschläge haben das aus ihrer Sicht bestätigt.
Nigerias Regierung geht nach Ansicht von Bischofs Stephen Dami Mamza nicht genügend gegen die Terrororganisation Boko Haram vor. «Mein Eindruck ist, dass die Regierung das Thema Boko Haram von Anfang an nicht ernst genommen hat und nie ernsthaft versucht hat, Boko Haram zu bezwingen», sagte der Bischof von Yola im Nordosten Nigerias dem katholischen Missionswerk Missio (Donnerstag) in Aachen. Mit Blick auf die Wahlen 2015 lasse sich die Regierung bei bestimmten Entscheidungen viel Zeit, insbesondere, wenn es um Boko Haram gehe. Die Regierung wolle so den Wettstreit um die politische Führung nicht negativ beeinflussen. Der Verlust von Menschenleben und die Zerstörung von Eigentum werde von der Öffentlichkeit verdrängt, so der Bischof weiter
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