Artikel Samstag, 15.02.2014 |  Drucken

Berlinale-Film: Kreuzweg - Regisseur Brüggemann: „Über den Islam wird jeden Tag hierzulande ein Fass aufgemacht. Da muss ich das nicht noch machen“

Am 9. Februar 2014 feierte der deutsche Film „Kreuzweg“ bei der 64. Berlinale seine Weltpremiere.Regie führt der 1976 in München geborene Dietrich Brüggemann. Das Buch schrieb er zusammen mit seiner Schwester Anna Brüggemann. Der 107 Minuten lange Spielfilm behandelt das Thema religiöse Intoleranz, die bis in den Wahnsinn gehen kann. In einer kleinen, ländlichen Gemeinde irgendwo in Deutschland lebt die 14 jährige Maria (Lea van Acken gab hier ihr beeindruckendes Filmdebüt) mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder, der knapp 4 Jahre alt ist. Der Junge gilt als behindert, da er noch kein Wort gesprochen hat.

Die Eltern (Franziska Weisz als Mutter sowie Michael Kamp als Vater) sind sehr traditionalistische Katholiken. Sie besuchen nur Gottesdienste, wo ein Priester der erzkonservativen Piusbruderschaft am Altar steht.

Maria besucht in dieser Kirchengemeinde auch den Unterricht, der sie auf die Firmung vorbereiten soll. Das ist der Übertritt vom Jugendlichen zum Erwachsenen in der katholischen Kirche. Pfarrer „Vater Weber“ (Florian Stetter) ist ein recht jungen Geistlicher und macht einen sympathischen Eindruck - auf den ersten Blick. Er erzieht seine Schülerinnen und Schüler zu „Gotteskriegern auf Erden, zu „Soldaten, die viele Feinde vor sich haben“, die gegen „Satan kämpfen müssen.“ Satan das ist z. B. Rockmusik und die Jugendzeitschrift „Bravo.“ Maria versucht, sich in zwei verschiedenen Welten zurecht zu finden.

In der Schule will sie der nette Teenager sein, der alles mitmacht, was die Klassenkameradinnen so in der Schule und in der Freizeit unternehmen, zu Hause möchte sie besonders der sehr strengen Mutter die geliebte und gehorsame Tochter sein, die all das streng befolgt, was „Vater Weber und die Piusbrüder“ fordern.

Maria hat man beigebracht, das 1962 durchgeführte Vatikanische Konzil war ein „Verrat des Papstes an unserer Heiligen Mutter Kirche.“ Der damalige Papst Johannes XXIII. hat die Kirche für das Volk geöffnet, was den Piusbrüdern allerdings nicht behagt - bis heute. In der Messe, dem Gottesdienst, sieht man beim traditionellen Gottesdienst nur den Rücken des Geistlichen, niemals das Gesicht. Der Gottesdienst wird in Latein abgehalten. Diese reine katholische Lehre gilt es zu verteidigen, auch innerhalb der Weltkirche. Maria ist eine angehende Soldatin bzw. soll ihre „Grundausbildung im Kampf gegen Satan“ erhalten. Der Priester sagt: „Nur wer seine Feinde erspäht, kann sie bekämpfen.“

Als Christian (Moritz Knapp), ein Schüler aus Marias Parallelklasse, sie zum Kirchenchor in seine katholische !!! Gemeinde einlädt und Marias Mutter davon erfährt, kommt es zum verbalen Wutausbruch der Mama. Ihre Tochter ist auf dem Pfad der Sünde, hat bei diesen Ungläubigen nichts zu suchen, dort werden satanistische Gospel-Lieder gesungen, dazu Jazz und Blues. In der Gemeinde der Piusbruderschaft gibt es natürlich keinen Kirchenchor. Der Vater schweigt sehr oft in diesem Film. Er steht seiner Tochter niemals zur Seite, wenn seine Frau der jungen, zarten Maria immer wieder Vorwürfe macht, wie unzüchtig sie das Leben gestalte.

Im Sportunterricht weigert sich Maria dann eines Tages, zur harmlosen Schlagermusik, die aus dem CD-Player ertönt, eine Runde zu laufen, da die Musik Satanswerk ist.

Die Sportlehrerin versucht gut auf die Schülerin einzureden und erklärt, sie selber sei evangelische Christin und diese Musik sei doch nun wirklich kein Satanswerk. Schon wird Maria gehänselt. Ein Mitschüler setzt sich hin und sagt: „Meine Religion verbietet mir, im Sportunterricht mitzumachen.“ Alle anderen Mitschüler krümmen sich vor Lachen, zumal ein weiterer Mitschüler rückwärts läuft und in der Sporthalle schreit: „Meine Religion erlaubt mir nur das Rückwärtslaufen.“

Maria hält die Spannungen nicht mehr aus zwischen den 2 verschiedenen Welten, in denen sie tagtäglich leben muss. Sie will es ihren Eltern recht machen, aber auch den Mitschülern und Lehren. Damit stößt die junge Maria an ihre körperlichen Grenzen und wird krank.

Bei einer ärztlichen Untersuchung wird festgestellt, das Mädchen leidet unter Magersucht und höchstwahrscheinlich unter Mobbing, so der Arzt (Ramin Yazdani). Der Zuschauer erfährt nicht, aus welchem Land der Mediziner kommt, es ist aber offensichtlich ein nicht aus Deutschland stammender Arzt und er sagt: „Ich weiß, was es bedeutet gemobbt zu werden. Da, von wo ich herstamme, ist das leider der Alltag.“

Die Mutter schreit den Arzt an, er möge nicht so einen Unsinn sagen. Ihre Tochter sei nicht magersüchtig, man wolle ihr doch nicht unterstellen, das Kind nicht richtig zu ernähren. Anstatt einen Behandlungsplan aufzustellen mit dem Mediziner zusammen, droht die Mama mit einer Anzeige gegen den Arzt wegen Verleumdung.

Das Schicksal nimmt seinen Lauf, Maria wir schwächer und schwächer und kippt ausgerechnet bei ihrer Firmung in der Kirche vor dem angereisten Bischof der Piusbruderschaft um und wird ins Krankenhaus gebracht.

Jegliche Hilfe kommt zu spät. In dem Augenblick, als Maria verstirbt, redet erstmals ihr kleiner Bruder und sagt „Maria.“ Die Mutter sieht das als göttlichen Beweis für den Ablasshandel ihrer Tochter an. Leben gegen Gesundheit des kleinen Bruders und man ist sich mit dem jungen Priester, der am Kranken- und späteren Sterbebett war, einig, einen Prozess zur Seligsprechung für Maria in Gang zu setzen.

Als sie dem Bestatter bei der Auswahl des Sarges von diesem Wunder erzählt, bekommt sie zu hören, so manches Schockerlebnis, denn der Bruder hat das Sterben seiner Schwester im Krankenhaus mitangesehen, führe zu Veränderungen. Das könne die Sprache des kleinen Jungen ja auch in Gang gesetzt haben, nicht ein Handel zwischen Gott und Maria.

Auch hier schreit die Frau und fragt den Bestatter, ob er ihr etwa widersprechen wolle. Der Mann antwortet ruhig und sachlich, es führen „viele Wege nach Rom“ und spielt damit drauf an, die Piusbrüder sind nicht die Alleinherrscher in der großen katholischen Kirche. Erstmals sehen wir den Ehemann und Vater in voller Aktion. Er meldet sich zu Wort und beruhigt seine Frau und man sieht ihm an, dass ihm Angst und Bange um seine Frau ist, die wohl nicht mehr allzu weit von einer religiösen Besessenheit entfernt ist.

Der Beerdigungsunternehmer verlässt den Raum und nun ist das Ehepaar alleine. Wie es weitergeht, überlässt dieser beeindruckende Film der Fantasie des Zuschauers.In der anschließenden Pressekonferenz betonte Regisseur Brüggemann, er selber und seine Schwester seien katholisch erzogen worden. „Ich habe nichts gegen Religion, wenn es in Bahnen abläuft, die normal sind.“

Er wies auch darauf hin. „Hier haben wir es nicht mit den Scientologen oder einer anderen Sekte, beispielsweise einer kleinen fundamentalistischen christlichen Gruppe zu tun, sondern mit der katholischen Kirche. Ich habe auch nicht den Islam genommen, über den wird jeden Tag hier ein Fass aufgemacht, da braucht man mich nicht noch dafür.“

Ausdrücklich betonte er auch, die Religion stehe in seinem Werk für andere Dinge, wie beispielsweise Ideologie.

Es gibt auch Mitmenschen, die sich in den Sozialismus, Kommunismus oder was auch immer so sehr einbinden, dass die Stufe bis zum Wahnsinn sehr klein ist.

„Man muss Maßhalten, bei allem, was man tut“, so sein Fazit zum eigenen Werk. „Selbstopfergeschenke“ seinen nicht die Lösung.

Dem stimmte auch Florian Stetter zu. „Als ich die Rolle des jungen Priesters gelesen hatte, war ich der Meinung, ein toller Typ, mit dem geht man gerne mal Kaffee trinken. Ob das nach 2 Stunden Zusammensein immer noch der Fall sein wird, ist ja eine andere Sache. Ich wollte dann diesen komplett irren, verwirrten Priester spielen.“ Auch er hat nichts gegen religiöse Betätigung und kann mitteilen: „Messdiener zu sein ist doch etwas schönes für Kinder, wenn alles rundherum okay ist. Da fährt man sogar mal zusammen im Bus in den Westerwald.“

Islam.de fragte bei Regisseur Dietrich Brüggemann nach, ob ihm bewusst sei, wenn der Geistliche ein Imam wäre und hieße Mohammed und die Maria trüge eine Burka und hieße Khadija, würde der Stammtisch hierzulande Beifall klatschen und ausrufen: „Endlich zeigt einer, wie diese Ausländer hier in Deutschland sind“. So aber kommen vom selben Stammtisch garantiert Anfeindungen auf den Nestbeschmutzer zu.

Der Regisseur antwortete: „Als Filmemacher weiß ich, das es genauso ist und kommen wird, wie Sie es beschrieben haben. Ich kann und werde aber damit leben.“

Hier war auf der Berlinale ein beeindruckendes deutsches Werk zu sehen, das eine Thematik in Deutschland zeigt, von der keineswegs Migranten betroffen sind. Man kann dankbar für diesen Film sein.

So sagte es auf dieser Pressekonferenz auch Schauspieler Florian Stetter: „Man muss sich bei Jochen Laube (Anm.: ausführender Produzent) bedanken, den Mut gehabt zu haben, diesen Film zu verwirklichen. Das ist heutzutage immer noch keine Selbstverständlichkeit.“





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