In Assisi verurteilen der Papst und Vertreter verschiedener Religionen Gewalt im Namen Gottes
„Feinde der Religion betrachteten die Religionen als eine Hauptquelle der Gewalt in der Menschheitsgeschichte, und forderten ihr Verschwinden - mit nicht weniger aggressiven Mitteln“ – Radikale Piusbruderschaft gegen Aussöhnung der Religionen
Vor der Kulisse der Basilika San Francesco verlasen die Vertreter der Weltreligionen nacheinander die zwölf Punkte der "feierlichen Verpflichtung auf den Frieden".
Jugendliche überreichten jedem Religionsführer eine brennende Lampe. Das Zeremoniell ähnelte dem historischen Gipfel, zu dem Johannes Paul II. am 27. Oktober 1986 in die mittelitalienische Franziskus-Stadt eingeladen hatte. Aber Assisi 2011 war mehr als nur ein bloßes Jubiläumstreffen. Die veränderte Weltlage hat den Friedensauftrag Religionen vor neue Fragen und Herausforderungen gestellt. Mit dem Ende des Ostblocks sei die Welt nicht friedlicher geworden, sagte Benedikt XVI. Der Unfriede habe neue und erschreckende Gesichter. Dazu gehöre der Terrorismus, der vielfach religiös motiviert sei. Dazu gehört auch die Gewalt infolge der Abwesenheit Gottes in der Gesellschaft. Denn die Feinde der Religion betrachteten diese als eine Hauptquelle der Gewalt in der Menschheitsgeschichte, und forderten ihr Verschwinden - mit nicht weniger aggressiven Mitteln.
Frage nach dem wahren Wesen der Religion
Benedikt XVI. verband mit seiner Analyse der veränderten Weltlage auch Überlegungen zu den Herausforderungen, die sich daraus für die Religionen ergäben. Christen wie Muslime, Juden, Buddhisten oder Hindus müssten sich die Frage nach dem wahren Wesen der Religion stellen. Sie müssten sich mit Blick auf die Gewalt fragen, ob es überhaupt ein gemeinsames Wesen der Religion gebe. "Kennen wir Gott, und können wir ihn neu der Menschheit zeigen, um wirklichen Frieden zu stiften?", fragte der Papst.
Vor 25 Jahren hatte Papst Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. zum ersten Mal nach Assisi zum Weltfriedenstag eingeladen - der damalige Kardinal Joseph Ratzinger gehörte zu jener Zeit zu den Skeptikern, er fürchtete die Vermischung der Religionen. Heute lobt er seinen Vorgänger für seine Vision von der Kraft des Glaubens. Die wahren Gründe für den Systemumbruch im Jahr 1989 seien nicht wirtschaftlicher und politischer Natur gewesen. Vielmehr hätten hinter der materiellen Macht keine geistigen Überzeugungen mehr gestanden.
Nicht nur der Terrorismus verursache Gewalt, sondern auch die Abwesenheit von Glauben
ie Schrecknisse der Konzentrationslager seien eine Folge der Abwesenheit Gottes gewesen. Gewalt entstehe auch durch 'die Verwahrlosung des Menschen', mit der sich ein gefährlicher geistiger Klimawechsel vollziehe. 'Die Anbetung von Besitz und Macht' erweise sich als 'eine Gegenreligion, in der der Mensch nicht mehr zählt'. Das Treffen von Assisi endete am Abend mit einem Friedensaufruf. Gemeinsam wolle man 'an der großen Baustelle des Friedens' arbeiten, erklärten die Teilnehmer, und 'an der Seite der Leidenden und Verlassenen stehen'.
Protest gegen das Treffen kam von der traditionalistischen Piusbruderschaft, mit der der Vatikan über eine Aussöhnung verhandelt. Sie erklärte, der Papst müsse Andersgläubige zur Bekehrung auffordern und nicht den Dialog mit ihnen suchen.
|