Ägyptisches Volk geht für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte auf die Straße
Bundeskanzlerin Angela Merkel: Meinungsfreiheit eine Chance geben - Westen mahnt ägyptische Regierung zur Einhaltung der Bürgerrechte - Viele Tote und Verletzte
Unter dem Druck der Straße bricht Ägyptens Machthaber sein Schweigen. Doch Hossni Mubarak denkt nicht an Rücktritt; er tauscht über Nacht die gesamte Regierung aus und verspricht Reformen.
Die Proteste auf den Straßen gehen dennoch weiter - trotz Ausgangssperre, Militäreinsatz und massiven Polizeieinsatz. Mehr als ein 180 Menschen (muss ständig nach oben korrigiert werden, Anm. der Redaktion) sollen bereits tot sein und über 1000 sind verletzt. Ägyptens Machthaber haben tags zuvor brachial alle Internet-und Mobilnetze gekappt und damit eine groß angelegte Zensur in Gang gesetzt. Von einigen Teilen des Landes wird berichtet (Al-Jazeera) z.B. in Ismalia, Suez oder auch Alexandria, dass die Polizei scharf auf Demonstranten geschossen habe. Viele hundert Demonstranten sind verhaftet worden. Doch es scheint so zu sein, dass sich das ägyptische Volk trotz dieser Repressalien nicht fürchtet.
Mubaraks Rede und die Neubesetzung der Regierung sind nach Ansicht internationaler Beobachter ein Versuch, die Proteste umlenken, indem er die Regierung zum Sündenbock für die vielen Missstände im Land macht. Der Regierungswechsel soll offenbar dazu dienen, die Protestbewegung zu besänftigen. Das scheint jedoch nicht zu funktionieren. Unmittelbar nach der Rede riefen Demonstranten in Kairo: "Nieder mit Mubarak!"
Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei, der tags zuvor in seine Heimat zurückgekehrt war und sich an den Demonstrationen beteiligt hatte, wurde unter Hausarrest gestellt. An manchen Stellen kam es zu Verbrüderungsszenen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Zuvor hatten Demonstranten wiederholt das Militär aufgefordert, sie vor dem gewaltsamen Vorgehen der Polizei zu schützen.
Westen verlangt von Mubarak unmittelbar Reformen
Angesichts des massiven Einschränkung des Demonstrationsrechtes und die Kaperung des Internets und Mobilfunks durch die ägyptischen Machthaber forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Ende der Gewalt und mahnte Meinungs- und Informationsfreiheit an. "Ich rufe alle Beteiligten, vor allem auch die ägyptische Regierung und den Präsidenten auf, dass sie friedliche Demonstrationen genehmigen, dass die Meinungsfreiheit eine Chance hat", sagte Merkel am Rande des Weltwirtschaftsgipfels in Davos.
Auch die Vereinten Nationen mahnten die Einhaltung der Bürgerrechte an - insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Informations- und Versammlungsfreiheit. "Eines der Grundprinzipien der Demokratie ist der Schutz und die Gewährleistung der Meinungsfreiheit der Bürger", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Davos. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, forderte auch die Wiederherstellung der Internet- und Mobilfunkverbindungen.
US-Außenministerin Hillary Clinton, die bereits vor Wochen die arabische Staaten dazu aufrief, den Freiheitsdrang der arabischen Völker ernst zu nehmen, rief die ägyptische Regierung auf, auf die Bevölkerung zuzugehen. "Wir glauben, dass die ägyptische Regierung sofort mit dem ägyptischen Volk über die Verwirklichung ökonomischer, politischer und sozialer Reformen sprechen muss", sagte sie am Abend in Washington.
Präsident Barack Obama ließ sich von seinen Sicherheitsexperten über die Lage informieren; u.a. war Ägyptens Militärchef tags davor in Washington zu Gesprächen eingetroffen. Die USA überprüfen die Streichung der milliardenschweren Hilfszahlungen für Ägypten. Am Abend sprach der amerikanische Präsident nach Mubaraks Rede direkt mit ihm und mahnte Reformen, Menschenrechte und Freiheit.
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