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Freitag, 29.10.2010 | Drucken |
EU-Menschenrechtskommissar: Auflösung menschlicher Werte durch zunehmende Intoleranz gegen Muslime
Europäische Muslime werden durch populistische Rhetorik stigmatisiert - Fanatismus ist kein Teil der europäischen Werte
(coe/Islamische Zeitung) Europäische Länder scheinen einer weiteren Krise über Haushaltsdefizite hinaus gegenüber zu stehen – die Auflösung menschlicher Werte. Ein Symptom dafür ist die zunehmende Intoleranz gegenüber Muslimen, sagt der Menschenrechtskommissar des Europarates, Thomas Hammarberg in seinem neuesten, heute veröffentlichten Menschenrechtskommentar.
Das Schweizer Referendum zum Verbot des Baus von Minaretten stellte dabei keine Ausnahme dar: Meinungsumfragen in mehreren europäischen Ländern spiegeln Angst, Argwohn und negative Meinungen über Muslime und die islamische Kultur wider.
Diese islamfeindlichen Vorurteile werden mit rassistischen Einstellungen verbunden – und richten sich nicht zuletzt gegen Menschen mit Herkunft aus der Türkei, arabischen Ländern und Südasien. Muslime mit diesem Hintergrund werden auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem in einer Reihe europäischer Länder diskriminiert. Es gibt Berichte, die aufzeigen, dass sie anscheinend auch das Ziel der Polizei bei wiederholten Identitätskontrollen und zudringlichen Durchsuchungen sind. Dies stellt ein ernstes Menschenrechtsproblem dar.
Jüngste Wahlen haben gezeigt, dass extremistische politische Parteien nach aggressiven islamfeindlichen Kampagnen stärker Fuß fassen. Und noch beunruhigender ist die Trägheit oder Verwirrung, die in dieser Lage über die etablierten demokratischen Parteien hereingebrochen zu sein scheint. Kompromisse werden eingegangen, die den Anschein erwecken, groben Vorurteilen und offener Fremdenfeindlichkeit einen Hauch von Legitimität zu verleihen.
Antwort der öffentlichen Meinung: Begrenzung religiöser Freiheit für Muslime
Als der deutsche Bundespräsident Christian Wulff kürzlich in einer Rede das Offensichtliche bestätigte, dass nämlich der Islam – wie das Christentum und das Judentum – Teil des nationalen Kontextes ist, wurde dies als kontrovers angesehen. Eine Zeitung berichtete, dass zwei Drittel der Bevölkerung nicht damit übereinstimmten.
Eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung ins Leben gerufene ehrgeizigere Umfrage zeigte, dass 58 Prozent damit übereinstimmen, dass „religiöse Praktiken für Muslime in Deutschland ernsthaft begrenzt werden sollten”. Obwohl nicht ganz eindeutig, scheint diese Aussage die Religionsfreiheit für eine Gruppe – die Muslime – abzulehnen. Die breite Unterstützung für die Ansicht ist ein schlechtes Zeichen.
Interessanterweise gab es sehr große regionale Unterschiede bei den Antworten in dieser Meinungsumfrage. Im Osten des Landes – mit einer sehr viel kleineren muslimischen Bevölkerung – erreichte die Unterstützung dieser Aussage sogar den Wert von 76 Prozent. Entfernung und Unwissenheit scheinen den Argwohn zu erhöhen.
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Politiker sollten nicht im Strom der Populisten schwimmen
Dies scheint ein allgemeines Phänomen zu sein: Mangelndes Wissen nährt Vorurteile. Politischen Führern ist es im Großen und Ganzen nicht gelungen, den islamfeindlichen Stereotypen entgegen zu treten.
Natürlich ist dies nach den Terroranschlägen in New York, Madrid, London, Amsterdam und auch in Beslan und Moskau schwieriger geworden. Jedoch haben die durch diese schrecklichen Verbrechen verursachten Emotionen systematische Anstrengungen zur Einführung einer Unterscheidung zwischen den Übeltätern und der überwältigenden Mehrheit der Muslime gefordert. Diese Anstrengungen wurden kaum unternommen.
Auch wurde nicht genügend Priorität der Analyse eingeräumt, warum einige Leute auf die Hasspropaganda gegen Muslime hören. Teil der Erklärung scheint dasselbe Unwissen, dieselbe Angst und Enttäuschung zu sein, die den Fanatismus gegen Roma und Einwanderer im Allgemeinen verursacht haben. Wir haben erfahren, dass Minderheiten manchmal von solchen Menschen zum Sündenbock gemacht werden, die sich von den Politikern an der Regierung entfremdet und missachtet fühlen. Es ist wichtig, nach vollständigen Erklärungen zu suchen.
Bundespräsident Wulff hatte natürlich Recht: Der Islam ist bereits ein Teil unserer Kultur. Muslime in Europa – einschließlich der etwa 1,6 Millionen Muslime im Vereinigten Königreich, 3,8 Millionen in Deutschland, 5 Millionen in Frankreich und 15 - 20 Millionen in Russland – leisten ihren Beitrag zu unseren Wirtschaftssystemen und Gesellschaften. Sie gehören dazu. Die meisten von ihnen sind in der Tat in diesen Ländern geboren, die Mehrheit ist nicht besonders religiös und nur sehr wenige können als Islamisten charakterisiert werden.
Fanatismus ist kein Teil der europäischen Werte
Die mannigfaltige Gruppe der Muslime wird nun von Politikern in manchen Ländern dafür verantwortlich gemacht, dass sie sich nicht „assimilieren”. Jedoch stellt Integration einen Prozess in zwei Richtungen dar, der auf gegenseitigem Verständnis beruht. Gegen Muslime gerichteter Fanatismus ist in der Tat ein wesentliches Hindernis für eine respektvolle Beziehung geworden. In der Tat ist die islamfeindliche Atmosphäre wahrscheinlich ein Faktor gewesen, der Extremisten in einigen Fällen die Möglichkeit gegeben hat, junge und verbitterte Einzelpersonen zu rekrutieren, denen ein Gefühl der Zugehörigkeit fehlt.
Anstatt solche Probleme ernsthaft zu diskutieren, haben wir eine Debatte über Methoden zur Bestrafung von Frauen, die den Niqab tragen und zur Verhinderung des Baus von Minaretten geführt. Dies ist kaum der Weg, um unseren europäischen Werten Tiefe zu verleihen.
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