Artikel Donnerstag, 04.03.2010 |  Drucken

Nachklang zu Berlinale – Zwei Filmbesprechungen und der türkische Film „Bal“ auch als Gewinn für die Multi- Kulti Stadt Berlin

Der türkische Film „Bal“ (Honig) ist der Sieger der 60. Internationalen Filmfestspiele in Berlin. Der 1963 in Izmir geborene Regisseur Semih Kaplanoglu durfte den GOLDENEN BÄREN in Empfang nehmen. Zum letzten Mal hatte ein türkischer Film vor 46 Jahren diese Auszeichnung errungen.

Die CDU- Bundestagsabgeordnete Prof. Monika Grütters, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien, sprach genenüber islam.de: „auch von einem guten Signal.“ Immerhin leben in der Bundeshauptstadt viele türkische Mitbürger. Monika Grütters betonte, diese Auszeichnung sei ein großer Gewinn „für die Multi- Kulti Stadt Berlin.“

Der Film als ein Teil der Kunst kann dienen oder schädlich, ja sogar tödlich sein.

Zwei, im Grunde drei Filme, sollen das beleuchten. In der BERLINALE- Reihe Panorama lief der irakische Spielfilm „Son of Babylon.“
Regie führt Mohamed Al- Daradji. Er ist auch am Buch beteiligt und einer der Kameraleute sowie einer der Produzenten. Seit Jahrzehnten fand kein Streifen aus dem Irak mehr den Weg zur BERLINALE. Umso beeindruckender das Werk.
Zum Inhalt: Knapp 3 Wochen nach dem Sturz von Saddam Hussein sucht eine alte Frau, die mit ihrem Enkel Ahmed (12) zusammen lebt, ihren verschollenen Sohn und Ahmeds Vater. Die Mutter ist bereits verstorben. Die alte Frau weiß nur, Republikanische Garden haben damals ihren Sohn grundlos inhaftiert. Der Grund könnte sein, bei der Familie handelt es sich ausnahmslos um Kurden. Auf der langen, beschwerlichen Suche im ganzen Land begegnen ihnen arabische und kurdische Iraker, die alle einen oder mehrere Familienangehörige suchen. Der Filmemacher drehte ausschließlich mit Laiendarstellern. Die alte Frau wird von Shezad Hussen gespielt. Im wahren Leben hat sie erlebt, wie Saddam Hussein, damals noch Liebling der westlichen Politik, Giftgas gegen seine eigenen Landsleute eingesetzt hatte. Proteste auf internationaler Ebene gab es kaum. Zur damaligen Zeit kämpfte der vom Westen hochgerüstete Irak gegen die Islamische Republik Iran. Dafür nahm man im Westen gerne in Kauf, es mit den Menschenrechten in Bagdad nicht so genau zu nehmen. Nach dem Sturz des Diktators sagte die Laiendarstellerin Shezad Hussen als einzige Frau vor Gericht gegen den Massenmörder Hussein aus.
Auf der Suche finden Großmutter und Enkel massenhaft Massengräber. Ermordete Menschen hat das Terrorregime in den Sandwüsten des Landes verscharrt. Saddam Hussein war nicht nur einer der grausamsten Herrscher in der arabischen Welt. Er hat bewirkt, dieses Land leidet noch heute an den Folgen der Terrorherrschaft. Familien sind entwurzelt, viele wissen nicht, was mit ihren Angehörigen geschah.
Bei der Filmpremiere in Deutschland waren Minister und Diplomaten aus dem Irak anwesend. Man betonte, dieser Film trage dazu bei, die grausame Saddam- Zeit ungeschönt darzustellen. So zu zeigen, wie Saddam Hussein und seine Helfer wirklich waren. Einerseits dient dieser Film dazu, man kommt in ein paar Jahren nicht auf die törichte Idee, die Herrscherzeit Saddams schönzureden. Nach dem Motto, „alles war doch nicht ganz so schlecht.“ Andererseits soll dieser Spielfilm auch das Unrecht aufarbeiten. Dies unter rein juristischen Aspekten. Der anwesende Regisseur Al- Daradji sagte: „Wir wollen keine Rache. Wir wollen Frieden und Gerechtigkeit.“

Filme können natürlich auch für Machtzwecke missbraucht werden. Das zeigte der deutsche Spielfilm „Jud Süss- Film ohne Gewissen.“ Dieser Streifen lief in der BERLINALE- Kategorie „Wettbewerb.“
Im Grunde ist dieser Spielfilm ein Film über einen Film. Er beruht auf Tatsachen. Reichspropagandaminister Dr. Joseph Goebbels weist 1940 Regisseur (damals hieß es „Spielleiter“, weil Worte des Feindes verpönt waren) Veit Harlan an, einen Film über „die Juden“ zu drehen. Goebbels perfide Idee ist, den Juden klar, rein und deutsch zu zeigen. Damit kann er beweisen, die Juden passen sich überall an. Diese Anpassung erfolgt nur, damit sie später das heilige deutsche Vaterland übernehmen können. Jeder Spielfilm braucht Schauspieler. 1940 bestimmte der Nazi Goebbels, der Schauspieler Ferdinand Marian solle den Jud Süss spielen. Einen Juden, der vor knapp 200 Jahren am Hofe eines Herrschers in Karlruhe immer mehr an Macht und Einfluss gewann.
Marian spielte bisher in drittklassigen Filmen immer nur den Verführer von Frauen, den Casanova. Goebbels will den Verführer, um zu verführen. Marian ahnt die Falle, die ihm Goebbels stellen will. Einem jüdischen Schauspielerkollegen verspricht er per Handschlag, keinen „ekelhaften Juden“ darzustellen. Dieses verspricht Marian auch seiner Ehefrau Anna. „Ich werde einen guten Juden spielen. Ich kann mich verstellen. Wozu ist man denn schließlich Schauspieler?“ fragt er sie. Sein Kollege Werner Krauss spielt in dem Stück gleich 5 verschiedene Juden. Krauss Aufgabe ist es, die Juden zu karikieren. Ferdinand Marian spielt dagegen in Jud Süss einen Juden, den man gerne zum Freund, zum Nachbarn sich wünscht. Zu spät erkennt Marian, dass dies der diabolische Goebbels so eingeplant hatte von Anfang an. Dem deutschen Volk sollte eingetrichtert werden, der Jude ist wie das deutsche Volk. Er verstellt sich wie ein Wolf im Schafspelz und am Ende zeigt der Jude sein wahres Gesicht. Der Film ist längst abgedreht, als der frühere Casanova- Darsteller, der Verführer Marian erkennen muss, er konnte Goebbels nicht verführen. Dieser verstand es geschickt, den Schauspieler zu verführen. Das wurde erst mit Barem versucht. „Denken Sie daran, Marian, Einnahmen aus Filmen mit dem Prädikat „künstlerisch wertvoll“ sind steuerfrei.“ Da der Propagandaminister über die Titelvergabe entscheidet, ist es nur zu natürlich, dass dieser Film diese Auszeichnung bekommen wird. Lockt das Geld nicht, macht man dem Künstler klar, seine Frau Anna war doch in erster Ehe mit „einem Judenschwein verheiratet. Aus dieser Sauerei ist doch ein Kind entstanden.“ Dieses Kind lebt bei seiner leiblichen Mutter und dem Stiefvater Marian. „Ich kann mit Euch machen, was ich will“, dröhnt es aus Goebbels Mund. Er ist der Herr über Leben und Tod. Hier diente der Originalfilm „Jud Süss“ der Machterhaltung der Nationalsozialisten. Mehr noch, er war für viele große und kleine Helfer des Hitlerschen Terrorregimes Beweis dafür, „der Führer gehe mit den Juden schon richtig um.“ Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, ordnete an, den Film Soldaten in den besetzten Ostgebieten und dem gesamten KZ- Personal vorzuführen. Für gratis Alkohol während der Kinovorführung hatten die Vorgesetzten zu sorgen.
Auch die Zerrissenheit, die einen Schauspieler umgibt, der einen Film spielen muss auf Geheiß der NS- Obrigkeit, kommt in dem Spielfilm von Regisseur Oskar Roehler zum Ausdruck. Nicht nur das zeigt Roehler in dem BERLINALE- Film „Judd Süss- Film ohne Gewissen.“ Moritz Bleibtreu (Goebbels), Tobias Moretti (Marian), Martina Gedeck (Anna) und Justus von Dohnanyi (Harlan) sowie Milan Peschel (Krauss) spielen die Hauptrollen. Roehler zeigt auch auf, was nach Kriegsende aus den Protagonisten wurde. Der echte Veit Harlan verstand es geschickt, alle Schuld auf Goebbels zu schieben. Dieser sei für den Film Jud Süss zur Verantwortung zu ziehen. Marian hat sich nie an solchen Reinwaschaktionen beteiligt. So blieb er immer mit dem Vorwurf konfrontiert, Handlanger von Goebbels gewesen zu sein. Wenige Monate nach Kriegsende verstarb Ferdinand Marian bei einem Autounfall. Nie wurde geklärt, ob es ein Unfall oder Suizid war.

Ach ja, wollen wir Werner Krauss nicht vergessen. Er machte sich gleich in fünf Rollen über die Juden lustig in diesem Film. Im wahren Leben erhielt der „begnadete Film- und Theaterschauspieler“ das Bundesverdienstkreuz. Die Stadt Wien beerdigte ihn feierlich in einem Ehrengrab.
Aber das scheint ja schon beinahe Stoff für einen neuen Film zu dieser Thematik zu sein.(Volker- Taher Neef, Berlin)




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