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Thilo Sarrazin – der neue Typ Deutschlands?
Mazyek: „Wenn unsere Führungsschicht so aussieht, dann gute Nacht, Deutschland“ – Scharfe Kritik von der SPD, Bundesbankchef und dem Zentralrat der Juden
Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin gerät nach den abfälligen Äußerungen über Ausländer und Muslime nicht nur bei seinem Arbeitgeber, sondern auch in seiner Partei SPD zunehmend unter Druck.
Nach einem Bericht des Magazins "Focus" will ihm Bundesbank-Präsident Axel Weber wesentliche Kompetenzen entziehen. Eine Vorlage für die Vorstandssitzung an diesem Dienstag sehe vor, dass der frühere Berliner Finanzsenator die Zuständigkeit für Bargeld-Umlauf und Risiko-Controlling verlieren soll.
In einem Interview über Berlins wirtschaftliche Zukunft hatte Sarrazin der Zeitschrift "Lettre International" gesagt: "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert." Nach Bekanntwerden der Äußerungen hatte Weber Sarrazin den Rücktritt nahegelegt. Sarrazin lehnt diesen Schritt ab.
Der Zentralrat der Muslime empfiehlt Sarrazin einen Integrationskurs: "Interkulturelle Kompetenz ist auch für seinen Job eine Schlüsselkompetenz. Ein Integrationskurs würde ihm gut zu Gesicht stehen", sagte Zentralrats-Generalsekretär Aiman Mazyek dem Tagesspiegel am Sonntag. Mazyek äußerte die Vermutung, dass "Herr Sarrazin versucht, mit seinen Ausfällen davon abzulenken, dass es seine Bankenbranche war, die die Welt in eine Finanzkrise gestürzt hat. Wenn unsere Führungsschicht so aussieht, dann gute Nacht, Deutschland".
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ging mit Sarrazin hart ins Gericht. "Für einen Sozialdemokraten, der zumindest das Parteibuch noch bei sich hat, gehört es zum Grundkodex, dass man Menschen - egal wo sie hergekommen sind und die seit Jahren hier leben - nicht sozial diffamiert", sagte Wowereit auf dem SPD- Landesparteitag am Samstag. Auch andere Redner kritisierten Sarrazin heftig. Einige sahen für ihn keinen Platz in der SPD.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte Sarrazin Nähe zum Nationalsozialismus vorgeworfen. "Ich habe den Eindruck, dass Sarrazin mit seinem Gedankengut Göring, Goebbels und Hitler große Ehre erweist", sagte der Generalsekretär Stephan Kramer. Später nahm Kramer die Schärfe seine Wortwahl etwas zurück.
Nach einer Umfrage hat Sarrazin allerdings eine Mehrheit der Deutschen auf seiner Seite. In einer repräsentativem Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für "Bild am Sonntag" stimmten 51 Prozent der Deutschen der Aussage Sarrazins zu, dass ein Großteil der arabischen und türkischen Einwanderer weder integrationswillig noch integrationsfähig sei. Nur 39 Prozent der insgesamt 501 Befragten lehnen Sarrazins Meinung ab. Darin zeigt sich einmal mehr, dass die Propaganda erste Früchte trägt.
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