Artikel Montag, 27.10.2008 |  Drucken

Wer Kriminalität als Islamisierungsphänomen darstellt, der spielt ein böses Spiel populistischer Sündenbockpolitik - Ulfkotte und der Islam

"Seit Jahrzehnten warten Muslime in NRW vergeblich darauf, mit anderen Religionen gleichgestellt zu werden, etwa beim bekenntnisorientierten Religionsunterricht. Ein Grund für diese Ungleichbehandlung könnte bei vielen Politikern die irrationale Angst vor dem Islam sein. Und die wird von sogenannten Islamkritikern wie Udo Ulfkotte genährt.

Würden die verängstigten Menschen öfter mit Muslimen sprechen, würden sie schnell erkennen: Muslime sind Menschen wie Du und ich. Sie wünschen sich ein ganz normales, intaktes Leben mit Familie, Haus und Kind. Sie verabscheuen Extremismus und muslimische Terroristen, die ihren Glauben in den Schmutz ziehen. Dies ist kein Friede-Freude-Eierkuchen-Bild, sondern Ergebnis seriöser Umfragen.

In Ulfkottes Büchern tauchen Muslime jedoch ganz überwiegend als Straftäter, Hetzer, Schläger und Christenfresser auf. Natürlich gibt es die auch. Aber es würde doch auch niemand auf die Idee kommen, den Anschlag in Solingen als christlich zu bezeichnen, nur weil die rechtsradikalen Mörder eine christliche Herkunft besaßen.
Ein anderes Beispiel: Wenn in Indonesien Orang-Utans die Hand abgehackt wird, weil sie eine Orange geklaut haben, dann erklärt Ulfkotte das mit dem (angeblich) islamischen Glauben der Tierquäler. Dass die ehrwürdige und gute Behandlung der Tiere Teil des Glaubens ist, ignoriert er geflissentlich. Der Islam verkommt so zum Steinbruch seiner Vorurteile. Und so wird er nie erfahren, dass der Prophet von einer Prostituierten erzählte, der das Paradies versprochen wurde - weil sie unter großem Aufwand in einer Wüste einen verdurstenden Hund tränkte.

Durch seine monokausale Diskussion verhindert Ulfkotte zudem, die unterschiedlichen islamischen Strömungen oder wenigstens das entwicklungsfähige Potenzial der Muslime wahrzunehmen. Diese Methode wiederum bietet den Nährboden für Rassismus und die Festigung von Vorurteilen.
Leider verorten viele Islamkritiker derart effekthascherisch die Ursachen für soziale Probleme, Bildungs- und Sprachdefizite im Islam - ohne Ursachenforschung zu betreiben. Wer sogenannte Unterschichtenprobleme, zum Beispiel überproportionale Kriminalität, als Islamisierungsphänomen darstellt, der droht das böse Spiel populistischer Sündenbockpolitik zu betreiben. Diese Themen werden "zwangsislamisiert", was Lösungen erschwert, weil hinter allem der Islam vermutet wird, anstatt sozioökonomische Gründe in Betracht zu ziehen.

Übrigens, es geht mir nicht darum, Kritik an Muslimen zu verhindern. Im Gegenteil, konstruktive Kritik an Praktiken, die fälschlich im Namen des Islam begangen werden, ist gut und notwendig; nur so kann man auch besser werden.

Dass zum Beispiel muslimkritische Publizistinnen wie Seyran Ates das Thema Ehrenmorde in die Öffentlichkeit getragen haben, war bei aller Kontroverse um die Art und Weise hilfreich. Inzwischen haben muslimische Prominente wie Tariq Ramadan ebenfalls Kampagnen gegen Ehrenmorde und Zwangsheiraten initiiert." AIMAN A. MAZYEK


Erstveröffentlichung in der WELT am Sonntag vom 26.10.08, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion




Ähnliche Artikel

» Offener Brief des KRM an den ADAC wegen Hetze gegen Islam in Monatszeitschrift
» Die Menschenrechte stehen auf dem Spiel
» CMFD: Spirale des Hasses mit Frieden durchbrechen
» Hexenjagd in Rheinland-Pfalz: Vorhang auf zum neuen Kopftuch-Stück in 10 Akten
» Lesung in Moschee: Debüt-Roman „Kampf gegen Terroristen“

Wollen Sie einen
Kommentar oder Artikel dazu schreiben?
Unterstützen
Sie islam.de
Diesen Artikel bookmarken:

Twitter Facebook MySpace deli.cio.us Digg Folkd Google Bookmarks
Linkarena Mister Wong Newsvine reddit StumbleUpon Windows Live Yahoo! Bookmarks Yigg
Diesen Artikel weiterempfehlen:

Anzeige

Hintergrund/Debatte

Extreme bis extremistische Einstellungen in Deutschland auf dem Vormarsch mit Spiegelung in der Politik und Medien
...mehr

Langes KNA-Interview: Der neue Vorsitzende des Zentralrats der Muslime über sein Amt
...mehr

Bochum ehrt Ahmed Aweimer zum 70. Geburtstag
...mehr

Aiman Mazyek kommentiert das Verbot der Imam Ali Moschee: "Blaue Moschee - Islamisches Zentrum in Hamburg
...mehr

Medienanalyse: Rassismus in Medien, Recht und Beratung
...mehr

Alle Debattenbeiträge...

Die Pilgerfahrt

Die Pilgerfahrt (Hadj) -  exklusive Zusammenstellung Dr. Nadeem Elyas

88 Seiten mit Bildern, Hadithen, Quran Zitaten und Erläuterungen

Termine

Islamische Feiertage
Islamische Feiertage 2019 - 2027

Tv-Tipps
aktuelle Tipps zum TV-Programm

Gebetszeiten
Die Gebetszeiten zu Ihrer Stadt im Jahresplan

Der Koran – 1400 Jahre, aktuell und mitten im Leben

Marwa El-Sherbini: 1977 bis 2009